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LG Berlin:Vorlage an EuGH zum Umfang der Anwendung des § 312j III BGB

Vorlage an EuGH zum Umfang der Anwendung des § 312j III BGB – Dazu hat das LG Berlin dem EuGH per Beschluss vom 2. Juni 2022 (Az.: 67 S 259/21) zur sog. Button-Lösung des § 312j III BGB folgende Vorlagefrage gestellt (Tenor des Beschlusses):

Steht es mit Art. 8 Abs. 2 UAbs. 2 RL 2011/83/EU in Einklang, wenn eine nationale Vorschrift (hier: § 312j Abs. 3 Satz 2, Abs. 4 BGB in seiner vom 13. Juni 2014 bis 27. Mai 2022 geltenden Fassung) dahin ausgelegt wird, dass deren Anwendungsbereich ebenso wie der des Art. 8 Abs. 2 UAbs. 2 RL 2011/83/EU auch dann eröffnet ist, wenn der Verbraucher dem Unternehmer zum Zeitpunkt des auf elektronischem Wege herbeigeführten Vertragsschlusses nicht unbedingt, sondern nur unter bestimmten weiteren Voraussetzungen – etwa ausschließlich im späteren Erfolgsfall einer beauftragten Rechtsverfolgung oder im Falle der späteren Versendung einer Mahnung an einen Dritten – zur Zahlung verpflichtet ist?

In dem Rechtsstreit, der durch den Beschluss ausgesetzt wurde, sind Ansprüche, die durch einen Dienstleistungsanbieter für Mietangelegenheiten für einen Mieter gegenüber einem Vermieter geltend gemacht werden. Dieser hat eingewandt, dass kein wirksamer Vertragsschluss vorliege und auf die Regelung des § 312j III BGB verwiesen.

Der Dienstleistungsanbieter hatte die Gestaltung des Buttons wie folgt vorgenommen (Auszug aus Entscheidungsgründen):

„…Die Klägerin bietet Wohnungsmietern über eine von ihr betriebene Internetseite unter anderem die Möglichkeit an, sie durch Klicken eines Buttons, der mit der Aufschrift „weiter“ oder „Mietsenkung beaufragen“ oder „Mietendeckelersparnis retten“ versehen ist, mit der außergerichtlichen Durchsetzung von Forderungen sowie etwaiger Feststellungsbegehren gegen ihren Vermieter „im Zusammenhang mit der sogenannten Mietpreisbremse“ zu beauftragen, insbesondere zur Geltendmachung von Auskunftsansprüchen, des Anspruchs auf Rückzahlung zu viel gezahlter Miete, des Anspruchs auf Feststellung der Unwirksamkeit der Vereinbarung über die Höhe der Miete, soweit sie die zulässige Miete übersteigt, des Anspruchs auf Rückzahlung beziehungsweise Freigabe der Mietkaution sowie gegebenenfalls weiterer Ansprüche im Zusammenhang mit der künftigen Herabsetzung der Miete….“

In den AGB des Dienstleistungsanbieters wurde eine Zahlungspflicht vereinbart, die aber auch nur im Erfolgsfall eintreten sollte.

Das Berliner Gericht will wissen, ob die Regelung auch dann eingreift, wenn eine Zahlungspflicht auch nur unter weiteren, nach der Betätigung in der Zukunft liegenden, Aspekten begründet wird oder ob eine Zahlungspflicht unmittelbar und immer mit der Betätigung des Buttons einhergeht. Das Gericht tendiert eher zu der ersteren Ansicht, vorbehaltlich der Entscheidung des EuGH, und begründet dies unter anderem wie folgt:

„…Der Sinn und Zweck des Art. 8 Abs. 2 UAbs. 2 RL 2011/83/EU sprechen nach Auffassung der Kammer ebenfalls für eine weite Auslegung dahingehend, auch solche Verträge zu erfassen, in denen ein Entgelt vom Verbraucher nur unter bestimmten weiteren Voraussetzungen, hier ausschließlich im Erfolgsfall oder im Falle des Ausspruchs einer Mahnung, geschuldet wird. Denn die Richtlinie verfolgt ausweislich ihres Art. 1 und ihrer Erwägungsgründe 4, 5 und 7 den Zweck, ein hohes Verbraucherschutzniveau dadurch sicherzustellen, dass die Information und die Sicherheit der Verbraucher bei Geschäften mit Unternehmern garantiert wird. Diese Sichtweise entspricht auch der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofes (vgl. zuletzt EuGH, a.a.O., Tz. 21, 30). Mit der Gewährleistung dieses hohen Verbraucherschutzniveaus wäre es aber nicht vereinbar, den Schutz der Richtlinie nur solchen Verbrauchern zu Gute kommen zu lassen, deren spätere Zahlungspflicht zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses schon feststeht, ihn jedoch gleichzeitig denjenigen Verbrauchern vorzuenthalten, bei denen die Zahlungsverpflichtung bei Vertragsschluss noch nicht endgültig ist, sondern stattdessen vom späteren Eintritt weiterer – und von den Verbrauchern häufig sogar unbeeinflussbarer – Bedingungen abhängt. Denn auch diese Verbraucher sind im Falle des Bedingungseintritts zur Zahlung verpflichtet, ohne zuvor ausdrücklich auf ihre Zahlungspflicht hingewiesen worden zu sein.

Die gegenteilige Sichtweise würde zukünftig zu einer nicht unerheblichen Absenkung des mit der Richtlinie beabsichtigten hohen Verbraucherschutzniveaus, wenn nicht sogar zu einem teilweisen oder vollständigen Leerlaufen der Richtlinie im streitgegenständlichen Kontext führen. Denn es wäre jedenfalls nicht auszuschließen, dass Unternehmer zukünftig Klauseln in ihre Vertragsbedingungen aufnehmen würden, die die Zahlungspflicht des Verbrauchers – in aus Sicht des Unternehmers seltenen oder unwahrscheinlichen Fällen – vom Eintritt weiterer Bedingungen abhängig machten, um sich auf diese Weise der in Art. 8 RL 2011/83/EU statuierten Unternehmerpflichten zu entledigen. Derart offensichtliche und dem verfolgten Schutzzweck entgegenstehende Umgehungsmöglichkeiten wären aber im Normgebungsverfahren nicht unerkannt geblieben. Deshalb wäre es zu erwarten gewesen, dass sie als Ausnahmetatbestände entweder in den Erwägungsgründen oder der Richtlinie selbst Erwähnung gefunden hätten, wenn sich der durch die Richtlinie garantierte Schutz der Verbraucher ihrer grundsätzlich weit zu verstehenden Ausrichtung zuwider nicht auch auf solche Verträge hätte erstrecken sollen, bei denen die Zahlungspflicht des Verbrauchers zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch nicht feststeht, sondern lediglich als möglich erscheint. An einer solchen Erwähnung aber fehlt es vollständig. Auch dieser Umstand spricht dafür, dass Art. 8 Abs. 2 UAbs. 2 RL 2011/83/EU zur Gewährung eines einheitlichen hohen Verbraucherschutzniveaus auch solche Verträge erfassen soll, bei denen die spätere Zahlungspflicht des Verbrauchers zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch nicht feststeht, sondern als lediglich möglich erscheint….“

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