OLG München: Kein Anspruch auf Löschung einer den Betroffenen störenden Bonitätsbewertung aus Art. 17 DSGVO, da Datenverarbeitung durch erhebendes Unternehmen aufgrund berechtigten Interesses nach Art.6 I lit.f) DSGVO gerechtfertigt

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So das Gericht in seinem Hinweisbeschluss vom 19. November 2024 (Az.: 27 U 2473/24 e) in einem Berufungsverfahren, in dem das Gericht die Absicht mitteilte, dass gegen das erstinstanzliche Urteil eingelegte Berufung zurückweisen zu wollen.

Die Richter führen aus, dass ein Löschungsanspruch nach Art. 17 DSGVO, genauer nach Art. 17 I a), c) oder d) DSGVO, an einer rechtmäßigen Verarbeitung von personenbezogenen Daten scheitert. Die Datenverarbeitung sei rechtmäßig unter der Rechtsgrundlage des berechtigten Interesses nach Art. 6 I lit.f) DSGVO. In der Begründung wird unter anderem ausgeführt:

„…Soweit der Berufungsführer rügt, dass das Landgericht die Annahme als wahr unterstellt habe, dass der Kläger von der Titulierung Kenntnis hatte, bekämpft die Berufung die Auffassung des Landgerichts ohne Erfolg. Die Würdigung des Landgerichts erschöpft den einschlägigen Sachverhalt, ist nachvollziehbar und widerspruchsfrei und verstößt dabei weder gegen die Denkgesetze noch gegen Erfahrungssätze. Zweifel an der Beweiswürdigung ergeben sich aus dem Ersturteil insoweit nicht. Die Würdigung des Erstgerichts ist bei Beachtung aller Gesichtspunkte plausibel und überzeugend. Die Abwägung des Landgerichts ist nicht deshalb rechtsfehlerhaft, weil das Landgericht zu der Feststellung gelangt ist, dass gegen den Kläger nach Erlass eines Mahnbescheids am 29.11.2021, dieser zugestellt am 02.12.2021, in der Folge am 21.12.2021 durch das Amtsgericht Hünfeld ein Vollstreckungsbescheid erlassen wurde, der ausweislich eines auf dem Vollstreckungsbescheid angebrachten Vermerks dem Kläger am 24.12.2021 zugestellt wurde (Anlage B 3), und dem der Umstand, dass der Kläger vorgetragen hatte, weder den Mahnbescheid noch den Vollstreckungsbescheid zugestellt bekommen zu haben, nicht entgegensteht. Das Landgericht hat insoweit seinem Urteil den Sachvortrag der Beklagten zur titulierten Forderung als unstreitigen Sachvortrag zugrunde gelegt. Dieses ist für den Senat nach §§ 314, 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO bindend (vgl. BGH, NJW-RR 2012, 622, 623). Der Kläger hat die genannten Feststellungen des Landgerichts nicht im Wege eines Tatbestandsberichtigungsantrags gerügt. Der Senat hat gemäß § 314 ZPO von der Richtigkeit des erstinstanzlichen Tatbestandes, der auch Tatbestandsfeststellungen erfasst, die sich in den Entscheidungsgründen finden, auszugehen, soweit dessen Beweiskraft reicht (vgl. BGH, NJW 1997, 1931; MüKoZPO/Musielak, 6. Auflage 2020, ZPO § 314 Rn. 3; Zöller/Feskorn, 35. Auflage 2024, ZPO § 314 Rn. 5). Konkrete Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit dieser entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten, zeigt die Berufung vor dem Hintergrund, dass der Zustellungsvermerk auf dem Vollstreckungsbescheid den vollen Beweis erbringt, dass der Titel dem Kläger zugestellt wurde (vgl. BGH, NJW 2006, 150 Rn. 12), nicht auf…

