LG Offenburg: kein Anspruch gegen Social Media Netzwerk-Anbieter auf Schadensersatz nach Art.82 DSGVO wegen Datenerhebung per Scraping

Veröffentlicht von

So das Gericht in seinem Urteil vom 28. Februar 2023 (Az.: 2 O 98/22). Das Gericht beschäftigt sich ausführlich mit dem Nicht-Vorliegen von Verstößen gegen Regelungen der DSGVO und sieht mangels ausreichenden Vortrages auch keinen Anspruch auf Schadensersatz nach Art. 82 DSGVO.

Dazu führt das Gericht in den Entscheidungsgründen unter anderem aus:

„…Eine Erheblichkeitsschwelle für das Vorliegen eines solchen Schadens ergibt sich aus der DSGVO nicht. Bagatellschäden sind daher nicht auszuschließen. Zu verlangen ist aber jedenfalls, dass ein konkreter immaterieller Schaden auch tatsächlich eingetreten („entstanden“) ist (OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 02.03.2022 – 13 U 206/20, GRUR-RS 2022, 4491 Rn. 61 ff.; OLG Bremen, Beschluss vom 16.07.2021 – 1 W 18/21, juris Rn. 2; LG Essen, Urteil vom 10.11.2022 – 6 O 111/22, GRUR-RS 2022, 34818 Rn. 75; LG Gießen, Urteil vom 03.11.2022 – 5 O 195/22, GRUR-RS 2022, 30480 Rn. 18; LG Bielefeld, Urteil vom 19.12.2022 – 8 O 182/22, juris Rn. 36). Diesen muss der Kläger darlegen und gegebenenfalls beweisen (vgl. OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 02.03.2022 – 13 U 206/20, GRUR-RS 2022, 4491 Rn. 57, 65; OLG Brandenburg, Beschluss vom 21.06.2021 – 1 U 69/20, juris Rn. 20; Kühling/Buchner/Bergt, DS-GVO BDSG, 3. Aufl. 2020, Art. 82 Rn. 20 m.w.N.).

Auch und gerade unter Berücksichtigung eines weiten Verständnisses des immateriellen Schadens, das ausdrücklich auch Bagatellschäden einschließt, kann das Gericht nicht erkennen (§ 287 Abs. 1 ZPO), dass der Kläger einen solchen Schaden tatsächlich erlitten hat.

Die in den Schriftsätzen beschriebenen formelhaften Ängste und Sorgen, das Unwohlsein, die aufgewendete Zeit und der Stress haben sich in der persönlichen Anhörung in der mündlichen Verhandlung nicht gezeigt. Sie sind Teil einer Klageschrift und Replik, die mit dem gleichen Inhalt in einer Vielzahl von Verfahren rechtshängig wurden. Schon deswegen war der persönliche Eindruck des erkennenden Gerichts vom Kläger in seiner Anhörung in der mündlichen Verhandlung entscheidend. In dieser hat der Kläger zunächst geschildert, er habe sich spätestens im Jahr 2001 auf F. angemeldet. Sein F.-Konto bestehe bis heute noch, wobei er dieses noch lediglich sporadisch nutze.

Es ist festzuhalten, dass alle Daten – bis auf die Handynummer – aus dem öffentlichen Profil des Klägers „abgelesen“ wurden, die der Kläger bereitwillig dort selbst eingetragen hat. Ein Identitätsdiebstahl hat insoweit nicht stattgefunden. Soweit diese Daten öffentlich waren, standen sie bereits bei ihrer Eingabe nicht mehr unter der ausschließlichen klägerischen Kontrolle. Das Gefühl eines Kontrollverlustes kann sich daraus gerade nicht nachvollziehbar ergeben.

Soweit die Klägerseite schriftsätzlich Ängste und Misstrauen bezüglich Spam-E-Mails und Spam-SMS dargelegt hat, ist unklar, ob diese E-Mails und SMS tatsächlich im Zusammenhang mit dem Scraping-Vorfall verschickt wurden. Es ist gerichtsbekannt, dass auch Inhaber von Mobilfunknummern, die niemals bei F. angemeldet waren, Spam-E-Mails und Spam-SMS enthalten. Zumal ein geschärftes Bewusstsein beim Erhalt von E-Mail und SMS sowie ein sorgsamer Umgang mit persönlichen Daten, wie ihn auch der Kläger bei seiner Anhörung geschildert hat, stets angezeigt ist. Bezüglich der E-Mail-Adresse lässt sich im Übrigen schon gar nicht feststellen, ob diese überhaupt von dem Scraping-Vorfall betroffen ist. Während dies in der Klage noch behauptet wurde (siehe Bl. 24 d.A.) – was die Beklagte bestritten hat –, ergibt sich aus dem mit der Replik mitgeteilten Datensatz (Bl. 167 d.A.), dass dieser die E-Mail-Adresse des Klägers nicht umfasst.

