Berichtigungsanspruch zum Geburtsdatum im Melderegister aus Art. 16 DSGVO – So das BVerwG mit Urteil vom 02. März 2022 (Az.: BVerwG 6 C 7.20). Der Anspruch muss im Wege der Verpflichtungsklage eingeklagt werden, sofern der Anspruch zuvor gegenüber der Behörde erfolglos mit einem Antrag geltend gemacht worden ist.
Berichtigungsanspruch zum Geburtsdatum im Melderegister aus Art. 16 DSGVO – Ansicht des Gerichts
Das Gericht sieht die Anspruchsgrundlage in Art.16 DSGVO und führt in den Entscheidungsgründen unter anderem aus:
„… Anspruchsgrundlage für das Begehren des Klägers, sein Geburtsjahr im Melderegister der Beklagten zu ändern, ist Art. 16 Satz 1 DSGVO…..Der Anwendung der Datenschutzgrundverordnung steht nicht entgegen, dass diese am 25. Mai 2018 und damit erst während des Berufungsverfahrens in Kraft getreten ist. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ergibt sich die für die gerichtliche Entscheidung maßgebliche Rechtslage aus dem materiellen Recht, dem nicht nur die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Ermächtigungsgrundlage oder eines Anspruchs selbst, sondern auch die Antwort auf die Frage zu entnehmen ist, zu welchem Zeitpunkt diese Voraussetzungen erfüllt sein müssen (BVerwG, Urteile vom 31. März 2004 – 8 C 5.03 – BVerwGE 120, 246 <250> und vom 16. September 2020 – 6 C 10.19 – Buchholz 403.1 Allg. DatenschutzR Nr. 21 Rn. 13). Maßgeblich ist daher, welche Rechtsvorschriften sich nach ihrem Geltungswillen im Zeitpunkt der Entscheidung für die Beurteilung des Klagebegehrens Geltung beimessen und zwar gleichgültig, ob es sich um eine Feststellungsklage, eine Leistungsklage, eine Anfechtungsklage oder eine Verpflichtungsklage handelt (BVerwG, Urteil vom 16. September 2020 – 6 C 10.19 – Buchholz 403.1 Allg. DatenschutzR Nr. 21 Rn. 13). Dies wird bei der hier vorliegenden Leistungskonstellation, in der von der Behörde ein Handeln verlangt wird, in der Regel die letzte mündliche Verhandlung sein, wenn sich aus dem materiellen Recht kein Anhaltspunkt für einen abweichenden Zeitpunkt ergibt (vgl. BVerwG, Urteile vom 9. Juni 2010 – 6 C 5.09 – BVerwGE 137, 113 Rn. 23, vom 4. Dezember 2014 – 4 C 33.13 – BVerwGE 151, 36 Rn. 18 und vom 16. September 2020 – 6 C 10.19 – Buchholz 403.1 Allg. DatenschutzR Nr. 21 Rn. 14)…..
Der sachliche Anwendungsbereich der Datenschutz-Grundverordnung ist gemäß Art. 2 DSGVO eröffnet. Bei der Speicherung des Geburtsdatums des Klägers im Melderegister der Beklagten handelt es sich um eine Datenverarbeitung im Sinne des Art. 2 Abs. 1 DSGVO. Die Ausnahmetatbestände des Art. 2 Abs. 2 DSGVO greifen nicht ein. Insbesondere ist die Anwendung der Datenschutz-Grundverordnung nicht nach Art. 2 Abs. 2 Buchst. a DSGVO ausgeschlossen. Hiernach findet die Verordnung keine Anwendung auf die Verarbeitung personenbezogener Daten im Rahmen einer Tätigkeit, die nicht in den Anwendungsbereich des Unionsrechts fällt. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (im Folgenden: EuGH) ist diese Ausnahmevorschrift eng auszulegen und in Verbindung mit Art. 2 Abs. 2 Buchst. b DSGVO sowie ihrem 16. Erwägungsgrund zu lesen. Danach gilt diese Verordnung nicht für die Verarbeitung personenbezogener Daten im Zusammenhang mit Tätigkeiten, die nicht in den Anwendungsbereich des Unionsrechts fallen, weil sie etwa die nationale Sicherheit betreffen oder im Rahmen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der Union erfolgen. Überdies ist dieser Ausnahmegrund im Lichte seiner Vorgängerregelung zu verstehen, an die er teilweise anknüpft. Bereits zu Art. 3 Abs. 2 erster Gedankenstrich der Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr (ABl. L 281 S. 31) – Datenschutz-Richtlinie, DSRL – war anerkannt, dass diese Richtlinie keine Anwendung fand u.a. bei der Ausübung von Tätigkeiten, die nicht in den Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts fielen und ausdrücklich in der Norm genannt waren, beispielsweise Verarbeitungen betreffend die öffentliche Sicherheit, die Landesverteidigung oder die Sicherheit des Staates (vgl. dazu EuGH, Urteile vom 27. September 2017 – C-73/16 [ECLI:EU:C:2017:725] – Rn. 37 und vom 10. Juli 2018 – C-25/17 [ECLI:EU:C:2018:551] – Rn. 38). Daher reicht der bloße Umstand, dass eine Tätigkeit eine spezifische Tätigkeit des Staates oder einer Behörde ist, nach Ansicht des EuGH auch für den Ausnahmetatbestand des Art. 2 Abs. 2 Buchst. a DSGVO nicht aus. Für sein Eingreifen ist vielmehr erforderlich, dass es sich um eine Verarbeitung personenbezogener Daten durch staatliche Stellen im Rahmen einer Tätigkeit handelt, die der Wahrung der nationalen Sicherheit dient, oder einer Tätigkeit, die derselben Kategorie zugeordnet werden kann. Die auf die Wahrung der nationalen Sicherheit abzielenden Tätigkeiten umfassen insbesondere solche, die den Schutz der grundlegenden Funktionen des Staates und der grundlegenden Interessen der Gesellschaft bezwecken (vgl. EuGH, Urteil vom 22. Juni 2021 – C-439/19 [ECLI:EU:C:2021:504] – Rn. 62 ff.)…..Um solche Datenverarbeitungen geht es hier jedoch ersichtlich nicht. Vielmehr dient die Führung des Melderegisters neben der in § 2 Abs. 1 des Bundesmeldegesetzes (BMG) i.d.F. der Bekanntmachung vom 3. Mai 2013 (BGBl. I S. 1084), zuletzt geändert durch Art. 4 des Gesetzes vom 28. März 2021 (BGBl. I S. 591) bestimmten Pflicht zur Identifizierung der Einwohner als Informationsgrundlage für eine Vielzahl öffentlicher Stellen, wie sich aus § 2 Abs. 3 BMG entnehmen lässt. Ungeachtet der damit einhergehenden großen praktischen Bedeutung des Melderegisters ist nicht erkennbar, dass hierbei der Schutz der grundlegenden Funktionen des Staates oder ebensolcher Interessen der Gesellschaft bzw. eine gleich gewichtige Tätigkeit in Rede steht. Im Übrigen ist auch der nationale Gesetzgeber von der Anwendung der Datenschutz-Grundverordnung im Bereich des Meldewesens ausgegangen, wie aus § 12 BMG in der aktuell geltenden Fassung des Zweiten Datenschutz-Anpassungs- und Umsetzungsgesetzes EU sowie aus der Gesetzesbegründung hierzu (BT-Drs. 19/4674 S. 224) hervorgeht…“