Thüringer OLG: Auskunftsanspruch nach Art. 15 DSGVO wird gegenüber privater Krankenversicherung nicht rechtsmissbräuchlich nach Art. 12 V DSGVO ausgeübt, wenn ausschließlich Formmängel bei Prämienerhöhungen nachvollzogen werden sollen

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So unter anderem das Gericht in seinem Urteil vom 27. Dezember 2024 (Az.: 4 U 868/22) in einem Rechtsstreit zu einem geltend gemachten Auskunftsanspruch, der sich auf Informationen über Zeitpunkt und Höhe des Alt- und Neubeitrages für jede stattgefundene Beitragsanpassung gemäß § 203 Abs. 2 VVG sowie über den Zeitpunkt erfolgter Tarifbeendigungen und Tarifwechsel unter Angabe des Herkunfts- und Zieltarifs zu einem Vertrag einer privaten Krankenversicherung bezog.

Zunächst bejaht das Gericht das Vorliegen von personenbezogenen Daten im Sinne der DSGVO und führt dazu in den Entscheidungsgründen unter anderem aus:

„…Denn abgesehen davon, dass der Begriff der personenbezogenen Daten weit zu verstehen ist, es sich hierbei nicht um sensible Daten mit persönlichkeitsrechtlicher Implikation handeln muss und anerkannt ist, dass Informationen zu Vertragsbeziehungen einer Person unter die „personenbezogenen Daten“ fallen können, ist jedenfalls bei den mit dem Hilfsantrag begehrten Informationen über den Zeitpunkt erfolgter Tarifbeendigungen und Tarifwechsel unter Angabe des Herkunfts- und Zieltarifs zu beachten, dass diese Umstände abhängig von den persönlichen Vertragserklärungen des Versicherungsnehmers sind, indem sich dieser mit der Folge des Tarifwechsels/der Tarifbeendigung gegenüber dem Versicherer geäußert hat. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zählen Schreiben des Versicherungsnehmers an die Versicherung aber grundsätzlich ihrem gesamten Inhalt nach zu den personenbezogenen Daten (vgl. Oberlandesgericht Frankfurt a.M., Urteil aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 1. Februar 2024 – 3 U 266/21 –, Anlage KGR 4, Bl. 43 ff., 64 f. AnlBd-BK OLG (n.v.), unter Bezugnahme auf BGH, Urteil vom 6. Februar 2024 – VI ZR 15/23 –, Rn. 8, juris, m.w.N.). Zudem geschehen Tarifwechsel und Tarifbeendigungen individuell und gerade nicht einheitlich innerhalb einer Beobachtungseinheit, so dass auch eine Bestimmbarkeit der betroffenen Person anhand dieser Daten nicht ausgeschlossen erscheint. Hinzu kommt, dass die Zusammensetzung der Tarife bei den einzelnen Versicherungsnehmern genauso variieren kann wie die Tarifhöhe in Abhängigkeit von Risikozuschlägen etwa wegen Vorerkrankungen.

Aber auch in Bezug auf die begehrte Information über Zeitpunkt und Höhe von Beitragsanpassungen gilt im Ergebnis nichts Anderes. Auch wenn Zeitpunkt und Höhe einer Beitragsänderung tatsächlich nicht individuell entschieden werden, sondern anhand abstrakter Parameter einer Beobachtungseinheit, haben diese – einmal erfolgt – dennoch unmittelbar Auswirkungen auf die individuell geschuldete Versicherungsprämie und damit das individuelle Versicherungsvertragsverhältnis. Sie sind insoweit gerade nicht mit den auslösenden Faktoren vergleichbar, für die der Bundesgerichtshof die Eigenschaft als personenbezogene Daten verneint (vgl. BGH, Urteil vom 8. Mai 2024 – IV ZR 102/23 –, Rn. 14, juris). Denn eine Änderung der auslösenden Faktoren muss sich nicht zwangsläufig auf den Versicherungsnehmer auswirken, da das Überschreiten des vorab festgelegten Schwellenwerts lediglich eine Überprüfung der Beiträge veranlasst, die aber nicht immer auch zu einer Beitragsanpassung führt. Die Verknüpfung mit der Person des Versicherungsnehmers bzw. mit seiner Beobachtungseinheit ist daher bei den auslösenden Faktoren nur eine mittelbare, nämlich vermittelt gerade über den weiteren Zwischenschritt der Beitragsanpassung; die Beitragsanpassung betrifft den Versicherungsnehmer hingegen unmittelbar…“

Der Auskunftsanspruch ist im konkreten Sachverhalt nach Ansicht des Gerichts nicht aufgrund eines rechtsmissbräuchlichen Vorgehens des Klägers unzulässig im Sinne des Art.12 V DSGVO. Das Gericht führt dazu in den Entscheidungsgründen unter anderem aus:

