Wachstumsinitiative der Bundesregierung – Quo vadis Datenschutzrecht?!
In der am 5. Juli 2024 vorgestellten Initiative finde sich auch Ideen zur Anpassung des Datenschutzrechtes, unter anderem zur Erhöhung der Anzahl in § 38 BDSG auf 50 Personen in Bezug auf Pflicht zur Bestellung eines betrieblichen Datenschutzbeauftragten. Zudem gibt es auch die Idee, „Sonderzuständigkeiten“ bei einzelnen Landesdatenschutzbehörden zu schaffen, die dann für alle Bundesländer zentral für bestimmte Bereiche in Wirtschaft und Verwaltung zuständig sein sollen oder für bestimmte Themen, die einen Bezug zum Datenschutzrecht haben. Es bleibt abzuwarten, welche der Ideen dann auch in Gesetzesform umgesetzt werden.
LAG Nürnberg: Anspruch einer Gewerkschaft, dienstliche E-Mail-Adressen von Beschäftigten eines Unternehmens zu erlangen, stehen das Datenschutzrecht entgegen
So unter anderem das Gericht in seinem Urteil vom 26. September 2023 (Az.: 7 Sa 344/22). Die klagende Gewerkschaft hatte in den Zeiten der COVID19-Pandemie einen Anspruch auf Herausgabe aller dienstlichen E-Mail-Adressen der Mitarbeitenden des beklagten Unternehmens geltend gemacht und diesen Anspruch unter anderem mit dem Zugangsrecht zum Betrieb für Gewerkschaften nach § 2 II BetrVG und auch dem gewerkschaftlichen Betätigungsrecht des Art. 9 III GG begründet. Das Gericht sieht aber schon datenschutzrechtliche Einwände aus der DSGVO und auch dem BDSG einem solchen Anspruch entgegenstehen, da dass beklagte Unternehmen die Vorgaben des Datenschutzrechtes einhalten müsse. So heißt es in den Entscheidungsgründen unter anderem: „…Die Beklagte ist jedoch, worauf sie zu…
LAG Bremen: Sachvortragsverwertungsverbot, wenn Arbeitgeber private Kommunikation auf Dienstrechner in der Webanwendung von WhatsApp liest und als Grundlage von arbeitsrechtlichen Maßnahmen verwendet
So unter anderem das Gericht in einem arbeitsrechtlichen Gerichtsverfahren mit Urteil vom 7. November 2023 (Az.: 1 Sa 53/23). Dem klagenden Arbeitnehmer war es arbeitsvertraglich nicht gestattet, den Arbeitsplatzrechner für private WhatsApp-Korrespondenz zu nutzen. Der beklagte Arbeitgeber hatte Einblick in eine gesamte Kommunikation genommen, die auf dem Arbeitsplatzrechner einsehbar war und die dort erlangten Informationen hinsichtlich eines Diebstahls von Geld bei einer anderen Mitarbeitenden für eine Kündigung aus wichtigem Grund nach § 626 BGB genutzt. Das Gericht sieht hier ein Sachvortragsverwertungsverbot wegen eines Verstoßes gegen § 26 BDSG und begründet dies in den Entscheidungsgründen unter anderem wie folgt: „..Das Lesen des Inhalts von E-Mails oder anderen elektronischen Nachrichten, die an…
Bundesrat am 22.März 2024 mit Beschluss zum Ersten Gesetz zur Änderung des BDSG
Entgegen einer zunächst am 11.März 2024 veröffentlichten Empfehlung der Ausschüsse des Bundesrates ist eine Streichung des § 38 BDSG in der Stellungnahme (hinter Link befindet sich ein .pdf-Dokument) nicht mehr enthalten. Diese Streichung hätte die nationale Regelung zur Bestellung von betrieblichen Datenschutzbeauftragten in nicht-öffentlichen Stellen beseitigt und die Benennung der Regelung aus Art. 37 DSGVO vorbehalten. Der Bundesrat nimmt hingegen umfangreich Stellung zu den geplanten Anpassungen zum Thema „Scoring“ aufgrund bestehender Rechtsprechung des EuGH.
