LAG Hamm: Löschung einer Abmahnung aus Personalakte nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses

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Löschung einer Abmahnung aus Personalakte nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses – Ein Anspruch dazu besteht nach Ansicht des LAG Hamm aus Art. 17 DSGVO. So entschieden durch das Gericht mit Urteil vom 13. September 2022 (Az.: 6 Sa 87/22). Das Gericht schließt sich dabei einer älteren Rechtsprechung des LAG Sachsen-Anhalt aus dem Jahre 2018 an (Urteil vom 23. November 2018, Az.: 5 Sa 7/17).

Zur Anwendung der DSGVO und zur Frage der Eigenschaft der Personalakte im datenschutzrechtlichen Sinne führt das LAG Hamm in den Entscheidungsgründen des Urteils unter anderem aus:

„…2.1.

Die Angaben in der Abmahnung sind personenbezogene Daten i. S. d. DS-GVO. Nach Artikel 4 Nr. 1 der DS-GVO sind „personenbezogene Daten“ alle Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person beziehen. Als identifizierbar wird eine natürliche Person angesehen, die direkt oder indirekt, insbesondere mittels Zuordnung zu einer Kennung wie einen Namen, zu einer Nummer, zu Standortdaten, zu einer Onlinekennung oder zu einem oder mehreren besonderen Merkmalen, die Ausdruck der physischen, physiologischen, genetischen, psychischen, wirtschaftlichen, kulturellen oder sozialen Identität dieser natürlichen Person sind, identifiziert werden kann.“

Das Abmahnungsschreiben vom 07.04.2021 bezieht sich – wie bereits aus dem Adressfeld und der Anrede zu erkennen – auf den Kläger als identifizierte natürliche Person.

Weiter heißt es in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt vom 23.11.2018 (5 Sa 7/17):

„Verantwortlicher ist nach Artikel 4 Nr. 7 DS-GVO jedenfalls der Arbeitgeber, also die Beklagte.

2.2.

Der sachliche Anwendungsbereich der DS-GVO und des BDSG ist eröffnet, Artikel 2 Abs. 1 DS-GVO, § 1 Abs. 1, Satz 2 BDSG.

Auch in einer in Papierform geführten Personalakte werden personenbezogene Daten verarbeitet, die in einem Datensystem gespeichert sind oder gespeichert werden sollen.

Nach Artikel 4 Nr. 6 DS-GVO ist ein „Datensystem“ jede strukturierte Sammlung personenbezogener Daten, die nach bestimmten Kriterien zugängig sind, unabhängig davon, ob diese Sammlung zentral, dezentral oder nach funktionalen oder geografischen Gesichtspunkten geordnet geführt wird.

Unter Personalakten im formellen Sinn sind diejenigen Schriftstücke und Unterlagen zu verstehen, welche der Arbeitgeber als „Personalakte“ führt und die diesen als Bei-, Neben- oder Sonderakten zugeordnet sind. Derartige Aktenbestände sind äußerlich erkennbar in Ordnern, Heftern oder Blattsammlungen geführt, entsprechend gekennzeichnet und nach der Art ihrer Registrierung oder Aufbewahrung als zueinander gehörend bestimmbar. In der Personalakte werden personenbezogene Daten strukturiert gesammelt und nach bestimmten Kriterien zugänglich gemacht (vgl. Gola, DS-GVO, 2. Aufl., Art. 4, Rdnr. 43 – 47, anderer Ansicht: LAG Sachsen, 14.01.2014, 1 Sa 266/13, juris, Rdnr. 29 unter Bezugnahme auf BAG, 16. 11.2010 – 9 AZR 572/09 –, juris, Rdnr. 25, 26)…“

Zum fehlenden Zweck der Speicherung einer Abmahnung nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses führt das Gericht aus:

„…Die personenbezogenen Daten sind für die Zwecke, für die sie erhoben oder auf sonstige Weise verarbeitet wurden, nicht mehr notwendig. Es ist nicht ersichtlich, inwiefern die Beklagte noch ein Interesse an einem Beibehalt des Abmahnungsschreibens in der Personalakte des Klägers hat. Mit einer Abmahnung übt ein Arbeitgeber sein arbeitsvertragliches Gläubigerrecht in doppelter Hinsicht aus. Zum einen weist er den Arbeitnehmer als seinen Schuldner auf dessen vertragliche Pflichten hin und macht ihn auf die Verletzung dieser Pflichten aufmerksam (Rüge und Dokumentationsfunktion). Zum anderen fordert er ihn für die Zukunft zu einem vertragsgetreuen Verhalten auf und kündigt, sofern ihm dies angebracht erscheint, individualrechtliche Konsequenzen für den Fall einer erneuten Pflichtverletzung an (Warnfunktion) (BAG, 19.07.2012 – 2 AZR 782/11, juris, Rdnr. 20). Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist die Warnfunktion entfallen. Hinsichtlich der Rüge- und Dokumentationsfunktion könnte sich noch ein Interesse am Erhalt der Abmahnung für den Arbeitgeber ergeben, soweit dies zur Abwehr von etwaigen Ansprüchen des Arbeitnehmers oder zur Begründung eigener Ansprüche gegen den Arbeitnehmer erforderlich erscheint.“

Im vorliegenden Fall sind solche Gründe nicht gegeben. Zwischen den Parteien bestehen keine weiteren arbeitsrechtlichen Auseinandersetzungen, bei denen es für die Beklagte erforderlich sein könnte, die Abmahnung vom 07.04.2021 noch heranzuziehen. Der Rechtsstreit über die vom Kläger begehrte Zeugnisberichtigung ist durch Schlussurteil des Arbeitsgerichts Herford vom 03.05.2022 rechtskräftig entschieden…“