LAG Rheinland-Pfalz: Pflichtverletzung aus Arbeitsvertrag wegen unberechtigter Datenweitergabe an Dritte ist ungleich Pflichtverletzung der Anmeldung mit privatem Google-Konto; Daher muss vor Kündigung des Arbeitsverhältnisses weitere Abmahnung erfolgen

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Es fehlt nach Ansicht des Gerichts an der gleichartigen Pflichtverletzung. Dies war ein Streitpunkt in dem Gerichtsverfahren, dass durch das Gericht mit Urteil vom 18. Dezember 2024 (Az.: 3 SLa 183/24) zu Lasten des beklagten Arbeitgebers entschieden wurde. Dieser hatte eine außerordentliche Kündigung ausgesprochen und diese unter anderem damit begründet, dass sich die Klägerin auf dem dienstlich genutzten Endgerät mit ihrem privaten Google-Konto angemeldet habe. Dazu hatte der beklagte Arbeitgeber gegenüber allen Mitarbeitenden mit einem Anfang September 2023 übermittelten Schreiben folgendes erklärt:

„Private E-Mails dürfen weder mit dem E. E-Mail-Konto, noch in privat eingeloggten Konten am Firmencomputer abgerufen werden. Sonstige, private Konten dürfen am E.-Computer auch nicht benutzt werden.“

Dies galt in Ergänzung zu den Regelungen im Arbeitsvertrag, wonach folgendes geregelt war:

„Nutzung von digitalen Endgeräten

Auf dem Arbeitsplatz ist das Nutzen von digitalen Endgeräten (wie z.B. dem Smartphone) zu privaten Zwecken nicht gestattet. Diese Unterlassung gilt nicht für notbedingte Familienangelegenheiten und Pausenzeiten.

Sofern Sie gegen dieses Verbot verstoßen sollten, behält sich der Arbeitgeber arbeitsrechtliche Konsequenzen, ggf. den Ausspruch einer ordentlichen oder auch außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund vor.“

Das Gericht sah die ausgesprochen außerordentliche Kündigung bezogen auf einen Vorfall als unbegründet an und führt in den Entscheidungsgründen unter anderem aus:

„…Die mit Schreiben der Beklagten vom 29. März 2023 gegenüber der Klägerin ausgesprochene Abmahnung ist auch nicht wegen gleichartiger Pflichtverletzungen erfolgt.

Eine Abmahnung wegen gleichartiger Pflichtverletzungen setzt nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. BAG, 9. Juni 2011 – 2 AZR 323/10 – Rn. 31) keine Identität der Pflichtverletzungen voraus. Vielmehr reicht es aus, dass die jeweiligen Pflichtwidrigkeiten aus demselben Bereich stammen und somit Abmahnungs- und Kündigungsgründe in einem inneren Zusammenhang stehen. Entscheidend ist letztlich, ob die Arbeitnehmerin aufgrund der Abmahnung erkennen konnte, die Arbeitgeberin werde weiteres Fehlverhalten nicht hinnehmen, sondern gegebenenfalls mit einer Kündigung reagieren.

Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben ist die mit Schreiben der Beklagten vom 29. März 2023 gegenüber der Klägerin ausgesprochene Abmahnung nicht wegen gleichartiger Pflichtverletzungen erfolgt. Die Beklagte hat die vorgenannte Abmahnung darauf gestützt, dass die Klägerin am 13. März 2023 im Rahmen ihrer Tätigkeit – nicht näher bezeichnete – sensible Informationen eines – nicht näher bezeichneten – Kunden per E-Mail an einen – nicht näher bezeichneten – Dritten übermittelt hat. Aus der Abmahnung hat die Klägerin somit allenfalls schließen können, dass sie bei einer erneuten fehlerhaften Weitergabe von Daten an unberechtigte Dritte mit den im Schreiben vom 29. März 2023 angekündigten Konsequenzen bis hin zur fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechnen muss, aber nicht, dass sie auch dann, wenn sie auf dem ihr zur Verfügung gestellten Computer der Beklagten private Dateien speichert und sich mit privaten Google-E-Mail-Konten anmeldet und sich hierdurch – was auch die Beklagte nur und auch lediglich in Bezug auf die Anmeldung mit privaten Google-E-Mail-Konten vermutet – gegebenenfalls Dritte Zugang zu Daten der Beklagten verschaffen können, mit den genannten Konsequenzen rechnen muss….

Eine Abmahnung wäre auch nicht aufgrund der Schwere der Pflichtverletzung ausgeschlossen. Umstände, die die Annahme rechtfertigen, dass der Beklagten die Hinnahme der Speicherung der Dateien bzw. die Anmeldung mit vier privaten Google-E-Mail-Konten in einem Zeitraum von fast einem Jahr nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich – auch für die Klägerin erkennbar – ausgeschlossen ist, sind auch unter der Annahme, dass das der Klägerin ausgehändigte, an alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gerichtete Schreiben der Beklagten (vgl. Blatt 91 der erstinstanzlichen Akte) Bestandteil des zwischen den Parteien geschlossenen Arbeitsverhältnisses geworden ist, nicht gegeben. Die Beklagte räumt in ihrem Schriftsatz vom 16. September 2024, soweit sie sich auf mit der Anmeldung mit privaten Google-E-Mail-Konten drohende Gefahren für die Sicherheit ihrer Daten beruft, selbst ein, dass sie diese Gefahren lediglich vermutet, und hat auf solche Gefahren auch in ihrem an die Klägerin ausgehändigten, an alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gerichteten Schreiben (vgl. Blatt 91 der erstinstanzlichen Akte) nicht hingewiesen, sondern die Einschränkungen in dem vorgenannten Schreiben lediglich mit dem Wunsch nach einer weiteren Steigerung der Produktivität begründet. Im Übrigen ist auch weder vorgetragen noch ersichtlich und darüber hinaus entgegen § 17 Abs. 2 Satz 2 MuSchG (vgl. zur Reichweite des Schriftformerfordernisses des § 17 Abs. 2 Satz 2 MuSchG Gallner/Mestwerdt/Nägele, Kündigungsschutzrecht, § 17 MuSchG, Rn. 38 mwN) auch im Kündigungsschreiben nicht angegeben, dass die Klägerin aufgrund der privaten Nutzung des von der Beklagten zur Verfügung gestellten Computers ihrer Verpflichtung zur Erbringung der Arbeitsleistung in einem erheblichen Umfang nicht nachgekommen wäre…“