Nachweis der Mindestlohnzahlung und Datenschutz – In einem Rechtsstreit hatte das OLG Brandenburg unter anderem zu klären, ob der Vorlage von Lohnabrechnungen zur Prüfung der Zahlung des gesetzlichen Mindestlohnes im einem Rechtsverhältnis Generalunternehmer Subunternehmer rechtliche Regelungen des Datenschutzrechtes entgegenstehen.
Die Vorlage der Lohnabrechnungen war im Wege eines Zurückbehaltungsrechtes gegen einen Vergütungsanspruch des klagenden Unternehmens geltend gemacht worden.
In seinem Urteil vom 23. Februar 2022 (Az.:4 U 111/21) beschäftigt sich das Gericht ausführlich mit der Anwendung der relevanten Regelungen, zum einen der DSGVO und zum anderen des § 26 BDSG. Die Verurteilung erfolgte daher auch zu einer Geldzahlung, aber Zug-um-Zug gegen die Herausgabe unter anderem von Lohnabrechnungen und Namenslisten von tätigen Beschäftigten.
Nachweis der Mindestlohnzahlung und Datenschutz – keine Rechtsgrundlage aus § 26 BDSG im Streitfall
Das Gericht sah keine Anwendung der in § 26 BDSG enthaltenen Rechtsgrundlagen im zu entscheidenden Sachverhalt.
Dazu führt das Gericht in den Entscheidungsgründen unter anderem aus:
„…Trotz Inkrafttretens der DSGVO mit Wirkung ab dem 25.05.2018 ist die Frage des Umgangs eines Unternehmers mit personenbezogenen Daten der bei ihm Beschäftigten grundsätzlich zunächst nach § 26 BDSG a.F. zu beurteilen, da die Bundesrepublik Deutschland mit dieser Vorschrift von der in Art. 88 DSGVO eingeräumten Befugnis, zur Gewährleistung des Schutzes der Rechte und Freiheiten hinsichtlich der Verarbeitung personenbezogener Beschäftigtendaten im Beschäftigungskontext spezifischere Vorschriften zu erlassen, Gebrauch gemacht hat. Dabei gehört zur Verarbeitung im Sinne des BDSG aufgrund der Begriffsdefinition in Art. 4 Ziff. 2 DSGVO auch die „Offenlegung durch Übermittlung, Verbreitung oder eine andere Form der Bereitstellung“. Gemäß § 26 Abs. 1 BDSG a.F. ist die Verarbeitung personenbezogener Daten für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses zulässig, wenn dies für die Entscheidung über die Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses oder nach Begründung des Beschäftigungsverhältnisses für dessen Durchführung oder Beendigung oder zur Ausübung bestimmter Rechte und Pflichten der Interessenvertretung von Beschäftigten erforderlich ist. Die Überprüfung der Einhaltung der Verpflichtung zur Zahlung des Mindestlohns durch einen Generalunternehmer als Auftraggeber der Beschäftigten eines Unternehmens, mag sie auch im Interesse der Beschäftigten liegen, gehört nicht zu der danach erlaubten Verarbeitung persönlicher Daten. Erlaubt ist die Verarbeitung personenbezogener Daten der Beschäftigten darüber hinaus auf der Grundlage einer Einwilligung (§ 26 Abs. 2 BDSG a.F.). Derartige Einwilligungen der Mitarbeiter der Klägerin liegen indes – unbestritten – (jedenfalls bislang) nicht vor. Ebenso wenig gibt es einen Anhaltspunkt für das Vorliegen einer Kollektivvereinbarung (§ 26 Abs. 4 BDSG a.F.). Schließlich geht es auch nicht um die Verarbeitung personenbezogener Daten im Sinne von Art 9 DSGVO, für die § 26 Abs. 3 BDSG eine gesonderte Regelung trifft….“
Nachweis der Mindestlohnzahlung und Datenschutz – Anwendung von Art.6 I lit.f) DSGVO als Rechtsgrundlage
Das Gericht sah aber die Rechtsgrundlage des Art.6 I lit.f) DSGVO als gegeben an.
Dazu führt das Gericht in den Entscheidungsgründen unter anderem aus:
„…Die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 lit. f DGSVO liegen für einen Nachweis der Einhaltung der Verpflichtung zur Zahlung des Mindestlohns durch einen Subunternehmer an den Generalunternehmer im Hinblick auf zur Nachweisführung erforderlichen persönliche Daten der Beschäftigten des Subunternehmers vor.
