Überblick zum neuen Kaufrecht 2022 – Teil 3

Veröffentlicht von

Überblick zum neuen Kaufrecht 2022 – Teil 3 Änderungen zum Verbrauchsgüterkauf

Hinweis:

In der losen Beitragsreihe „Überblick zum neuen Kaufrecht 2022“ stellt der Autor die aus seiner Sicht wichtigsten Änderungen des BGB als reinen informatorischen Überblick vor, die am 1. Januar 2022 in Kraft getreten sind. Ein Anspruch auf Vollständigkeit aller Neuregelungen besteht daher nicht. Hintergrund der Neuregelungen sind Richtlinien der EU.

Der Verbrauchsgüterkauf, allgemein auch „B2C-Kauf“ genannt, ist eine zentrale Vorschriftenbereich, die für viele Unternehmer:innen absolut relevant ist.

§ 474 I BGB definiert den Begriff des Verbrauchsgüterkaufes wie folgt:

„Verbrauchsgüterkäufe sind Verträge, durch die ein Verbraucher von einem Unternehmer eine Ware (§ 241a Absatz 1) kauft. Um einen Verbrauchsgüterkauf handelt es sich auch bei einem Vertrag, der neben dem Verkauf einer Ware die Erbringung einer Dienstleistung durch den Unternehmer zum Gegenstand hat.“

A. Abweichende Regelungen und Vereinbarungen

§ 475 BGB enthält abweichende Regelungen gegenüber den allgemeinen Vorschriften zum Gewährleistungsrecht. Nachfolgend werden die aus Sicht des Autors wichtigsten praxisrelevanten Regelungen benannt.

I. Frist und Art der Nacherfüllung, § 475 IV BGB

Der Unternehmer hat die Nacherfüllung innerhalb einer angemessenen Frist ab dem Zeitpunkt, zu dem der Verbraucher ihn über den Mangel unterrichtet hat, und ohne erhebliche Unannehmlichkeiten für den Verbraucher durchzuführen. So lässt sich die Regelung des § 475 IV BGB zusammenfassen.

Bei der Nichteinhaltung der Regelung, z.B. der Nachfüllung mit Unannehmlichkeiten für den Verbraucher, kann dieser einen Anspruch auf Schadensersatz nach § 280 I BGB wegen einer Pflichtverletzung geltend machen.

II. Anforderungen an negative Beschaffenheitsvereinbarungen, § 476 I 2 BGB

Will der Unternehmer mit dem Verbraucher eine negative Beschaffenheitsvereinbarung treffen, die den objektiven Anforderungen an die Kaufsache vorgeht, so stellt der Gesetzgeber dazu mit Wirkung seit dem 1. Januar 2022 besondere Anforderungen an die Wirksamkeit der Vereinbarung auf.

Dabei ist eine besondere Form einzuhalten:

  • der Verbraucher muss vor der Abgabe seiner Vertragserklärung eigens davon in Kenntnis gesetzt werden, dass ein bestimmtes Merkmal der Ware von den objektiven Anforderungen abweicht, und
  • ausdrücklich und gesondert Vereinbarung der Abweichung im Sinne der § 476 I 1 BGB im Vertrag

Die letztgenannte Voraussetzung führt dazu, dass eine Vereinbarung in einem Formularvertrag oder AGB nicht möglich ist, da dem Verbraucher dann gerade nicht bewusst wird, dass er eine solche Vereinbarung trifft.

Hier ist Kreativität bei Unternehmer:innen gefragt.

IV. Vereinbarungen über die Verjährung, § 476 II BGB

Bei gebrauchten Waren gilt, wie auch schon vor dem 1. Januar 2022, dass eine Verkürzung der Verjährungsfrist für Gewährleistungsansprüche auf 1 Jahr möglich ist.

Allerdings sind auch hier hohe Anforderungen des § 476 II 2 BGB zu beachten.

„…Die Vereinbarung ist nur wirksam, wenn

1.

der Verbraucher vor der Abgabe seiner Vertragserklärung von der Verkürzung der Verjährungsfrist eigens in Kenntnis gesetzt wurde und

2.

die Verkürzung der Verjährungsfrist im Vertrag ausdrücklich und gesondert vereinbart wurde…“

Hinsichtlich der ausdrücklichen und gesonderten Vereinbarung gelten die Vorgaben hinsichtlich der Vereinbarung einer negativen Beschaffenheit.

