OLG Düsseldorf:Schutzfähigkeit von technischen Regelwerken über das Urheberrecht

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Schutzfähigkeit von technischen Regelwerken über das Urheberrecht – Obwohl im Streitfall nicht entscheidungserheblich, hat sich das OLG Düsseldorf in seinem Urteil vom 2. Juni 2022 (Az.: 20 U 293/20) umfangreicht mit den grundsätzlichen Voraussetzungen der Schutzfähigkeit von technischen Regelwerken, im Streitfall waren „technische Bestimmungen“ im Automobilsport zu bewerten, beschäftigt

Schutzfähigkeit von technischen Regelwerken über das Urheberrecht – Grundsätzliche Erwägungen des Gerichts

Das Gericht stellt in den Entscheidungsgründen des Urteils folgende Erwägungen an:

„…Für wissenschaftliche Schriftwerke kommt ein Schriftwerkschutz nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG in Betracht, wenn das Werk die nach § 2 Abs. 2 UrhG notwendige persönliche geistige Schöpfung erkennen lässt. Die persönliche geistige Schöpfung muss bei wissenschaftlichen Schriftwerken ebenso wie bei Darstellungen wissenschaftlicher und technischer Art nach § 2 Abs. 1 Nr. 7 UrhG in der individuellen Darstellung selbst, also in der Formgestaltung zum Ausdruck kommen. Dagegen kommt es nicht auf den schöpferischen Gehalt des wissenschaftlichen oder technischen Inhalts der Darstellung an (BGH GRUR 1984, 659 – Ausschreibungsunterlagen; BGH GRUR 1981, 352, 353 – Staatsexamensarbeit). Das folgt aus dem Wesen des Urheberrechtsschutzes und seiner Abgrenzung gegenüber den technischen Schutzrechten (OLG Köln, GRUR 2000, 1022 – Technische Regelwerke). Bei einem urheberrechtlichen Schutz der technischen Lehre würde in das bestehende Ordnungssystem der technischen Schutzrechte mit ihren anders gearteten formellen und materiellen Schutzvoraussetzungen und ihrer wesentlich kürzeren Schutzdauer eingegriffen werden. Das technische Gedankengut eines Werkes – die technische Lehre als solche – kann daher nicht Gegenstand des Urheberrechtsschutzes sein und folglich auch nicht zur Begründung der Schutzfähigkeit von Schriftwerken, die die technische Lehre enthalten, herangezogen werden. Auch der im fraglichen wissenschaftlichen Fachbereich üblichen Ausdrucksweise fehlt grundsätzlich eine urheberrechtsfähige eigenschöpferische Prägung (OLG Köln, aaO). Dasselbe gilt für einen Aufbau und eine Darstellungsart, die aus wissenschaftlichen Gründen geboten oder in Frage des behandelten Gebiets weitgehend üblich sind und deren Anwendung deshalb nicht als eigentümliche geistige Leistung angesehen werden kann (BGH GRUR 1984, 659 – Ausschreibungsunterlagen). Die Urheberrechtsschutzfähigkeit solcher Schriftwerke kann ihre Grundlage deshalb allein in der – notwendig schöpferischen – Form der Darstellung finden. Solche Schriftwerke sind deshalb schutzfähig bei einer eigenschöpferischen Gedankenformung und –führung des dargestellten Inhalts und/oder der besonders geistvollen Form und Art der Sammlung, Einteilung und Anordnung des dargebotenen Stoffs (BGH aaO). Dabei hat der Bundesgerichtshof darauf abgestellt, dass demjenigen, der ein – inhaltlich vorgegebenes – komplexes technisches Regelwerk in Worte fasst, für die Konzeption und Ausführung der sprachlichen Darstellung ein nicht unerheblicher gestalterischer Spielraum verbleibe.

Bei der sprachlichen und zeichnerischen Darstellung eines technischen Regelwerks kann die urheberrechtlich geschützte Leistung in erster Linie in der Art der Sammlung, Auswahl, Einteilung und Anordnung des Stoffs liegen. Solche Regelwerke können sich darüber hinaus dadurch auszeichnen, dass sie technische Vorgaben nicht nur als solche wiedergeben, sondern im Einzelnen verständlich beschreiben; es können daher auch Ausdrucksvermögen und Klarheit der sprachlichen Form ins Gewicht fallen (BGH GRUR 2002, 958 – Technische Lieferbedingungen). Sie sind in dieser auf eine verständlich sprachliche Umsetzung gerichteten Leistung am ehesten mit Betriebsanleitungen vergleichbar, bei denen es ebenfalls darum geht, ein – häufig komplexes – technisches Regelwerk nicht nur in übersichtlicher Auswahl und Anordnung, sondern vor allem in gut verständlicher, klarer Sprache auszudrücken (BGH aaO). Insofern unterscheiden sich diese Regelwerke grundlegend von bloßen Verzeichnissen, bei denen die darin enthaltenen Angaben – urheberrechtlich betrachtet – Gemeingut sind und die individuell schöpferische Leistung lediglich in der Auswahl und Ordnung des Stoffs liegen kann (vgl. BGH GRUR 1987, 704 – Warenzeichenlexika) oder von Ausschreibungsunterlagen, die sich häufig darin erschöpfen, die – dem Urheberrechtsschutz unzugänglichen – technischen Vorgaben aufzulisten, ohne sie verbal zu umschreiben (vgl. BGH GRUR 1984, 659 – Ausschreibungsunterlagen).

Auch nach der Rechtsprechung des EuGH (GRUR 2019, 934 – Afghanistan-Papiere) setzt der Werkcharakter eines Schriftstücks voraus, dass sich eine Originalität aus der Auswahl, der Anordnung und der Kombination der Wörter ergibt, mit denen der Urheber seinen schöpferischen Geist in origineller Weise zum Ausdruck gebracht hat und zu einem Ergebnis gelangt ist, das eine geistige Schöpfung darstellt. Die alleinigen geistigen Anstrengungen und die Sachkenntnis, die für die Ausarbeitung aufgewandt wurden, sind dabei unerheblich. Der Generalanwalt hat in seiner Stellungnahme (ECLI:EU:C:2018:870 Rn. 14 ff.) dazu ausgeführt, das Urheberrecht schütze allein die Art, in der Ideen in einem Werk zum Ausdruck kämen, nicht jedoch die Idee als solche. Das Kriterium der Originalität sei nicht erfüllt, wenn der Ausdruck der Bestandteil des betreffenden Objekts durch ihre technische Funktion vorgegeben sei (vgl. auch Urteil des OLG Düsseldorf v. 19. März 2020, Az. I-20 U 41/19).

Da die in Rede stehenden “Technischen Bestimmungen“ grundsätzlich auch auf andere Weise hätten gegliedert und dargestellt werden können, kann den Automobilsport-Reglements des Klägers grundsätzlich Schutz nach § 2 Abs. 1 Nr. 7 UrhG zustehen, weil der Kläger mit der Berufungsbegründung – zumindest pauschal – vorgetragen hat, dass es nicht nur um technische Ergänzungen und Erläuterungen gehe, sondern auch darum, komplexe technische Vorgänge sprachlich zu erfassen und zu erläutern…“