LAG Hessen:Klage auf Entgeltfortzahlung und DSGVO

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Klage auf Entgeltfortzahlung und DSGVO – In den Fällen, in denen ein Arbeitnehmer aufgrund einer Erkrankung fortgesetzt, d.h. nach einer ersten Frist von 6 Wochen, erkrankt und einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung  unter Berücksichtigung von § 3 I 2 Nr.1 oder Nr. EntgFG (Entgeltfortzahlungsgesetz) geltend machen will, so muss der Arbeitnehmer der substantiiert darlegen, dass gerade keine Fortsetzungserkrankung vorliegt.

Bestreitet der Arbeitgeber die vorgelegte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, so muss der Arbeitnehmer alle Krankheiten in einem Zeitraum von einem Jahr darlegen und dazu vortragen. Dies ist aus datenschutzrechtlicher Sicht nach einem Urteil des LAG Hessen vom 14. Januar 2022 (Az.: 10 Sa 898-21) von der Vorschrift des Art.9 II lit. f DSGVO gedeckt.

Klage auf Entgeltfortzahlung und DSGVO – Ansicht des Gerichts

Das Gericht äußert sich bezogen auf den zu entscheidenden Fall in den Entscheidungsstunden des Urteils unter anderem wie folgt:

„…Der Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers ist aber gerechtfertigt. Die prozessuale Obliegenheit zum substantiierten Vortrag des Arbeitnehmers im Rahmen einer abgestuften Darlegungslast in einem Prozess nach § 3 EFZG hält sich im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben nach dem BDSG und der DSGVO. Sie ist auch nicht unverhältnismäßig, da andere gleich geeignete Mittel zur Überprüfung, ob eine Fortsetzungserkrankung vorlag oder nicht, nicht ersichtlich sind.

(a) Die Verarbeitung von personenbezogenen Gesundheitsdaten ist nach der Grundregel in Art. 9 Abs. 1 DSGVO grundsätzlich untersagt. In § 9 Abs. 2 Buchst. f DSGVO wird die Verarbeitung jedoch gestattet, wenn sie zur Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung von Rechtsansprüchen oder bei Handlungen der Gerichte im Rahmen ihrer justiziellen Tätigkeit erforderlich ist. Eine gerichtliche Entscheidung oder Verwaltungsentscheidung soll nicht dadurch verhindert werden können, dass unter Hinweis auf das Verbot von Art. 9 Abs. 1 DSGVO entscheidungserhebliche Daten lediglich aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht in das jeweilige Verfahren eingeführt werden können (EuArbR/Franzen 4. Aufl. Art. 9 EU (VO) 2016/679 Rn. 13; Frenzel in Paal/Pauly DSGVO BDSG 3. Aufl. Art. 9 DSGVO Rn. 37). Entscheidungserhebliche Daten sollen auch dann in das Verfahren eingeführt werden können, wenn sie grundsätzlich dem Verbot des Art. 9 Abs. 1 DSGVO unterfallen (vgl. Albers/Veit in BeckOK Datenschutzrecht 38. Edition Art. 9 DSGVO Rn. 81). Parteien müssen alles Relevante beibringen und Gerichte einen relevanten Vortrag aufgreifen dürfen, damit die Gerichtsentscheidung normativ „richtig“ ist (vgl. Albers/Veit in BeckOK Datenschutzrecht 38. Edition Art. 9 DSGVO Rn. 82). Dies dient auch der Sicherstellung des Justizgewährleistungsanspruchs (Art. 20 Abs. 2, 3 GG) (vgl. Weichert in Kühling/Buchner DSGVO BDSG 3. Aufl. Art. 9 DSGVO Rn. 83). Der Begriff „Rechtsansprüche“ ist dabei weit auszulegen, unerheblich ist, ob der Verantwortliche Gläubiger oder Schuldner in dem Anspruchsverhältnis ist (vgl. Weichert in Kühling/Buchner DSGVO BDSG 3. Aufl. Art. 9 DSGVO Rn. 84).

(b) Daher ist es – nach wie vor – zutreffend, wenn z.B. im Kündigungsschutzprozess nach einer krankheitsbedingten Kündigung vom Arbeitnehmer ebenfalls ein weitreichender Sachvortrag abverlangt wird, um die negative Prognose zu entkräften. Auch insoweit kann ein Kläger gehalten sein, einzelne Krankheitsursachen vorzutragen. Entsprechendes würde z.B. bei einem Prozess über die Höhe eines Schmerzensgelds gelten, soweit für die Höhe die Gesundheitsbeeinträchtigungen von Belang sind (Albers/Veit in BeckOK Datenschutzrecht 38. Edition Art. 9 DSGVO Rn. 83). Nach der Rspr. des BAG ist es nach Art. 8 Abs. 2 Buchst. b RL 95/46/EG (entspricht Art. 9 Abs. 2 Buchst. f DSGVO) i.V.m. Art. 28 Abs. 6 Nr. 3 BDSG a.F. gerechtfertigt, wenn im Rahmen des bEM Gesundheitsdaten erhoben werden (vgl. BAG 7. Februar 2012 – 1 ABR 46/10 – Rn. 34 f., NZA 2012, 744). Im vorliegenden Fall geht es um die Durchsetzung eines Anspruchs auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall nach § 3 EFZG. Dieser ist so ausgestaltet, dass er nach § 3 Satz 2 EFZG bestimmten zeitlichen Binnenschranken unterliegt. Der Umstand, dass sich der Arbeitgeber als Anspruchsgegner auf die Ausnahme der Fortsetzungserkrankungen berufen muss, spielt keine Rolle. Um diese Frage durch das Gericht einer Überprüfung unterziehen zu können, ist es unabdingbar und erforderlich, dass der Arbeitnehmer sich substantiiert zu seinen Erkrankungen einlässt.

Die Rechtslage ist nach dem auf nationaler Ebene geltenden BDSG keine andere. Zwar regelt § 22 BDSG die Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten – und damit auch der hier interessierenden Gesundheitsdaten -, doch kommt der Regelung keine abschließende Wirkung zu. Wo der nationale Gesetzgeber ein Regelungsbedürfnis nicht gesehen hat, ist auf die DSGVO unmittelbar zurückzugreifen. Damit ist insoweit auch Art. 9 Abs. 2 Buchst. f DSGVO unmittelbar nach dem deutschen Recht anzuwenden (ErfK/Franzen 22. Aufl. § 22 BDSG Rn. 5; Albers/Veit in BeckOK Datenschutzrecht 38. Edition § 22 BDSG Rn. 10)….“