B. Verbrauchsgüterkauf einer Ware mit digitalen Elementen

Vollständig im Bereich des Verbrauchsgüterkaufrechts sind seit dem 1. Januar 2022 die Regelungen zum Verbrauchsgüterkauf einer Ware mit digitalen Elementen.

I. Anwendungsbereich

Der Anwendungsbereich der Regelungen sind nur Verbrauchsgüterkaufverträge.

Keine Anwendung finden die Regelungen bei B2B-Verträgen und bei C2C-Verträgen.

II. Sachmangel einer Ware mit digitalen Elementen

Für Waren mit digitalen Elementen, die Gegenstand eines Verbrauchsgüterkaufvertrages sind, kennt das neue Recht einen eigen Sachmangelbegriff.

1. Waren mit digitalen Elementen

Waren mit digitalen Elementen sind nach § 327a III 1 BGB „Waren, die in einer Weise digitale Produkte enthalten oder mit ihnen verbunden sind, dass die Waren ihre Funktionen ohne diese digitalen Produkte nicht erfüllen können“

Beispiele sind Smart-TV, Smart-Watch, Smart-Kühlschrank.

2. Eigener Sachmangelbegriff, § 475b II BGB

Sachmängelfreiheit liegt vor, wenn Ware mit digitalen Elementen bei Gefahrübergang und in Bezug auf eine Aktualisierungspflicht auch während des Zeitraums nach § 475b III 2 und IV 2 BGB

  • den subjektiven Anforderungen,
  • den objektiven Anforderungen,
  • den Montageanforderungen und
  • den Installationsanforderungen entspricht

Einen gegenüber dem Kaufrecht von Sachen modifizierten subjektiven Fehlerbegriff für Waren mit digitalen Elementen sieht § 475b III BGB vor.

Eine Sachmängelfreiheit liegt vor, wenn

  • eine Ware mit digitalen Elementen entspricht den Anforderungen des § 434 II BGB und
  • für die digitalen Elemente werden die im Kaufvertrag vereinbarten Aktualisierungen während des nach dem Vertrag maßgeblichen Zeitraums bereitgestellt

Letzter Punkt birgt für Unternehmer:innen die größte Unsicherheit. Es kommt auf die Vereinbarung von Aktualisierungen und einen vereinbarten Zeitraum an.

Der Begriff der Bereitstellung ist in § 327 b III BGB wie folgt definiert:

„Ein digitaler Inhalt ist bereitgestellt, sobald der digitale Inhalt oder die geeigneten Mittel für den Zugang zu diesem oder das Herunterladen des digitalen Inhalts dem Verbraucher unmittelbar oder mittels einer von ihm hierzu bestimmten Einrichtung zur Verfügung gestellt oder zugänglich gemacht worden ist.“

Unternehmer:innen müssen also prüfen, ob und wie Vereinbarungen für die Bereitstellung der Aktualisierungen getroffen worden sind.

Einen gegenüber dem Kaufrecht von Sachen modifizierten objektiven Fehlerbegriff für Waren mit digitalen Elementen sieht § 475b IV BGB vor.

Eine Sachmängelfreiheit liegt vor, wenn

  • eine Ware mit digitalen Elementen entspricht den Anforderungen des § 434 III BGB und4
  • dem Verbraucher werden während des Zeitraums, den er aufgrund der Art und des Zwecks der Ware und ihrer digitalen Elemente sowie unter Berücksichtigung der Umstände und der Art des Vertrags erwarten kann, Aktualisierungen bereitgestellt, die für den Erhalt der Vertragsmäßigkeit der Ware erforderlich sind, und der Verbraucher über diese Aktualisierungen informiert wird

Die Bereitstellung der Aktualisierung hängt dabei hinsichtlich der Dauer und Umfang nicht von einer vertraglichen Vereinbarung ab, sondern vom Erwartungshorizont eines Durchschnittkäufers

Die Aktualisierungspflicht ist durch eine vertragliche Regelung mit dem Verbraucher abdingbar, wobei dann die §§ 475b IV 2 BGB und § 476 I 2 BGB eingehalten werden müssen.

Für die weiter Pflicht, die Information über Aktualisierungen sind Zeitpunkt und Form situationsabhängig.

3. Verantwortlichkeit des Verbrauchers, § 475b V BGB

Wenn der Verbraucher eine bereitgestellte Aktualisierung nicht innerhalb einer angemessenen Frist installiert, so trägt der Verbraucher die Verantwortlichkeit für sich daraus ergebende Mängel.