Der Generalunternehmer hat – wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat – ein berechtigtes Interesse, von dem Subunternehmer einen Nachweis zur Einhaltung der Mindestlohnzahlung zu verlangen. Dieses ergibt sich daraus, dass der Generalunternehmer gemäß § 13 MiLoG i.V.m. § 14 AEntG wie ein Bürge für die Verpflichtung des Subunternehmers gegenüber seinen Beschäftigten für die Zahlung des Mindestlohns einzustehen hat.
Die durch das Verlangen von Nachweisen über die Zahlung des Mindestlohns ermöglichte Kontrolle des Generalunternehmers gegenüber dem Subunternehmer ist zur Wahrung des berechtigten Interesses des Generalunternehmers auch erforderlich. Dem steht nicht entgegen (so aber Frank/Krause, Datenschutzrechtliche Aspekte des Mindestlohngesetztes, DB 2015, 1285, 1286), dass dem Generalunternehmer auch andere Möglichkeiten zur Minimierung seines Haftungsrisikos zur Verfügung stehen, so etwa die – hier von der Beklagten gemäß § 4 Abs. 3 und 4 des Nachunternehmervertrages auch ergriffenen – Möglichkeiten, sich durch vertragliche Vereinbarung im Verhältnis zu dem Subunternehmer freizuzeichnen oder sich im Falle des Verstoßes gegen das MiLoG ein Kündigungsrecht einräumen zu lassen. Daneben werden Vertragsstrafenregelungen oder, um auch das Insolvenzrisiko des Subunternehmers auszuschließen, die Möglichkeit des Verlangens der Absicherung einer Inanspruchnahme nach dem MiLoG durch eine Bürgschaft oder einen Sicherheitseinbehalt vorgeschlagen (vgl. nur etwa: Bissels/Falter, Gesetzlicher Mindestlohn – Fallstricke bei der Haftung für Subunternehmer nach dem MiLoG – DB 2015, 65, 67/68). Bei all diesen alternativen Maßnahmen muss der Generalunternehmer jedoch entweder in Kauf nehmen, dass der Subunternehmer von vornherein eine höhere Vergütung verlangt, etwa um Avalkosten oder Liquiditätseinbußen durch Sicherheitseinbehalte abzudecken, oder er kann lediglich reaktiv bei Verstößen das Vertragsverhältnis beenden und Ersatz seiner Aufwendungen/Schäden verlangen. Eine Vereinbarung, wonach sich der Subunternehmer verpflichtet, dem Generalunternehmer Unterlagen zum Nachweis der Mindestlohnzahl vorzulegen, wirkt dagegen allein wegen der damit verbundenen Kontrollfunktion präventiv, d.h. sie vermeidet – in den Grenzen einer im Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen gebotenen Praktikabilität -, dass es überhaupt zu seiner Inanspruchnahme des Generalunternehmers durch die Beschäftigten des Subunternehmers kommen kann. Auch dieses Haftungsvermeidungsinteresse des Generalunternehmers ist jedoch gerade wegen des Gleichlaufs mit den Zwecken des Mindestlohngesetzes als berechtigt zu erachten.
Einer Weitergabe zur Kontrolle der Einhaltung der Verpflichtung zur Zahlung des Mindestlohns erforderlicher personenbezogener Daten der Beschäftigten des Subunternehmers an den Generalunternehmer stehen schließlich auch keine Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der Beschäftigten des Subunternehmers entgegen, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern und das berechtigte Interesse des Generalunternehmers überwiegen. Den Rechten und Interessen der Beschäftigten des Subunternehmers kann nämlich im Rahmen der insoweit vorzunehmenden Interessenabwägung dadurch Rechnung getragen werden, dass die zur Erfüllung des – in seiner Präventivwirkung gerade auch die Beschäftigten des Subunternehmers in ihrem Interesse an der Zahlung des Mindestlohns schützenden – Kontrollinteresses des Generalunternehmers erforderliche Offenlegung ihrer personenbezogenen Daten so datensparsam wie eben möglich erfolgt, was – wie das Landgericht zu Recht ausgeführt hat – ggf. durch Anonymisierungen, Pseudonymisierungen oder Schwärzungen sicherzustellen ist…“
Nachweis der Mindestlohnzahlung und Datenschutz – Inhaltliche Ausgestaltung der vorzulegenden Unterlagen
Auch zum Umfang der auf Basis der vorgenannten Rechtsgrundlagen vorzulegenden personenbezogenen Daten äußert sich das OLG Brandenburg in den Entscheidungsgründen unter anderem, zu Details wird auf den Volltext des Urteils verwiesen, wie folgt:
„…Aus den vorzulegenden Lohnabrechnungen für die zur Erfüllung der streitgegenständlichen Verpflichtungen der Klägerin eingesetzten Arbeitnehmer für die Monate August und September 2019 müssen den Name des Mitarbeiters, den abgerechneten Bruttolohn, die diesem zugrunde gelegte Lohnart (unter Differenzierung zwischen laufendem Lohn und etwaigen Zusatz- oder Sondervergütungen), die Anzahl der abgerechneten Stunden und den Stundenlohn (ggf. differenziert für die jeweilige Lohnart) ersichtlich sein, während die weiteren Angaben der jeweiligen Lohnabrechnung unkenntlich zu machen sind; weitergehende Angaben darf der der Beklagten vorzulegende Nachweis nur enthalten, wenn eine Einwilligung des jeweiligen Arbeitnehmers zur Weitergabe der entsprechenden personenbezogenen Daten durch die Klägerin an die Beklagte vorliegt.
