OLG Hamburg: Dringlichkeitsfrist im Geschmacksmusterverletzung beginnt erst mit Zugang eines Testkaufes-Bestätigung eigener bestehender Rechtsprechung

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So das Gericht in einem Rechtsstreit um Schuhe, geführt in einem einstweiligen Verfügungsverfahren, und dem Berufungsurteil vom 5. Juli 2023 (Az.: 5 U 121/22). Das Gericht führt zur Dringlichkeit im einstweiligen Verfügungsverfahren in den Entscheidungsgründen unter anderem aus:

„…Der Senat hält jedoch an seiner Rechtsprechung fest, wonach sich die Frage einer Geschmacksmusterverletzung in aller Regel nur anhand des Originalerzeugnisses zuverlässig beurteilen lässt, so dass die Dringlichkeitsfrist regelmäßig erst ab Zugang des per Testkauf bestellten Gegenstands läuft (Senat GRUR-RS 2021, 55227 Rn. 24 – Rasierkopf). Ein potentiell Verletzter darf den Beginn der Dringlichkeitsfrist allerdings nicht durch eine verspätete Auslösung des Testkaufs hinauszögern. Kennt der Verletzte bereits konkrete Umstände, die eine Verletzung des Schutzrechts bzw. einen Wettbewerbsverstoß naheliegend erscheinen lassen, ist von ihm zu erwarten, dass er alle ihm zur Verfügung stehenden Maßnahmen mit der gebotenen Zielstrebigkeit ergreift und die Sachlage weiter aufklärt (Voß in Cepl/Voß, Prozesskommentar, 3. Aufl., § 940 Rn. 80; OLG Düsseldorf GRUR-RR 2017, 477 Rn. 14 – Vakuumgestütztes Behandlungssystem). Den Zeitpunkt der erstmaligen Kenntniserlangung muss der Antragsteller vortragen und glaubhaft machen.

Nach dem Berufungsvorbringen hat eine Kenntnis der Antragstellerin von den Verletzungsmustern 1 bis 4 jedenfalls am 08.07.2022 bzw. von den Verletzungsmustern 5 und 6 am 29.08.2022 vorgelegen, als die Prozessbevollmächtigten mit der Durchführung der Testkäufe beauftragt worden seien. Eine solche Kenntniserlangung erscheint im Streitfall bei den Antragseinreichungen am 15.08.2022 und am 23.09.2022 nicht dringlichkeitsschädlich. Eine allgemeine Marktbeobachtungspflicht besteht in diesem Zusammenhang nicht, so dass es nicht darauf ankommt, ob ein Antragsteller bei Beachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt den Verstoß hätte erkennen können (st. Rspr., vgl. OLG Frankfurt a.M. GRUR-RR 2022, 84 Rn. 16 – 36 Monate Garantie; Voß in Cepl/Voß, Prozesskommentar, 3. Aufl., § 940 Rn. 80). Die schlichte Feststellung, der Antragsteller hätte bei Beobachtung des Wettbewerbs von der Schutzrechtsverletzung bzw. dem Wettbewerbsverstoß Kenntnis haben können, genügt folglich nicht, um dem Antrag die zeitliche Dringlichkeit abzusprechen (Voß in Cepl/Voß, Prozesskommentar, 3. Aufl., § 940 Rn. 80)…“