Schlussanträge des Generalanwaltes beim EuGH: Betreiber von Sozialem Netzwerk darf Daten zur sexuellen Orientierung nur dann für gezielte Werbung verwenden, wenn Einschränkungen zur zeitlichen Dauer und Art der Daten besteht

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So die am 25. April 2024 (Az.: C‑446/21) veröffentlichten Ausführungen im Ergebnis zu einer der beiden in dem Verfahren enthaltenen Vorlagefragen des OGH aus Österreich. Der Generalanwalt führt unter anderem aus:

„..Das zum einen die zeitliche Einschränkung der Verarbeitung personenbezogener Daten betrifft, bin ich der Ansicht, dass die Unionsgerichte in Ermangelung einer entsprechenden speziellen Bestimmung in der DSGVO keine verbindliche Frist für die Speicherung dieser Daten festlegen können. Im Übrigen hat der Gerichtshof entschieden, dass selbst eine ursprünglich zulässige Verarbeitung korrekter Daten im Laufe der Zeit u. a. mit Art. 5 Abs. 1 Buchst. c bis e DSGVO unvereinbar werden kann, wenn die Daten im Hinblick auf die Zwecke, für die sie erhoben oder verarbeitet wurden, nicht mehr erforderlich sind(18). Mithin es ist Sache des vorlegenden Gerichts, unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls und unter Anwendung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit(19) zu beurteilen, inwieweit der Zeitraum der Speicherung personenbezogener Daten durch Meta Platforms Ireland im Hinblick auf das legitime Ziel der Verarbeitung dieser Daten für Zwecke der personalisierten Werbung gerechtfertigt ist.

Was zum anderen die Einschränkung der Verarbeitung personenbezogener Daten nach der Art der Daten anbelangt, ist es ebenfalls Sache des vorlegenden Gerichts, unter den Umständen des vorliegenden Falles die personenbezogenen Daten festzustellen, bei denen davon ausgegangen werden kann, dass ihre Verarbeitung unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit rechtmäßig ist.

Im Übrigen zeigen meines Erachtens die Bezugnahmen im Wortlaut von Art. 5 Abs. 1 Buchst. c DSGVO auf sehr allgemeine Bedingungen wie „Angemessenheit“, „Erheblichkeit“ und „Notwendigkeit“, dass der Unionsgesetzgeber den zuständigen Behörden bei der Anwendung dieser Bestimmung einen weiten Beurteilungsspielraum einräumen wollte, da diese Bedingungen nur auf Einzelfallbasis unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Falles ausgelegt werden können.

Dies vorausgeschickt, bin ich der Ansicht, dass, wie die Kommission in ihren schriftlichen Erklärungen ausführt, je nach der Schwere des Eingriffs in die Rechte der betroffenen Person durch die verschiedenen Verarbeitungsformen bestimmte Unterscheidungen getroffen werden können. Das vorlegende Gericht könnte daher, wenn es dies im vorliegenden Fall für angemessen hält, zum einen zwischen der Verwendung „statischer“ Daten der betroffenen Person (z. B. Alter(20) oder Geschlecht) und der Verwendung von „verhaltensorientierten“ Daten (z. B. Verfolgung des Surfverhaltens von Nutzern) unterscheiden, wobei die letztgenannte Verwendung in der Regel stärker in die Rechte der betroffenen Person eingreift. Was insbesondere „verhaltensorientierte“ Daten anbelangt, könnte anschließend unterschieden werden zwischen der Erhebung von Daten, die ein „aktives“ Verhalten (z. B. das Anklicken eines „Like-Button“) und der Erhebung von Daten, die ein „passives“ Verhalten (z. B. bloßer Besuch einer Website) betreffen, wobei die letztgenannte Datenerhebung normalerweise eingriffsintensiver für den Nutzer ist. Zum anderen könnte ein Unterschied gemacht werden zwischen der Verarbeitung personenbezogener Daten, die innerhalb der Facebook-Plattform und außerhalb der Facebook-Plattform, d. h. Daten, die von Websites, anderen Apps als Facebook oder von Geräten des Nutzers erhoben werden; Letztere ist eingriffsintensiver als Erstere(21).

Im Rahmen dieser Analyse ist es meines Erachtens auch wichtig, die vernünftigen Erwartungen der betroffenen Personen zu berücksichtigen(22)…

Nach alledem schlage ich vor, auf die zweite Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 5 Abs. 1 Buchst. c DSGVO dahin auszulegen ist, dass er der Verarbeitung personenbezogener Daten für Zwecke der zielgerichteten Werbung ohne Einschränkung nach Zeit oder Art der Daten entgegensteht, und dass es Sache des vorlegenden Gerichts ist, unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls und unter Anwendung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zu beurteilen, inwieweit der Zeitraum der Speicherung der Daten und die Menge der verarbeiteten Daten im Hinblick auf das legitime Ziel der Verarbeitung dieser Daten für Zwecke der personalisierten Werbung gerechtfertigt sind…“

Hinweis des Autors:

Dies ist noch kein Urteil des EuGH. Dieses wird noch gesprochen, in den meisten Fällen wird aber der Ansicht aus den Schlussanträgen des Generalanwaltes in den Entscheidungen gefolgt.