Da es sich bei dem nach dem MiLoG zu zahlenden Mindestlohn um einen Bruttolohn pro Stunde handelt, sind die vorgenannten Angaben zu dem der Lohnabrechnung für den jeweiligen Arbeitnehmer zugrunde gelegten Bruttolohn und seiner Zusammensetzung zwingend erforderlich, um die Einhaltung der entsprechenden Verpflichtung des Arbeitgebers anhand der Lohnabrechnung zu überprüfen. Dies gilt insbesondere auch für den Ausweis etwaiger Zusatz- oder Sonderzahlungen wie Vergütungen für Überstunden oder Sonn- und Feiertagsvergütungen, da diese für die Feststellung der Mindestlohnvergütung außer Betracht bleiben. Insoweit sind auch keine Rechte oder Interessen der Arbeitnehmer ersichtlich, die dem Kontrollinteresse des Generalunternehmers entgegenstünden.
Weitergehende Angaben, die – typischerweise und auch in dem von der Klägerin mit Schriftsatz vom 22.12.2021 vorgelegten, bei ihr verwandten Muster (Bl. 142 d.A.) – in einer Lohnabrechnung enthalten sind, sind dagegen von dem Erlaubnistatbestand des Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO nicht gedeckt, weil anderenfalls dem berechtigten Interesse der Arbeitnehmer der Klägerin an einer möglichst datensparsamen Offenlegung ihrer personenbezogenen Daten nicht hinreichend Rechnung getragen würde. So ist insbesondere nicht erkennbar, aus welchem Grund – wie die Beklagte meint – Angaben zur Lohnsteuer und zu den Sozialversicherungsabgaben sowie des auszuzahlenden Nettolohns zur „überschlägigen Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Zahlung der Mindestlöhne“ erforderlich sein soll, während andererseits etwa mit den Angaben zur Lohnsteuer oder auch aus Sozialversicherungsabgaben gleichzeitig personenbezogene Daten weitergegeben würden, die Erkenntnisse etwa betreffend den Familienstand, die Lohnsteuerklasse u.Ä. ermöglichen, die mit dem berechtigten Offenlegungsinteresse der Beklagten in Bezug auf die Zahlung des Mindestlohns nichts zu tun haben.
Entgegen der Sichtweise der Beklagten bedarf es im Hinblick auf den Stundenlohn auch keiner Zusatzangaben zu „Mindestlohn, Tariflohn oder Vergabemindestlohn“. Dabei kann offenbleiben, ob sich der Anspruch der Beklagten aus § 4 Abs. 2 S. 1 des Nachunternehmervertrages und das entsprechende Zurückbehaltungsrecht der Beklagten in Auslegung des Vertrages unter Einbeziehung der in der Anlage 1 zu diesem Vertrag abgegebenen Erklärung der Klägerin auch auf die Zahlung der dort genannten Tariflöhne und des Vergabemindestlohns auch auf diese Löhne erstreckt. Denn, ob die Klägerin diese Verpflichtungen erfüllt hat, lässt sich ebenfalls aus den – wie ausgeführt erforderlichen – Angaben zur Anzahl der in die Abrechnung eingestellten Stunden und des insoweit in Ansatz gebrachten Bruttostundenlohns ersehen….“