OLG Frankfurt a.M.:Zeitablauf einer zeitlich befristeten einstweiligen Verfügung

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Zeitablauf einer zeitlich befristeten einstweiligen Verfügung – Zugegeben, ein seltener Fall, aber dennoch möglich. Das OLG Frankfurt a.M.. hat in seinem Urteil vom 18. August 2022 (Az.: 6 U 56/22) entschieden, dass der reine Zeitablauf der einstweiligen Verfügung nicht zu Erledigung, einem Wegfall der Dringlichkeit, des Rechtsschutzbedürfnisses oder der Wiederholungsgefahr, führt.

Hintergrund war eine einstweilige Verfügung, die vor einem bestimmten Datum den Vertrieb eines Medikamentes mit einem Unterlassungsanspruch versehen hatte. Im Berufungsverfahren wurde die Aufhebung der einstweiligen Verfügung beantragt.

Zeitablauf einer zeitlich befristeten einstweiligen Verfügung – Ansicht des Gerichts

Das Gericht führt in den Entscheidungsgründen unter anderem aus:

„…Durch Zeitablauf ist hinsichtlich der von vorneherein bis zum 18.2.2022 befristeten einstweiligen Verfügung keine Erledigung eingetreten.

Die Berechtigung der Streithelferin zum Vertrieb des Produktes ab 18.2.2022 stellt kein erledigendes Ereignis dar, da die Wirkung der einstweiligen Verfügung von vorneherein bis zum 18.2.22 beschränkt war und das mutmaßlich erledigende Ereignis erst eingetreten ist, nachdem die Wirkung der einstweiligen Verfügung entfallen war. Der Zeitablauf bei einem Unterlassungstitel, der von vornherein befristet war, oder dem nach den Umständen nur in einem bestimmten Zeitraum zuwidergehandelt werden konnte, stellt kein erledigendes Ereignis dar (BGH NJW 2004, 506, 508; vgl. Stein/Jonas/Brehm, § 890 Rn 30; Pastor/Ahrens/Ulrich, Kap. 37 Rdn 20f.; Melullis, Rn 958)…

Durch den Zeitablauf ist auch nicht das Rechtsschutzinteresse der Antragstellerin entfallen. Grundsätzlich kann zwar auch das Rechtsschutzinteresse in Frage stehen, wenn sich der angefochtene Beschluss durch Zeitablauf vollständig erledigt hat (vgl. BGH GRUR 2004, 264 – Euro-Einführungsrabatt; BGH NZM 2017, 473, Rn 5 zum Zwangsvollstreckungsrecht). Allerdings wirkt die einstweilige Verfügung insoweit noch nach, als sie für den Zeitraum bis 18.2. eine Grundlage für Zwangsvollstreckungsmaßnahmen der Antragstellerin bilden kann. Es wären also noch Ordnungsmittelverfahren wegen Verstößen gegen die einstweilige Verfügung möglich. Insofern wird man ein Rechtsschutzinteresse zu bejahen haben. Dem steht auch nicht entgegen, dass die Antragstellerin erklärt hat, es seien keine Verstöße festgestellt worden und man werde keine Zwangsvollstreckung mehr betreiben. Jedenfalls solange der Titel weiter fortbesteht und die Antragstellerin keine über die bloße Ankündigung hinauswirkende Maßnahmen ergriffen hat, die eine Zwangsvollstreckung sicher ausschließen, ist ein Rechtsschutzinteresse der Antragstellerin weiterhin zu bejahen…

Durch den Zeitablauf ist auch nicht die Dringlichkeit entfallen. Das Erfordernis der Dringlichkeit steht der Aufrechterhaltung einer Unterlassungsverfügung für einen bereits abgelaufenen Zeitraum nicht entgegen. Für die Beurteilung des für die Zeit bis zum Eintritt des erledigenden Ereignisses noch anhängigen Verfügungsantrags kommt es vielmehr nach dem Sicherungszweck des Verfügungsverfahrens allein darauf an, ob die Dringlichkeit für die Sicherung des materiell-rechtlichen Anspruchs in diesem Zeitraum gegeben war (BGH NJW 2004, 506, 509 – Euro-Einführungsrabatt)….

Schließlich ist durch den Zeitablauf auch nicht die Vermutung der Wiederholungsgefahr entfallen. Generell gilt, dass eine nur tatsächliche Veränderung der Verhältnisse die Wiederholungsgefahr nicht berührt, solange nicht auch jede Wahrscheinlichkeit für eine Aufnahme des unzulässigen Verhaltens durch den Verletzer beseitigt ist; sie entfällt nicht schon dann, wenn ein Wiedereintreten völlig gleichgearteter Umstände nicht zu erwarten ist (BGH GRUR 1961, 288, 290 – Zahnbürsten; BGH GRUR 1988, 38, 39 – Leichenaufbewahrung). Die Beendigung eines rechtswidrigen Zustandes allein (z.B. Ablauf befristeter Verkaufsförderungsmaßnahme) lässt die Wiederholungsgefahr unberührt, weil sie allein keine Gewähr dafür bietet, dass der Schuldner nicht erneut eine gleichartige Rechts- oder Wettbewerbsverletzung begehen wird (MüKoUWG/Fritzsche, 3. Aufl. 2022, UWG § 8 Rn 94; BGH GRUR 1999, 152 – Spielbankaffaire (zum Urheberrecht); OLG Hamm BeckRS 2011, 18366 (aE)…“