Datenschutzrecht

VG Hamburg: Auskunftsanspruch nach Art. 15 DSGVO ist nicht auf Vergangenheit gerichtet

So das Gericht in seinem Urteil vom 28. Juli 2022 (Az.: 21 K 1802/21) im Rahmen eines Gerichtsverfahrens rund um die Verarbeitung von personenbezogenen Daten in einem Krebsregister.

Das Gericht führt im Hinblick auf den, nach seiner Ansicht, nicht rückwärtsgewandten Auskunftsanspruch nach Art.15 DSGVO unter anderem aus:

„…Bei der Verpflichtungsklage ist in der Regel auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abzustellen, da die Klägerin zu diesem Zeitpunkt einen Anspruch auf den Erlass des begehrten Verwaltungsakts haben muss. Abweichungen können sich jedoch aus dem materiellen Recht ergeben (BVerwG, Urt. v. 27.11.1980, 2 C 38/79, juris, Rn. 41). Das materielle Recht gebietet vorliegend jedoch keine andere Bewertung. Art. 15 Abs. 1 DSGVO umfasst keinen in die Vergangenheit gerichteten Auskunftsanspruch. Dafür streitet der Wortlaut der Norm, wonach Auskunft über Daten verlangt werden kann, die „verarbeitet werden“. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist nicht auf den Zeitpunkt des ersten Auskunftsverlangens abzustellen (a.A. AG München, Urt. v. 4.9.2019, 155 C 1510/18, juris, Rn. 54; ArbG Düsseldorf, Urt. v. 5.3.2020, Ca 6557/18, juris, Rn. 63 [hinsichtlich der Zwecke der Datenverarbeitung]; Bäcker, in: Kühling/Buchner, DS-GVO/BDSG, 3. Aufl. 2020, Art. 15, Rn. 8a; Bienemann, in: Sydow/Marsch, DS-GVO/BDSG, 3. Aufl. 2022 Art. 15, Rn. 29). Legt man den eindeutigen, im Präsens formulierten Wortlaut zugrunde, würde dies bedeuten, dass die Klägerin nur Auskunft über die zum Zeitpunkt des Auskunftsverlangens bestehenden Daten verlangen könnte (so aber Bienemann, in: Sydow/Marsch, DS-GVO/BDSG, 3. Aufl. 2022, Art. 15, Rn. 29). Dies liefe aber Sinn und Zweck des Art. 15 Abs. 1 DSGVO zuwider, durch einen Überblick über die aktuell verarbeiteten Daten eine Grundlage für eine Rechtmäßigkeitskontrolle und Transparenz im Sinne einer Informationsgrundlage für einen etwaigen Löschungsanspruch zu schaffen (vgl. Erwägungsgrund 63 der Datenschutz-Grundverordnung). Soweit gegen diese Auslegung vorgebracht wird, dass Auskunft über die Daten vom Zeitpunkt des Auskunftsverlangens bis zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung zu erteilen ist, damit der Verantwortliche sich seiner Auskunftspflicht nicht durch Löschen der Daten oder Säumnis entziehen kann (Bäcker, in: Kühling/Buchner, DS-GVO/BDSG, 3. Aufl. 2020, Art. 15, Rn. 9; dagegen Bienemann, in: Sydow/Marsch, DS-GVO/BDSG, 3. Aufl. 2022 Art. 15 DSGVO, Rn. 29), so überzeugt dies nicht. Denn soweit die Daten zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nach wie vor gespeichert sind, verarbeitet der Verantwortliche die Daten noch, so dass Auskunft zu erteilen ist. Hat der Verantwortliche jedoch Daten nach dem Auskunftsverlangen (unwiederbringlich) gelöscht, so sind diese nicht mehr vorhanden; eine Auskunft ist dann (tatsächlich) nicht mehr möglich. Ein weitergehendes schützenswertes und tatsächlich umsetzbares Informationsinteresse bestünde höchstens insoweit, ob in der Zwischenzeit Daten anders als durch Speichern oder Löschen, nämlich durch Weitergabe an Dritte, verarbeitet wurden. Diesem Informationsinteresse wird aber durch den Anspruch nach Art. 15 Abs. 1 lit. c) DSGVO (Auskunftsanspruch hinsichtlich der Empfänger der Daten) genügt. Auch die Systematik spricht dafür, dass der Auskunftsanspruch auf die derzeit verarbeiteten Daten begrenzt ist: Art. 15 Abs. 1 lit. c) DSGVO gibt einen Anspruch auf Information darüber, wem die personenbezogenen Daten „offengelegt worden sind“. Indem die Datenschutz-Grundverordnung hier ausdrücklich unterschiedliche Zeitformen verwendet und nur hinsichtlich der Datenempfänger einen Anspruch in die Vergangenheit normiert, wird e contrario deutlich, dass der allgemeine Auskunftsanspruch nach Abs. 1 nur hinsichtlich der aktuellen Verarbeitung zu verstehen ist…“

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