So das Gericht in seinem Urteil vom 2. April 2024 (Az.: 2-31 O 78/23) im Rahmen eines Rechtsstreites rund um die durch den Kläger geltend gemachte Rückzahlung von Zahlungen aus einem solchen Vertrag mit einem Architekten. Das Gericht stellt ausführlich die Rechtslage dar und wendet dann auf den Vertrag im Streitfall das Fernabsatzrecht an. Dazu führt es in den Entscheidungsgründen des Urteils unter anderem aus:
„…Die Parteien verwendeten für die Vertragsverhandlungen und den Vertragsschluss ausschließlich Fernkommunikationsmittel iSd § 312c Abs. 2 BGB. Nach § 312c Abs. 2 BGB sind Fernabsatzverträge Verträge, bei denen der Unternehmer und der Verbraucher für die Vertragsverhandlungen / Vertragsanbahnungen und den Vertragsschluss ausschließlich Fernkommunikationsmittel verwenden. Ein Fernabsatzvertrag erfordert zunächst, dass die zum Vertragsschluss führenden Willenserklärungen über Fernkommunikationsmittel abgegeben wurden und zugegangen sind. Das ist immer dann der Fall, wenn die Parteien eine Erklärungsform gewählt haben, bei der es keiner gleichzeitigen körperlichen Anwesenheit bedarf (§ 312c Abs. 2 BGB). Die für den Vertragsschluss konstitutiven Willenserklärungen wurden per E-Mail ausgetauscht und ein gemeinsamer Ortstermin, der den ersten persönlichen Kontakt zwischen den Parteien bei gleichzeitiger körperlicher Anwesenheit markierte, folgte dem Vertragsschluss nach. Daher können auch die Vertragsverhandlungen denknotwendig nur unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln geführt worden sein. Dass es nach dem Vertragsschluss einen persönlichen Kontakt gab, ist für das Widerrufsrecht ohne Relevanz (Jötten, NZBau 2022, 635, 637 f.). Das Widerrufsrecht soll den Verbraucher und dessen Entscheidungsfreiheit bei Vertragsschluss schützen, sodass ein späterer persönlicher Kontakt – nach Vertragsschluss – für das Bestehen eines Widerrufsrechts nicht maßgeblich ist.
Ein Fernabsatzvertrag liegt aber nur vor, wenn die Parteien auch für die Vertragsverhandlungen ausschließlich Fernkommunikationsmittel verwendet haben (OLG Schleswig, NJW-RR 2022, 341 Rn. 24). Die Schutzbedürftigkeit des Verbrauchers beim Abschluss von Fernabsatzverträgen ergibt sich daraus, dass er die Ware oder Dienstleistung vor Vertragsschluss nicht sehen und prüfen kann. Dies rechtfertigt die Einräumung des Widerrufsrechts (Erwägungsgrund 37, RL 2011/83 EU und insb. Erwägungsgrund 14 RL 97/7/EG). Bei einem Planervertrag ist zu beachten, dass – anders als OLG Schleswig (NJW-RR 2022, 341 Rn. 29) pauschal für alle Dienst- und Werkleistungen anführt – auch ein Fall der Zielfindungsphase, § 650p Abs. 2 BGB, vorliegen kann, wonach bei Fehlen wesentlicher Planungs- und Überwachungsziele zunächst eine Planungsgrundlage mit einer Kostenschätzung zu erstellen ist (mit der Möglichkeit eines Sonderkündigungsrechts des Bestellers). Insoweit verfängt das Argument des OLG, dass es bei einem Werkvertrag der persönliche Eindruck des Vertragspartners für die Einordnung von § 312c BGB maßgeblich sein kann, bei einem Planervertrag nur bedingt, schuldet der Planer bei der Zielfindungsphase just nicht direkt weitergehende Leistungsphasen (wie die Vollarchitektur) – insoweit kann die Zielfindungsphase auch dem Gedanken von § 312c BGB indirekt „Rechnung tragen“. Solche gewichtigen persönlichen – und nicht rein fernmündlichen – Gespräche vor unmittelbaren Vertragsschluss (zur zeitlichen Komponente bei § 312c Abs. 2 BGB MüKo-BGB/Wendehorst, 9. Aufl. 2022, § 312c BGB, Rn. 21) vermag das Gericht aber nicht erkennen zu können. Vortrag hierzu erfolgte nicht.