BAG: § 6 Abs. 4 Satz 1 BDSG und damit der besondere Schutz des betrieblichen Datenschutzbeauftragten vor einer Abberufung ist mit dem Recht der EU vereinbar
So das Gericht in seinem Urteil vom 6. Juni 2023 (Az.: 9 AZR 621/19) in Übereinstimmung mit der Entscheidung des EuGH in dem Vorabentscheidungsersuchen des BAG. Das Gericht führt in den Entscheidungsgründen unter anderem aus: „…Durch § 6 Abs. 4 Satz 1 BDSG werden die Ziele der DSGVO nicht beeinträchtigt. Die Abberufung – wie auch die Kündigung – des Datenschutzbeauftragten ist nach nationalem Recht zwar an besondere Anforderungen geknüpft, da jeweils die Schwelle des „wichtigen Grundes“ erreicht werden muss. Damit werden die Voraussetzungen, unter denen der Verantwortliche das Arbeitsverhältnis mit einem verpflichtend benannten Datenschutzbeauftragten beenden kann, erhöht, jedoch weder unmöglich noch unzumutbar erschwert. Insbesondere ist auch nach nationalem Recht nicht…
BAG: § 26 I 1 BDSG ist Rechtsgrundlage nach Art. 6 I lit c.) DSGVO bei Verarbeitung von personenbezogenen Daten durch Interessenvertretung dar, auch wenn Vorschrift nicht Vorgaben der Öffnungsklausel des Art. 88 DSGVO genügt
So das Gericht in seinem Beschluss vom 9. Mai 2023 (Az.: 1 ABR 14/22) im einem Rechtsbeschwerdeverfahren in einem Rechtsstreit eines Arbeitgebers mit einer Interessenvertretung. Die Interessenvertretung hatte eine Auskunftsanspruch bezogen auf die Übermitteilung von personenbezogenen Daten in Form eines Verzeichnisses über alle im Betrieb und Unternehmen beschäftigten schwerbehinderten und diesen gleichgestellten behinderten Menschen geltend gemacht. Die Richter des BAG sehen § 26 I 1 BDSG als Rechtsgrundlage nach Art. 6 I lit c.) DSGVO an und begründen unter anderem wie folgt: „…Nach Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. c DSGVO ist die Verarbeitung rechtmäßig, wenn sie zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung erforderlich ist. Die rechtliche Grundlage für eine…
BAG: Abberufung von Datenschutzbeauftragten aus wichtigem Grund möglich->wichtiger Grund ist gleichzeitige Funktion als Betriebsratsvorsitzender, da Interessenkollisionen drohen
So das Gericht in seinem Urteil vom 6. Juni 2023 (Az.: 9 AZR 383/19), zudem nunmehr die vollständige Urteilsbegründung vorliegt. In diesem Verfahren hatte das BAG den EuGH im Rahmen eines Vorabentscheidungsersuchens mit rechtlichen Fragen beschäftigt. Der EuGH hatte mit Urteil vom 09. Februar 2023, Az.: C-453/21, entschieden, so dass das BAG nunmehr auch seine Entscheidung treffen konnte. Das Gericht sieht auch nach der Rechtslage bis zum 24.5.2018 und danach unter Geltung des § 38 BDSG einen Interessenkonflikt zwischen der Funktion des betrieblichen Datenschutzbeauftragten und der Funktion als Vorsitzendem eines Betriebsrates. Das Gericht führt in den Entscheidungsgründen dazu unter anderem aus: „…Die Pflichten eines Datenschutzbeauftragten sind mit denen eines Betriebsratsvorsitzenden…
LArbG Berlin-Brandenburg: Datenübermittlung durch den Arbeitgeber und anschließende Datenverarbeitung durch den Wahlvorstand sind zur Wahrnehmung des den wahlberechtigten Beschäftigten zustehenden Rechts zur Teilnahme an den Betriebsratswahlen nach § 26 I/III 1 BDSG erforderlich
So das Gericht in seinem Beschluss vom 21. April 2023 (Az.: 26 TaBVGa 436/23) in einem Eilverfahren rund um eine durchzuführende Betriebsratswahl und die damit verbundene Zurverfügungstellung von Daten von Beschäftigten. Das Gericht führt unter anderem in den Entscheidungsgründen aus: „…Der Übergabe der persönlichen Daten stehen datenschutzrechtliche Bedenken nicht entgegen (Fitting, BetrVG, 31. Aufl. 2022, § 24 WO 2001, Rn. 14). Die Daten der Arbeitnehmer (Adressen) werden vom Arbeitgeber rechtmäßig verarbeitet. Der Wahlvorstand benötigt diese zur Durchführung seiner ihm nach § 24 WO obliegenden gesetzlichen Verpflichtungen. Er unterliegt insoweit der Schweigepflicht. Darauf, dass sich zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht vollumfänglich vorhersehen lässt, ob der Wahlvorstand tatsächlich alle privaten Anschriften der…
LAG Sachsen-Anhalt: Nachfrage einer stellenausschreibenden Einheit eines öffentlich-rechtlichen Arbeitgebers bei der zentralen Personalverwaltung zu Schwerbehinderteneigenschaft eines internen Stellenbewerbers datenschutzrechtlich zulässig
Genauer gesagt ist dieses Vorgehen von den Rechtsgrundlagen des Art.9 II lit b) DSGVO und § 26 III 1 BDSG gedeckt. So das Gericht in seinem Urteil vom 28. März 2023 (Az.: 4 Sa 186/22). Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig, da das Verfahren beim Bundesarbeitsgericht (BAG) unter dem Aktenzeichen 8 AZR 143/23 geführt wird. In dem Rechtsstreit sind ausgesprochenen Kündigungen, einen Weiterbeschäftigungsanspruch und ein hilfsweise geltend gemachter Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung nach § 15 AGG streitig. Im Bezug auf den letztgenannten Anspruch wurde auch die Frage des Datenschutzrechtes thematisiert. Das Gericht führt in den Entscheidungsgründen dazu unter anderem aus: „…aa) Bei beiden Stellenausschreibungen handelt es sich ausweislich der…
Die Landesbeauftragte für den Datenschutz Niedersachsen veröffentlicht Tätigkeitsbericht für das Jahr 2022
Wie immer sind die Tätigkeitsberichte der Aufsichtsbehörden ein guter Anhaltspunkt, welche Beschwerden dort vorgebracht und wie die rechtliche Einschätzung der Aufsichtsbehörden ist. Ich habe mir den Bericht einmal angesehen und folgenden, für mich interessanten, Punkt entdeckt: A. Auskunft nach Art. 15 DSGVO kann auch durch Rechtsanwalt erteilt werden Die Aufsichtsbehörde vertritt die Ansicht, dass ein Rechtsanwalt für einen Mandanten, zumal unter Vollmachtsvorlage, einen Anspruch auf Art. 15 DSGVO geltend machen kann, und dieser Anspruch nicht höchstpersönliche der betroffenen Person vorbehalten ist. Auf Seite 154 des Tätigkeitsberichts wird dazu unter anderem ausgeführt: „…Die grundlegende Auffassung des Versicherungsunternehmens teile ich nicht. Gründe, die die vorgelegte Vollmacht ungenügend erscheinen lassen sind nicht gegeben,…