LG Ingolstadt: kein Anspruch auf Schadensersatz nach Art. 82 DSGVO gegen Social Media Betreiber wegen unzulässiger Verarbeitung personenbezogener Daten zur Schaltung personalisierter Werbung, wenn Tatsachen zur Anspruchsbegründung nicht dargelegt und bewiesen werden

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So das Gericht in einem Endurteil vom 7. Juni 2024 (Az.: 31 O 617/23) in dem zu entscheidenden Fall, in dem unter anderem neben einem Auskunftsanspruch auch ein Anspruch nach Art. 82 DSGVO geltend gemacht worden war. Hintergrund war die nach Ansicht des Klägers unzureichende bzw. nicht vorhandene Rechtsgrundlage nach Art. 6 DSGVO für die Anzeige von personalisierter Werbung durch den Betreiber des Social Media Dienstes.

Das Gericht sah nach Anhörung des Klägers keine ausreichende Darlegung und Beweisführung für den Zuspruch eines Anspruchs nach Art. 82 DSGVO und führt in den Entscheidungsgründen unter anderem aus:

„…Die Beweislast für das Vorliegen eines materiellen oder immateriellen Schadens trägt die Klagepartei. Der Europäische Gerichtshof hat in seinem Urteil vom 04.05.2023 (C- 300/21) insoweit ausdrücklich festgehalten, dass die von einem Verstoß gegen die DSGVO betroffene Person den Nachweis führen muss, dass die geltend gemachten Folgen einen immateriellen Schaden im Sinne der Verordnung darstellen (OLG StuttgArt., Urteil vom 22. November 2023 – 4 U 20/23 –, juris Rz. 314).

Die Anwälte der Klagepartei haben hierzu auf S. 10 der Klageschrift ausgeführt: „Die Klägerseite empfand die Verwendung ihrer personenbezogenen Daten zu Zwecken auf sie persönlich gemünzter Werbung stets als unangenehm. Sie fühlte sich beobachtet bei der Benutzung des sozialen Netzwerkes der Beklagten, ohne jedoch darauf verzichten zu können, da dies den Abbruch von Kontakten zu zahlreichen Freunden und Bekannten bedeutet hätte. Die Klägerseite hatte nicht nur ein ungutes Gefühl, sobald sie von der Verarbeitungsweise ihrer Daten durch die Beklagte erfuhr, sondern empfand auch starken Ärger über das von ihr nicht erwartete Verhalten der Beklagten zur eigenen Gewinnmaximierung.“

Die Klagepartei begründet ihren Anspruch damit, dass sie mit dem Geschäftsmodell der Beklagten personalisiert zu werben, nicht einverstanden sei Dies allein führt zu keinem Schaden. Die Beklagte führt, wie es auch gerichtsbekannt ist, aus, dass ein derartiges Geschäftsmodell nicht ungewöhnlich ist. Die Plattformen der Beklagten werden Nutzern kostenlos bereitgestellt. Die Fähigkeit der Beklagten, Nutzern ihre derzeitigen Dienste kostenlos bereitzustellen, hängt von Werbeeinnahmen ab. Dieses Geschäftsmodell ist üblich. So haben beispielsweise kostenfreie Zeitungen und frei empfangbare, private Fernsehsender ein ähnliches Geschäftsmodell: Sie versuchen, über Inhalte Leser oder Zuschauer zu gewinnen, denen dann auf Grundlage demografischer Merkmale/ Interessen der Zielgruppe relevante Werbung präsentiert wird (z. B. Werbung für Kreuzfahrten in Zeitschriften mit Zielgruppe im Rentenalter oder Werbung für schnell wechselnde modische Billigbekleidung in Werbepausen von TV-Realitysendungen, die primär von Frauen unter 30 geschaut werden). Schon dem gesunden Menschenverstand nach ist es offensichtlich, dass die Beklagte ihr Angebot nur deswegen kostenlos zur Verfügung stellen kann, weil sie Werbung verkauft. dies ist weder ehrenrührig, noch verboten. Wenn die Klagepartei sich hierdurch unwohl fühlt, steht es ihr völlig frei die Angebote der Beklagten nicht zu nutzen oder für ein Angebot ohne Werbung zu bezahlen. Vor allem aber ist der Klägervortrag zu den erlittenen Beeinträchtigungen auch in sich widersprüchlich. Einerseits will die Klagepartei einen immateriellen Schaden durch die zielgerichtete Werbung für sich in Anspruch nehmen. Anderseits ist die Klagepartei nicht bereit ab November 2023 dafür im AboModell zu zahlen, dass er keine Werbung mehr erhält. Es ist daher nicht glaubhaft, wenn die Anwälte des Klägers einerseits vortragen, der Kläger fühle sich durch persönliche Werbung beeinträchtigt, andererseits der Kläger dem dann später zugestimmt hat, weil er nicht bereit ist dafür zu zahlen, dass dieses Unwohlsein nicht mehr auftritt.

Unerheblich ist auch, dass die irische Datenschutzbehörde am 31.12.2022 (KGR2) entscheiden hat, dass die Datenverarbeitung durch die Beklagte rechtswidrig gewesen sein soll und ein Bußgeld verhängte. Zum einen ist die Entscheidung nicht rechtskräftig, weil die Beklagte Rechtsmittel eingelegt hat (Klagerwiderung Rz 108). Zum anderen binden Entscheidungen der Datenschutzbehörden Zivilgerichte nicht. Ein Gericht hat das Vorliegen der Voraussetzungen für den geltend gemachten Schadenersatzanspruch nach Artikel 82 Absatz 1 DSGVO eigenständig zu prüfen (KG Berlin, Beschluss vom 17. Februar 2023 – 10 U 146/22 –, Rn. 10, juris)…“

Hinweis des Autors:

Dem Autor ist nicht bekannt, ob gegen die Entscheidung das Rechtsmittel der Berufung eingelegt wurde.