OLG Frankfurt a.M.: Gezielte Behinderung durch Vorlage von Unterlagen

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Gezielte Behinderung durch Vorlage von Unterlagen – Dies kann einen Verstoß gegen § 4 Nr.4 UWG darstellen.

Das OLG Frankfurt a.M. hat sich in dem Urteil vom 10. März 2022 (Az.: 6 U 196/20) im Rahmen der Entscheidung zu einem Streit zwischen einem Hersteller von Kleidercontainern und einem Unternehmen, dass sich mit im Aufstellen von Altkleidercontainern beschäftigt, zu dieser rechtlichen Bewertung entschieden. Das beklagte Unternehmen hatte im Rahmen von Angeboten Unterlagen zu Produkten des klagenden Unternehmens vorgelegt und damit geworben, später jedoch andere Container aufgestellt, die nicht den Qualitätsstandards der beworbenen Container entsprachen.

Gezielte Behinderung durch Vorlage von Unterlagen – Ansicht des Gerichts

Die Vorgehensweise des beklagten Unternehmens, nicht über die Möglichkeit aufzuklären, nicht die beworbenen Container aufstellen zu können, stufte das Gericht als unlauter ein. Es begründet unter anderem wie folgt:

„… Dieses Unterlassen stellt eine gezielte Behinderung der Klägerin nach § 4 Nr. 4 UWG dar.

 (1) Unter Behinderung ist die Beeinträchtigung der wettbewerblichen Entfaltungsmöglichkeiten eines Mitbewerbers zu verstehen (BGH GRUR 2004, 877, 879 – Werbeblocker I). Zu den Entfaltungsmöglichkeiten eines Mitbewerbers zählen alle Wettbewerbsparameter, also Absatz, Bezug, Werbung, Produktion, Forschung, Entwicklung, Planung, Finanzierung, Personaleinsatz usw. (ebenso BGH GRUR 2004, 877, 879 – Werbeblocker I). Es genügt – wie bei allen Beispielstatbeständen des § 4 UWG – die Eignung der geschäftlichen Handlung zur Behinderung (BGH WRP 2017, 324 Rn 34 – Portierungsauftrag; OLG Köln WRP 2021, 808 Rn 32). Die Behinderung muss also nicht tatsächlich eingetreten sein.

Als „gezielt“ ist eine Behinderung ganz allgemein dann anzusehen, wenn bei objektiver Würdigung aller Umstände eine Maßnahme in erster Linie nicht auf die Förderung der eigenen wettbewerblichen Entfaltung, sondern auf die Beeinträchtigung der wettbewerblichen Entfaltung eines Mitbewerbers gerichtet ist (BGH GRUR 2007, 800 Rn 23 – Außendienstmitarbeiter; BGH GRUR 2008, 621 Rn 32 – AKADEMIKS). Es muss also ein Eingriff in die wettbewerbliche Entfaltung eines Mitbewerbers erfolgen.

Die Verdrängungsabsicht ist keineswegs eine notwendige Voraussetzung der gezielten Behinderung (BGH GRUR 2007, 800 Rn 22 – Außendienstmitarbeiter; BGH GRUR 2009, 685 Rn 41 – ahd.de; BGH WRP 2014, 424 Rn 42 – wetteronline.de). Eine gezielte Behinderung kann auch dann vorliegen, wenn die Maßnahme zwar unmittelbar der Förderung des eigenen Absatzes oder Bezugs dient, aber dieses Ziel durch eine unangemessene Beeinträchtigung der wettbewerblichen Entfaltung des Mitbewerbers erreicht werden soll.

(2) Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist hier eine gezielte Behinderung im Sinne von § 4 Nr. 4 UWG zu bejahen.

Das Unterlassen der Mitteilung an die Stadt1, dass nunmehr nicht die qualitativ hochwertigen Produkte der Klägerin, sondern die minderwertigen Produkte Dritter verwendet werden, stellt sich zwar auch als Entfaltung des eigenen Wettbewerbs dar, da die Beklagte es sich so ersparte, die vertraglichen geschuldeten Nachweise über die verwendeten Container erneut vorzulegen, und die Klägerin im Glauben gelassen werden konnte, es werden „gute“ Container aufgestellt. Indes kann eine Maßnahme auch dann unlauter sein, wenn sie sich zwar (auch) als Entfaltung eigenen Wettbewerbs darstellt, aber das Eigeninteresse des Handelnden unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Wettbewerbsfreiheit weniger schutzwürdig ist als die Interessen der übrigen Beteiligten und der Allgemeinheit (ebenso BGH GRUR 2009, 685 Rn 41 – ahd.de; BGH WRP 2014, 424 Rn 42 – wetteronline.de; OLG Köln WRP 2021, 808 Rn 33). Entscheidend ist, ob die Auswirkungen der Handlung auf das Wettbewerbsgeschehen bei objektiver Betrachtung so erheblich sind, dass sie unter Berücksichtigung des Schutzzwecks des Gesetzes von den Marktteilnehmern nicht hingenommen werden müssen (BGH GRUR 2007, 800 Rn 21 – Außendienstmitarbeiter). So liegt die Sache hier. Das Interesse der Beklagten, trotz ihres auf kostengünstigen Erwerb von Gebrauchtcontainern angelegten Geschäftsmodells bei Eintritt eines Mangels an Containern der Klägerin trotzdem die Stadt in dem Glauben zu lassen, die aufgestellten Container seien die der Klägerin, ist nicht schützenswert. Es ist geeignet, den Ruf der Klägerin, der bei Problemen und Defekten diese Probleme angelastet werden, zu beschädigen….“