„…Ein solcher kann insbesondere nicht aufgrund des Umstandes bejaht werden, dass die Klägerin mit ihrem Auskunftsantrag nicht das Ziel verfolgt, sich der Verarbeitung der sie betreffenden personenbezogenen Daten bewusst zu werden und die Rechtmäßigkeit dieser Verarbeitung überprüfen zu können, sondern ausschließlich auf die Überprüfung etwaiger von dem Beklagten vorgenommener Prämienanpassungen wegen möglicher formeller Mängel nach § 203 Abs. 5 VVG zielt (so aber OLG Bamberg, Urteil vom 7. März 2024 – 1 U 122/23 – Anlage BLD B9, Bl. 77 ff., 82 AnlBd-BB OLG (n.v.), unter Bezugnahme auf OLG Hamm, Beschluss vom 15.11.2021 – I-20 U 269/21 – Rn. 9 ff., juris; ebenso im Ergebnis: OLG Düsseldorf, Beschluss vom 28.02.2024 – I-13 U 210/22 – Anlage BLD B8, Bl. 67 ff., 72 ff. AnlBd-BB OLG, m.w.N. (n.v.); bereits vor der Entscheidung des EuGH vom 26. Oktober 2023 z.B.: OLG Hamm, Urteil vom 3. Mai 2023 – I-20 U 146/22 –, Rn. 40 ff.; OLG Nürnberg, Urteil vom 14. März 2022 – 8 U 2907/21 –, Rn. 43 f.; OLG Karlsruhe, Urteil vom 28. März 2023 – 25 U 348/22 –, Rn. 156 ff.; OLG Dresden, Urteil vom 29. März 2022 – 4 U 1905/21 –, Rn. 66; OLG Nürnberg, Urteil vom 14. März 2022 – 8 U 2907/21 –, Rn. 43 f.; jeweils zitiert nach juris und m.w.N.). Denn gerade die Motive des Auskunftsbegehrenden sind nach der oben zitierten Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union unbeachtlich (ebenso z.B.: Brandenburgisches Oberlandesgericht, Urteil vom 3. Mai 2024 – 11 U 19/24 –, Rn. 38, juris; OLG Rostock, Beschluss vom 07.03.2024 – 4 U 88/23 – Bl. 10 ff., 15 ff. AnlBd-BK OLG (n.v.); Oberlandesgericht Frankfurt a.M., Urteil aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 01.02.2024 – 3 U 266/21 –, Bl. 43 ff., 65 AnlBd-BK OLG (n.v.)). Sie können daher auch nicht im Rahmen einer Gesamtwürdigung berücksichtigt werden (so aber OLG Düsseldorf, Beschluss vom 28. Februar 2024 – I-13 U 210/22 – Anlage BLD B8, Bl. 67 ff., 72 ff. AnlBd-BB OLG, m.w.N. (n.v.)).

Hinzu kommt, dass sich die Funktion von Art. 15 DSGVO eben nicht in einer datenschutzinternen Nutzung der erlangten Informationen erschöpft, sondern insgesamt den Schutz der Rechte und Freiheiten der betroffenen Person gegen Beeinträchtigungen und Gefährdungen durch Verarbeitung personenbezogener Daten beabsichtigt (vgl. EuGH, Urteil vom 26. Oktober 2023 – C-307/22 –, Rn. 47 ff., juris). Nutzt die betroffene Person ihr Recht auf eine Datenkopie, um Informationsasymmetrien zwischen sich und dem Verantwortlichen abzubauen und so ihre Rechte und Freiheiten zu wahren, stellt dies ein legitimes und rechtlich anzuerkennendes Ziel dar, ohne dass es darauf ankommt, ob diese Rechte und Freiheiten selbst im Datenschutzrecht oder in einer anderen Teilordnung des Rechts verankert sind. Ohnehin wird es kaum je auszuschließen sein, dass es dem Versicherungsnehmer zumindest auch um den Schutz seiner Daten geht. Es erscheint daher auch nicht sinnvoll, das Bestehen des Auskunftsanspruchs nach der DSGVO von einer entsprechenden – nicht überprüfbaren – Behauptung zur inneren Motivation des jeweiligen Anspruchstellers abhängig zu machen. Nicht zuletzt wäre weitergedacht kaum vermittelbar, warum die betroffene Person aufgrund einer geforderten Auskunft nur gegen eine Unrechtmäßigkeit der Datenverarbeitung vorgehen können sollte, nicht aber beispielsweise gegen eine hier in Rede stehende Unrechtmäßigkeit der Vertragsgestaltung, wie sie der Beklagte so für sich dokumentiert hätte; ansonsten gelangte man möglicherweise zu einer für sich genommen nicht gerechtfertigten Privilegierung entsprechender „Zufallsfunde“ (vgl. OLG Rostock, Beschluss vom 7. März 2024 – 4 U 88/23 – Bl. 10 ff., 15 ff. AnlBd-BK OLG (n.v.))…“

Hinweis des Autors:

Zum Zeitpunkt der Erstellung des Beitrages ist nicht bekannt, ob gegen die Entscheidung Nichtzulassungsbeschwerde zum BGH eingelegt worden ist.