So unter anderem das Gericht in einer sehr umfangreichen Urteilsbegründung seiner Entscheidung vom 22. Oktober 2024 (Az.: 6 U 58/22) in einem Rechtsstreit zwischen einem kommunalen Wohnungsbauunternehmen und den beklagten Architekten eines Gebäudekomplexes, der in Teilen leeerstand und daher neu gestaltet werden sollte. Dagegen wandten sich die Architekten mit urheberrechtlichen Ansprüchen.
Das Gericht führt zur grundsätzlichen Schutzfähigkeit als Werk der Baukunst nach § 2 I Nr.4 UrhG unter anderem in den Entscheidungsgründen aus:
„…Für die Beurteilung, ob dem T.-haus und der Wohnanlage insgesamt die erforderliche Gestaltungshöhe zukommt, ist die Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht veranlasst. Die notwendigen Feststellungen erfolgen nach dem ästhetischen Eindruck, den das Bauwerk nach dem Durchschnittsurteil des für Kunst empfänglichen und mit Kunstdingen einigermaßen vertrauten Menschen vermittelt (BGH, a.a.O.; Urteile vom 01.10.1981 – I ZR 137/79, Kirchenraum-Innengestaltung; vom 31.05.1974 – I ZR 10/73, Schulerweiterung; OLG Düsseldorf, Urteil vom 08.09.2015 – I-20 U 75/14; 20 U 75/14, Rn. 44; jew. zit. nach juris), maßgeblich sind nicht die ästhetischen Feinheiten, die ein auf dem gleichen Fachgebiet arbeitender Fachmann herausfühlt (BGHZ 25, 55, Ledigenheim, juris Rn. 27). Auch die Beklagten stützen sich für den behaupteten Rang des Werks auf dessen Eindruck und Form und nicht auf die Beurteilung in der Kunstwelt. Als fachspezifischer Spruchkörper kommt den Mitgliedern des Senats deshalb hinreichender Sachverstand zu, um die Schutzfähigkeit und Eigentümlichkeit des Bauwerks zu bewerten (vgl. BGH, Urteile vom 21.02.2019 – I ZR 98/17, HHole [for Mannheim] Urteil vom 29.04.2021 – I ZR 193/20, Zugangsrecht für Architekten, Rn. 51; BGHZ 25, 55 – Ledigenheim, Rn. 27; 62, 331 – Schulerweiterung, Rn. 30; jew. zit. nach juris).
bb) Unter Anwendung dieser Grundsätze hat das Landgericht zu Recht festgestellt, dass das T.-haus für sich genommen als urheberrechtsschutzfähiges (Bau-)Werk zu qualifizieren ist. Es ist von den Beklagten individuell nach den Bedürfnissen der Klägerin, Wohnungen in sozialer Durchmischung zu errichten, und angepasst an die Bedingungen des durch die Nähe zum Park B. und die Lage an einer Schnellstraße geprägten Standortes gestaltet worden. Es handelt sich um ein Mehrfamilienwohnhaus, das nicht als reiner Zweckbau in der dafür typischen rechteckigen Form eines Kastens, sondern in trapezähnlicher Gestalt konzipiert ist, um die von den Beklagten zugedachten Funktionen, nämlich die Abschirmung der Gesamtanlage zur stark verkehrsbelasteten N.-Schnellstraße und zu dem – bei Errichtung des Gebäudes ebenfalls noch – vielbefahrenen H.-ring einerseits und die Gestaltung eines durch eine Torsituation geprägten – engen – Eingangs zu dem in seinem Inneren als großer Garten und Kommunikationsraum gestalteten Gesamtensemble andererseits, bestmöglich zu erfüllen. Dabei orientiert sich die Ausrichtung des Gebäudes an der Lage eines Teils der benachbarten (Hochhaus-)Bebauung. Die unterschiedlichen Funktionen des Gebäudes führen zu einer differenzierten Fassadengestaltung: so öffnen große bodentiefe Fenster, Holz-Glas-Fassaden und Dachterrassen das Gebäude im Süden und Osten zur gartenähnlichen Grünanlage, während die Bauhülle nach Norden und Osten zu den angrenzenden Verkehrsachsen lediglich vergleichsweise schmale, in größeren Abständen angebrachte Fensteröffnungen aufweist. Das Bauwerk verwendet als markantes Element das aus den Baufluchten der benachbarten Bebauung abgeleitete Dreiecksraster, in dem die zur N.- und zur H.-straße gerichteten gläsernen Treppentürme gestaltet sind und das sich in den Dachvorbauten im Süden und Osten des Gebäudes wiederholt. Das Gebäude verfügt weiter über terrassierte große begrünte Dachterrassen, die ein das Wasser in die jeweils nächsttiefere Ebene bis zu einem künstlichen Teich ableitendes Regenrückhaltungssystem bilden und einen Übergang in den grünen Kommunikationsraum im Inneren des Gesamtensembles herstellen. Das T.-haus ist damit insgesamt nicht das Ergebnis eines rein handwerklichen oder routinemäßigen Bauens, vielmehr ragt die gefundene Lösung aus der Masse des alltäglichen Bauschaffens hinaus und geht über die bloße Bewältigung einer fachgebundenen technischen Aufgabe durch Anwendung einschlägiger, durch den Gebrauchszweck vorgegebener Gestaltungen hinaus (vgl. BGH, Urteile vom 02.10.1981 – I ZR 137/79, Kirchen-Innenraumgestaltung; vom 08.02.1980 – I ZR 32/78, Architektenwechsel; vom 10.12.1987 – I ZR 198/85, Vorentwurf II; OLG Karlsruhe, Urteil vom 03.06.2013 – 6 U 72/12; jew. zit. nach juris)…“
Im konkreten Fall entschied das Gericht dann, dass hier eine Abwägung den urheberrechtlichen Ansprüchen keinen Vorrang einräume. Es führt dazu unter anderem in den Entscheidungsgründen aus:
„…Anhand der vorgelegten Dokumentationen und auf Grundlage der Inaugenscheinnahme durch den Senat lässt sich nicht feststellen, dass der von der Klägerin beabsichtigte Abriss des T.-hauses zum Zwecke einer Neubebauung zu einer die Beklagten in ihren berechtigten urheberpersönlichkeitsrechtlichen Belangen entscheidend beeinträchtigenden Entstellung des Werks oder zu einer Veränderung des Gesamtwerks in seinen wesentlichen Zügen und in seinem wesentlichen künstlerischen Aussagegehalt führt (BGH, Urteil vom 31.05.1974 – I ZR 10/73, Schulerweiterung, juris Rn. 26; BGHZ 55, 1, Maske in Blau, juris Rn. 57). Vielmehr bleiben auch nach einer Ersetzung des T.-hauses durch einen Neubau der Gesamtcharakter, die Grundkonzeption und die künstlerische Substanz des Werks jedenfalls in den wesentlichen Zügen erhalten:..“
Hinweis des Autors:
Dem Autor ist zum Zeitpunkt der Erstellung des Beitrages nicht bekannt, ob gegen die Entscheidung Nichtzulassungsbeschwerde zum BGH eingelegt worden ist.