Demgegenüber steht die Verarbeitung personenbezogener Daten, die dem berechtigten Interesse des Geschäftsmodells der Beklagten dient. Die Beklagte schließt Verträge mit Unternehmen, die Leistungen anbieten, die jedenfalls auch kreditorischer Natur sein können. Entgelte erhält sie von ihren Kunden für die Möglichkeit, von ihr für kreditrelevant gehaltene Informationen über deren potenzielle Kunden zu erlangen. Da alle Interessen im Sinne des Art. 6 DS-GVO berechtigt sein können, die rechtlicher, persönlicher, ideeller, aber auch rein wirtschaftlicher Natur sind, stellt auch das rein geschäftliche Interesse der Beklagten an der Speicherung grundsätzlich ein derartiges berechtigtes Interesse dar (vgl. EuGH, NJW 2024, 417 Rn. 83; BeckOK DatenschutzR/Albers/Veit, 49. Edition, Stand: 01.08.2024, DS-GVO Art. 6 Rn. 68). Die Speicherung zu diesem Zweck ist auch erforderlich, weil die Beklagte ihre vertraglichen Verpflichtungen gegenüber ihren Kunden bezüglich den Kläger betreffende Anfragen mangels vollständiger Datengrundlage sonst nicht erfüllen kann (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 10.08.2022 – 9 U 24/22, BeckRS 2022, 20818 Rn. 25; LG Koblenz, Urteil vom 22.10.2024 – 9 O 118/24, BeckRS 2024, 29186 Rn. 29). Darüber hinaus dient die Speicherung auch den Interessen der Kunden der Beklagten als potenzielle Kreditgeber oder Vertragspartner des Klägers. Denn sie bildet die Datengrundlage für erbetene Auskünfte dieses umgrenzten Personenkreises unter Darlegung eines berechtigten Interesses, was bei einer konkret beabsichtigten Geschäftsbeziehung zum Kläger regelmäßig vorliegen wird. Dass das Interesse der Kunden der Beklagten nicht nur berechtigt, sondern auch von der – europäischen wie auch innerstaatlichen – Rechtsordnung als besonders schützenswert angesehen wird, ist insbesondere aus Art. 18 der Richtlinie (EU) 2023/2225 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Oktober 2023 über Verbraucherkreditverträge und zur Aufhebung der RL 2008/48/EG ersichtlich, die die Vergabe von Verbraucherkrediten unter die Voraussetzung einer u.a. auf Daten wie der Beklagten basierenden Kreditwürdigkeitsprüfung stellt (vgl. zu Art. 8 Abs. 2 der RL 2008/48/EG OLG Köln, NZI 2022, 565 Rn. 22; OLG Stuttgart, Urteil vom 10.08.2022 – 9 U 24/22, BeckRS 2022, 20818 Rn. 26; LG Koblenz, Urteil vom 22.10.2024 – 9 O 118/24, BeckRS 2024, 29186 Rn. 30). Das Betreiben einer Auskunftei über bonitätsrelevante Umstände zur Unterstützung von Vertragspartnern bei der Beurteilung der Bonität, das ein berechtigtes Interesse im Sinne des Art. 6 DS-GVO darstellt (vgl. EuGH, NJW 2024, 417 Rn. 83), macht auch die Verarbeitung des konkret gegenständlichen Datensatzes erforderlich. Das Zahlungsverhalten des Klägers ist auch nach dem vollständigen Ausgleich der Forderung für die Beurteilung der Bonität des Klägers von Bedeutung (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 10.08.2022 – 9 U 24/22, BeckRS 2022, 20818 Rn. 27). Der streitgegenständliche Eintrag verdeutlicht, dass der Kläger die dem Eintrag zugrundeliegende Forderung ursprünglich nicht – wie vertraglich geschuldet – beglichen hat, die Forderung deshalb tituliert werden musste und selbst nach erfolgter Titulierung die Zahlungsforderung nicht unmittelbar von ihm beglichen wurde. Ein solches Zahlungsverhalten des Klägers, bei dem der Kläger über mehrere Monate seinen Zahlungsverpflichtungen aus dem in Rede stehenden Vertragsverhältnis zum gegenständlichen Eintrag nicht nachkam, ist für die Beurteilung seiner Bonität von Bedeutung, da der streitgegenständliche Eintrag potenzielle Vertragspartner des Klägers zu einer sorgfältigen Prüfung seiner Bonität veranlasst. Die Speicherung und Mitteilung von Daten zu einem Vollstreckungstitel gibt Rückschlüsse auf die frühere Zahlungsfähigkeit und Zahlungswilligkeit des Schuldners. Die Speicherung bereits getilgter Forderungen seitens der Beklagten erfolgt auch nicht anlasslos, sondern beruht auf dem vom Kläger selbst zu verantwortenden Vollstreckungstitel (vgl. LG Koblenz, Urteil vom 22.10.2024 – 9 O 118/24, BeckRS 2024, 29186 Rn. 31)…“

Hinweis des Autors:

Zum Zeitpunkt der Erstellung des Beitrages lief die Frist zur Stellungnahme für den Berufungsführer noch. Dem Autor ist daher nicht bekannt, ob aufgrund des Hinweises das Rechtsmittel der Berufung zurückgenommen worden ist.