Keine Haftung des Unternehmers für einen Sachmangel, der sich aus Nichthandlung des Verbrauchers ergibt, besteht, wenn

  • der Unternehmer den Verbraucher über die Verfügbarkeit der Aktualisierung und die Folgen einer unterlassenen Installation informiert hat (§ 475b V Nr. 1 BGB) und
  • die Tatsache, dass der Verbraucher die Aktualisierung nicht oder unsachgemäß installiert hat, nicht auf eine dem Verbraucher bereitgestellte mangelhafte Installationsanleitung zurückzuführen ist (§ 475b V Nr. 2 BGB)

4. Modifizierte Montage-und Installationsanforderungen

Wenn eine Montage- und/oder Installation durchzuführen ist, so regelt § 475b VI BGB Besonderheiten.

Ist eine Montage durchzuführen, liegt kein Sachmangel vor, wenn die Anforderungen des § 434 IV BGB eingehalten werden

Ist eine Montage durchzuführen, liegt kein Sachmangel vor, wenn

  • die Installation der digitalen Elemente sachgemäß durchgeführt worden ist (§ 475b IV 2a BGB) oder
  • die Installation zwar unsachgemäß durchgeführt worden ist, dies jedoch weder auf einer unsachgemäßen Installation durch den Unternehmer noch auf einem Mangel der Anleitung beruht, die der Unternehmer oder derjenige übergeben hat, der die digitalen Elemente bereitgestellt hat (§ 475b IV 2b BGB)

III. Sachmangel einer Ware mit digitalen Elementen bei dauerhafter Bereitstellung der digitalen Elemente

Noch differenzierter ist das Gewährleistungsrecht eines Verbrauchers bei einem Sachmangel einer Ware mit digitalen Elementen bei dauerhafter Bereitstellung der digitalen Elemente. Hier findet § 475c BGB Anwendung.

Eine dauerhafte Bereitstellung im Sinne des § 327e I 3 BGB ist eine fortlaufende Bereitstellung. Beispiele sind Verkehrsdaten eines Navigationssystems oder eine Cloud-Anbindung einer Spielekonsole.

C. Beweislastumkehr und Garantien

I. Beweislastumkehr

Hier ist zum 1. Januar 2022 die gesetzliche Vorschrift hinsichtlich der Dauer der Beweislastumkehr neugestaltet worden.

§ 477 I BGB lautet:

„Zeigt sich innerhalb eines Jahres seit Gefahrübergang ein von den Anforderungen nach § 434 oder § 475b abweichender Zustand der Ware, so wird vermutet, dass die Ware bereits bei Gefahrübergang mangelhaft war, es sei denn, diese Vermutung ist mit der Art der Ware oder des mangelhaften Zustands unvereinbar.“

Bei Waren mit digitalen Elementen, die dauerhaft bereitgestellt werden gilt § 477 II BGB:

„Ist bei Waren mit digitalen Elementen die dauerhafte Bereitstellung der digitalen Elemente im Kaufvertrag vereinbart und zeigt sich ein von den vertraglichen Anforderungen nach § 434 oder § 475b abweichender Zustand der digitalen Elemente während der Dauer der Bereitstellung oder innerhalb eines Zeitraums von zwei Jahren seit Gefahrübergang, so wird vermutet, dass die digitalen Elemente während der bisherigen Dauer der Bereitstellung mangelhaft waren.“

II. Garantien

Auch hier ist § 479 BGB zum 1. Januar 2022 geändert worden.

§ 479 I BGB regelt wie bisher auch die Sprache und Inhalt einer Garantieerklärung.

Wichtig ist insbesondere die Neuregelung des § 479 II BGB:

„Die Garantieerklärung ist dem Verbraucher spätestens zum Zeitpunkt der Lieferung der Ware auf einem dauerhaften Datenträger zur Verfügung zu stellen.“

Diese Pflicht ist immer zu erfüllen und vor allem ohne ein Verlangen des Verbrauchers.

Rechtsfolgen eines Verstoßes sind:

  • Garantieerklärung bleibt wirksam, § 479 IV BGB
  • Erfüllungsanspruch des Verbrauchers hinsichtlich der Pflichtangaben nach § 479 I 2 BGB
  • Erfüllungsanspruch des Verbrauchers hinsichtlich Mitteilung der Garantieerklärung auf dauerhaftem Datenträger nach § 479 II BGB

D. Fazit

Die neuen, ergänzenden, Anforderungen zum Verbrauchsgüterkauf stellen Unternehmer:innen vor neue Herausforderungen und setzt die Umsetzung der Neuregelungen sowie die Kenntnis aller mit Gewährleistungsfällen betrauten Beschäftigten voraus.