Wettbewerbsrecht

OLG Celle: Art. 14 Abs. 2 Satz 1 lit. a, Satz 3 MDR ist eine Marktverhaltensregelung nach § 3a UWG

So das Gericht in seinem Urteil vom 19. Januar 2023 (Az.: 13 U 79/21) in einem wettbewerbsrechtlichen Streit zwischen Herstellern bzw. Vertreibern von Produkten für Zahnarztpraxen. Das Gericht führt in den Entscheidungsgründen zur Eigenschaft als Marktverhaltensregelung aus:

„…Eine Marktverhaltensregelung liegt dann vor, wenn die Vorschrift (zumindest) auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln. Dieser Zweck braucht weder der einzige noch der primäre zu sein. Ob ein entsprechender Normzweck vorliegt, ist durch Auslegung der Norm zu ermitteln (vgl. Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler, 40. Aufl. 2022, UWG § 3a Rn. 1.61).

Als Marktverhalten ist jede Tätigkeit auf einem Markt anzusehen, die objektiv der Förderung des Absatzes oder Bezugs dient und durch die ein Unternehmer auf Mitbewerber, Verbraucher oder sonstige Marktteilnehmer einwirkt (vgl. Köhler/ Bornkamm/Feddersen/Köhler, 40. Aufl. 2022, UWG § 3a Rn. 1.62).

Das Verbot, Medizinprodukte oder deren Zubehör als Händler auf dem Markt bereitzustellen, wenn die in Art. 14 Abs. 2 MDR genannten Anforderungen nicht erfüllt sind oder wenn der Händler Grund zu der Annahme hat, das ein Produkt nicht den Anforderungen der Verordnung entspricht, stellt eine Marktverhaltensregelung dar, weil die Durchführung eines medizinprodukterechtlichen Konformitätsbewertungsverfahrens mit anschließender CE-Kennzeichnung des Zubehörs zu Medizinprodukten der Sicherheit, Eignung und Leistung der Medizinprodukte und damit der Gesundheit und dem Schutz der mit ihnen in Kontakt kommenden Personen, hier namentlich der Zahnärzte und ihrer Patienten dient (vgl. zu § 6 MPG: BGH, Urteil vom 9. Juli 2009 – I ZR 193/06 – CE-Kennzeichnung, juris Rn. 16). Sie dient zugleich dazu, für die Wirtschaftsakteure (auch die Händler) im Binnenmarkt gleiche Bedingungen herzustellen. Dies ergibt sich aus den Erwägungsgründen 2, 27 und 40 der MDR sowie aus dem Zusammenspiel der Art. 10 Abs. 6, Art. 19 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 3, Art. 20 Abs. 1, Abs. 4, Abs. 5, Abs. 6 MDR, für die Händler insbesondere aus Art. 14 Abs. 2 lit. a MDR…

Dabei schließen die Regelungen der MDR zur Marktüberwachung durch staatliche Stellen die wettbewerbsrechtliche Verfolgung von Verstößen durch Mitbewerber nicht aus. Ein auf §§ 3, 3a UWG gestütztes lauterkeitsrechtliches Vorgehen ist grundsätzlich auch dann möglich, wenn die gesetzliche Vorschrift – hier die Regelungen der MDR – spezifische Durchsetzungsmöglichkeiten durch die Behörden vorsehen. Eine andere Beurteilung kann dann angezeigt sein, wenn sich aus der gesetzlichen Vorschrift durch Auslegung entnehmen lässt, dass die Rechtsfolgenregelung abschließend sein soll (vgl. Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler, 41. Aufl. 2023, UWG § 3a Rn. 1.33 f.). Das ist hier aber nicht der Fall. Insbesondere sieht Art. 24 MDR („freier Verkehr“) nur vor, dass die Mitgliedsstaaten die Bereitstellung auf dem Markt oder die Inbetriebnahme von Produkten, die den Anforderungen der MDR entsprechen, nicht ablehnen, untersagen oder beschränken dürfen, was im Umkehrschluss nahelegt, dass Einschränkungen bei nicht MDR-konformen Produkten möglich sein sollen (vgl. Schmidt, WRP 2020, 700, 705). Die MDR enthält Vorgaben für die Tätigkeit der nationalen Überwachungsbehörden, um insoweit einen bestimmten Mindeststandard zu gewährleisten und einem Vollzugsdefizit entgegenzuwirken (vgl. Erwägungsgrund 80). Es ist nicht ersichtlich, dass damit zivilrechtliche Ansprüche von Mitbewerbern ausgeschlossen sein sollen. Im Gegenteil trägt die Verfolgung von Rechtsverstößen durch die Mitbewerber zur Einhaltung der Vorgaben der MDR bei….“

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