So das Gericht in seinem Urteil vom 7. Mai 2024 (Az.: 4 U 252/22) in einem Rechtsstreit eines Verbraucherschutzverbandes mit einem Unternehmen, dass Inkassodienstleistungen anbietet.
Das angestrebte Unterlassungsverbot grundsätzlicher Art, Mahnungen per SMS zu schicken, sprach das Gericht nicht aus. Es sah grundsätzlich darin kein wettbewerbswidriges Verhalten und keinen Verstoß gegen die §§ 4a, 7 UWG. Es führt in den Entscheidungsgründen unter anderem aus zu dem geltend gemachten Anspruch nach § 4a UWG aus:
„..Grundsätzlich kommt eine Belästigung auch bei der Durchsetzung von bestehenden und erst recht von nicht bestehenden, aber behaupteten Ansprüchen eines Unternehmers gegen einen Verbraucher in Betracht. Dabei liegt eine Belästigung aber nicht schon dann vor, wenn der Unternehmer sich im Rahmen der gesetzlichen Befugnisse zur Durchsetzung von Ansprüchen hält. Die bloße Mahnung, auch wenn sie mehrfach und unter Verwendung von Fernkommunikationsmitteln erfolgt, stellt daher für sich gesehen noch keine Belästigung dar. Vielmehr müssen zusätzliche Umstände hinzutreten, etwa stündliche Anrufe oder solche in der Nachtzeit, um den Verbraucher an seine Schuld zu erinnern. (Köhler/Bornkamm, a.a.O., Rn. 1.46).
Ausgehend hiervon handelt es sich bei der streitgegenständlichen SMS vom 29.01.2021, die ihre Adressatin unstreitig nicht zur Nachtzeit, sondern um 11:22 Uhr erreichte, nicht um eine Belästigung im Sinne des § 4a Abs. 1 UWG.
Dabei ist insbesondere die aktuelle gesellschaftliche Informationswirklichkeit in den Blick zu nehmen. Der Erhalt einer SMS stellt aus der Sicht ihres Empfängers in heutigen Zeiten, in denen nahezu jeder eigenverantwortlich handelnde, geschäftsfähige Verbraucher über ein Smartphone verfügt, keinen tiefgreifenden Eingriff in die Privatsphäre dar und ist letztlich nicht (mehr) anders zu beurteilen, als etwa der Erhalt einer E-Mail, mittels derer eine Mahnung/Zahlungserinnerung in rechtlich unbedenklicher Weise versandt werden kann. Denn regelmäßig sind die Smartphones der Nutzer so eingerichtet, dass nicht nur der Eingang einer SMS oder einer anderen Mitteilung (Messenger-Nachrichten, Mitteilungen über soziale Netzwerke, etc.), sondern auch der Eingang einer E-Mail mittels sog. Push-Meldung – unter Umständen auch auf dem Sperrbildschirm – automatisch angezeigt wird, ohne dass der Nutzer seinen E-Mail-Account hierfür gezielt aufrufen muss. Mit dem Erhalt einer SMS ist daher die für eine Belästigung nach § 4a Abs. 1 UWG vorauszusetzende Intensität nicht verbunden. Sie stellt keinen unzumutbaren Eingriff in die Privatsphäre der angesprochenen Person dar. Zumal der potentielle Empfänger diesen Kommunikationskanal durch die Angabe seiner Mobilrufnummer bei dem Anbieter der Waren oder Erbringer der Dienstleistung regelmäßig selbst eröffnet haben wird. Zudem obliegt es jedem Einzelnen, durch entsprechende Einstellungen des auf seinem/ihrem Smartphone installierten Betriebssystems darüber zu entscheiden, ob er/sie eingehende Nachrichten (E-Mails, SMS, Messenger-Nachrichten, etc.) als sog. Push-Meldungen automatisiert und noch dazu auf dem Sperrbildschirm angezeigt erhalten will oder nicht. Mithin ist die Sichtweise des Klägers verfehlt, wonach sich der Empfänger einer SMS – anders als bspw. bei einem Brief – der Kenntnisnahme nicht verschließen kann. Dass die Möglichkeit besteht, derartige Einstellungen vorzunehmen, ist senatsbekannt, so dass kein Bedürfnis besteht, den vom Kläger angebotenen Beweis darüber zu erheben, dass eingehende SMS stets auf dem Sperrbildschirm erscheinen.