Das Gericht konnte nicht erkennen, dass der Kläger sich tatsächlich „beobachtet“ gefühlt habe. Er wirkte nicht hilflos oder sah sich zu einem reinen Objekt der Datenverarbeitung degradiert. Das Gericht hält schriftsätzlich behauptete Sorgen und Ängste des Klägers nicht für glaubhaft. Der Kläger war bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung auf F. angemeldet. Erkennbare Konsequenzen hat er nicht gezogen. So kann mit den Angaben des Klägers bei seiner persönlichen Anhörung eine Verhaltensänderung des Klägers bezüglich der Nutzung von Internet, E-Mail oder SMS im Hinblick auf seine Betroffenheit von dem Scraping-Vorfall gerade nicht festgestellt werden.

Im Hinblick auf die schriftsätzlichen Behauptungen ist ein solches Verhalten aber nicht plausibel. Der Kläger hat, und das ist mitentscheidend, entsprechende Suchbarkeitseinstellungen bezüglich seiner Handynummer bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung überhaupt nicht geändert oder aber seine Handynummer aus den Nutzereinstellungen entfernt. So hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung bekundet, er habe nach Kenntnis der Betroffenheit von dem Scraping-Vorfall sich die „Nutzereinstellungen“ seines F.-Kontos angesehen. Die Einstellung bezüglich der Handynummer sei so gewesen, dass eine Sichtbarkeit nur für ihn gegeben sei. Dies bezieht sich auf die Profileinstellungen. Eine Änderung der Einstellungen habe der Kläger nicht vorgenommen. Damit wurde auch eine Änderung der Suchbarkeitseinstellungen nicht vorgenommen. Selbst wenn dem Kläger vor Klageeinreichung – wie behauptet – die Einstellungsmöglichkeiten auf F. nicht intuitiv und nachvollziehbar vorgekommen sein sollten, hätte er die verschiedenen Einstellungsmöglichkeiten nunmehr mittels Klageerwiderung und eigener Replik nachvollziehen können müssen. Schließlich hat er die unterschiedlichen Suchbarkeitseinstellungen selbst vortragen lassen.

Das Gericht ist nicht davon überzeugt, dass der Kläger überhaupt irgendwelche Komfort- und Zeiteinbußen im Zusammenhang mit dem Scraping-Vorfall erlitten hat. Anders als schriftsätzlich vorgetragen, musste sich der Kläger gerade nicht mit der Beklagten selbst auseinandersetzen. Er musste insbesondere nicht selbst um Auskunft bitten oder weitere Nachforschungen bezüglich des Scraping-Vorfalls anstellen und hat dies auch nicht getan. Er musste auch nicht den Sachverhalt ermitteln. Er hat geschildert, dass ihn der Scraping-Vorfall, nachdem er aus den Medien von ihm erfahren habe, zunächst nicht näher interessiert habe. Zu einem späteren Zeitpunkt sei er auf die Internetseite der Kanzlei seiner nunmehrigen Prozessbevollmächtigten aufmerksam geworden und habe ein auf der Internetseite angebotenes Abfrageformular genutzt, um zu überprüfen, ob die eigene Handynummer betroffen sei. Dies sei der Fall gewesen. Sodann habe er den Auftrag zur Klageerhebung entweder online oder telefonisch erteilt. Die weitere Kommunikation mit seinen Prozessbevollmächtigten sei per E-Mail erfolgt. Er sei seitens seiner Prozessbevollmächtigten über den Sachstand informiert worden; ein- oder zweimal habe er von sich aus nach dem Bearbeitungsstand gefragt. Am Vortag der mündlichen Verhandlung habe er ein Telefonat mit seinen Prozessbevollmächtigten geführt…“