Das Gericht verkennt hierbei nicht, dass ein – sonst bei Planerverträgen üblicher – gemeinsamer Begehungstermin vor Vertragsschluss mit den Beteiligten vorliegend nicht erfolgte, weil sich die Klägerin im Ausland befand, sie aber gleichwohl auf einen Vertragsschluss drängte. Insoweit ist es dem Beklagten aber unbenommen gewesen, darauf zu bestehen, dass man den Vertrag erst nach einer gemeinsamen Begehung schließt und insoweit zuwartet. Dass dies nicht möglich oder zumutbar gewesen sein soll, ist nicht ersichtlich (und auch nicht vorgetragen worden). Dem Beklagten wäre es auch möglich gewesen, die Klägerin unmittelbar während des Ortstermins zu kontaktieren oder Lichtbilder von dem Anwesen zu fertigen und basierend hierauf ein virtuelles Gespräch durchzuführen, um eine Art „gemeinsame virtuelle Begehung des Anwesens“ zu ermöglichen, damit unter Beachtung des Schutzinteresses der Klägerin als Verbrauchern ein gemeinsamer „Ortstermin“ vor Vertragsschluss vorliegt. Zweifelsfrei wäre hierfür erforderlich gewesen, dass der Beklagte z. B. mit Hilfe von CAD und Lichtbildern eine grobe virtuelle Beschaubarkeit erstellt. Dies mag dem Beklagten als Architekten aufwendig vorkommen, ist aber zu beachten, dass der Verbraucher zu schützen ist. Will der Architekt daher einen Fall des Fernabsatzvertrags „verhindern“, muss er virtuell einen Ortstermin replizieren – dies ist technisch gesehen gegenwärtig auch möglich.
Insoweit ist die Schutzbedürftigkeit der Klägerin als Verbrauchern nicht mehr vorhanden, wenn die Situation der „Unsichtbarkeit des Vertragspartners und des Produkts“ beseitigt ist (OLG Köln WM 2019, 825, 826; so auch OLG Schleswig, NJW-RR 2022, 341 Rn. 33); hiervon geht das Gericht aus den zuvor dargelegten Umständen indes nicht aus…“
Der Beklagte konnte die Anwendung des Fernabsatzrechtes auch nicht widerlegen. Dazu das Gericht in den Entscheidungsgründen:
„…Das Widerrufsrecht ist vorliegend nicht auch ausnahmsweise nicht gegeben, weil kein für den Fernabsatz organisiertes Vertriebs- oder Dienstleistungssystems vorliegt. Ein solches System wird nach der Fassung des § 312c Abs. 1 aE widerleglich vermutet, sodass der Unternehmer – hier der Beklagte – Gegenteiliges darzulegen und zu beweisen hat (Jötten, NZBau 2022, 635, 637 unter Verweis auf BGH NJW 2021, 304 Rn. 12 und BGH NJW 2019, 303 Rn. 18). Etwas von der Vermutung Abweichendes trägt der Beklagte nicht vor, sodass eine Übertragung der Grundsätze, die das OLG Schleswig geprägt hat, vorliegend ausscheidet. Dieses hatte nämlich eine Ausrichtung des Geschäftsbetriebs des Unternehmers auf den Fernabsatz dann verneint, wenn der Unternehmer seine Angebote regelmäßig erst nach vorhergehendem Ortstermin abgibt (vgl. OLG Schleswig, NJW-RR 2022, 341 [Leitsatz 2 und Rn. 35-38]). Das Gericht verkennt nicht, dass dies durchaus teilweise der Geschäftspraxis von Architekten entspricht – vgl. so schon z. B. die Ortsbesichtigung der LPH 1 (unter b) zu § 34 HOAI. Aber: Das Gericht kann nicht aufgrund von eigenen Erfahrungen und Vermutungen davon ausgehen, dass der Beklagte selbst auch so agiert. So ist es durchaus denkbar, dass auch Architekten „nur vom Schreibtisch aus arbeiten“. Insoweit hat der Beklagte keinen Sachvortrag geleistet, der gegen die Anwendbarkeit der Vermutung spricht…“
Hinweis des Autors:
Ob das Rechtsmittel der Berufung eingelegt wurde, ist dem Autor bei Erstellung des Beitrages nicht bekannt.