Hinzu kommt im vorliegenden Fall, dass die Beklagte zunächst zweimal erfolglos auf postalischem Weg gemahnt hat, bevor sie die beanstandete SMS mit der Zahlungserinnerung versandte. Damit hat sie sich für eine abgestufte Vorgehensweise entschieden, die insbesondere auch auf die Interessen der vermeintlich säumigen Verbraucherin Rücksicht genommen hat, indem sie zunächst einen weniger direkten Kommunikationskanal zur Mahnung der vermeintlich bestehenden Forderung gewählt hat…“
Allerdings geht das Gericht von einer Irreführung nach § 5 UWG aus, wenn die Forderung, die in der SMS, die die Mahnung enthält, unberechtigt ist. Dazu führt das Gericht in den Entscheidungsgründen unter anderem aus:
„…Überdies stellt die konkludente Behauptung, es sei zu einem entsprechenden Vertragsschluss zwischen der angesprochenen Verbraucherin und X gekommen, eine unwahre Angabe im Sinne von § 5 Abs. 2 Fall 1 UWG dar (vgl. BGH, Urteil vom 20.10.2021 – I ZR 17/21 –, Rn. 12, juris – Identitätsdiebstahl II).
Soweit die Beklagte hiergegen einwendet, in der von ihr versandten SMS seien keinerlei Angaben enthalten gewesen, die Anknüpfungspunkt einer irreführenden Behauptung sein könnten – insbesondere seien dort keinerlei Ausführungen zur konkret geltend gemachten Forderung, ihrem Gläubiger und/oder dem Rechtsgrund (etwa dem vermeintlich zugrunde liegenden Vertragsverhältnis) gemacht worden, so dass mit ihr nicht im Sinne der hierzu ergangenen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs über den Abschluss eines Vertrags habe getäuscht werden können –, verfängt dies letztlich nicht. Zwar ist es zutreffend, dass die SMS lediglich den Hinweis auf eine nicht näher benannte, auslaufende Zahlungsfrist und die mit einem weiterführenden Link versehene Aufforderung zur Begleichung der nicht näher spezifizierten Forderung enthält. Allerdings ändert dies nichts daran, dass die Beklagte damit konkludent das Bestehen der dieser Zahlungsaufforderung zugrunde liegenden Forderung und damit gleichfalls das Zustandekommen des dieser Forderung zugrunde liegenden Vertrags behauptet hat. Dabei ist insbesondere in den Blick zu nehmen, dass die Beklagte der Verbraucherin unter dem 14. und 26.01.2021 zum „persönlichen“ Geschäftszeichen 01 bereits zwei Mahnungen auf dem Postweg übersandte, ausweislich derer die Verbraucherin wegen einer vermeintlich bei X getätigten Warenbestellung einen Betrag in Höhe von 38,13 Euro schulden sollte. Damit hat die Beklagte zweifellos die – unstreitig unwahre – Behauptung eines zwischen der Verbraucherin und X geschlossenen Kaufvertrags und der daraus resultierenden Kaufpreisschuld aufgestellt. Mit der am 29.01.2021 versandten SMS, die ebenfalls die Beklagte als Absenderin ausweist und das „persönliche“ Geschäftszeichen 01 sowie die auch in den schriftlichen Mahnung enthaltene, falsche Namensangabe der Verbraucherin („…“) enthält, hat die Beklagte unzweideutig Bezug auf die vorausgegangenen schriftlichen Mahnung genommen und damit konkludent die darin gemachten Behauptungen erneuert bzw. ein weiteres Mal aufgestellt…
Die unwahre Angabe war auch zur Täuschung der angesprochenen Verbraucherin geeignet.
Insoweit reicht bereits die abstrakte Eignung zur Täuschung gegenüber einem erheblichen Teil des angesprochenen Verkehrskreises, die im Streitfall zu bejahen ist, aus. Gerade bei dem Erwerb geringwertiger Waren im Internet – so hier – ist nicht auszuschließen, dass ein erheblicher Teil der Durchschnittsverbraucher nach dem Zugang einer entsprechenden unberechtigten Zahlungsaufforderung annehmen könnte, sie/er habe – etwa versehentlich oder nicht mehr erinnerlich – den behaupteten Vertrag geschlossen (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 15, juris m.w.N.)…“