OLG Karlsruhe: Dringlichkeitsvermutung des § 12 I UWG im einstweiligen Verfügungsverfahren widerlegt,wenn Antragsteller keine selbstständige Berufung,sondern nur eine Anschlussberufung einlegt, wenn Antrag auf Erlass teilweise zurückgewiesen wurde

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So unter anderem das Gericht in seinem Urteil vom 25. September 2024 (Az.: 6 U 25/24) in einem einstweiligen Verfügungsverfahren, in dem verschiedene Ansprüche aufgrund unzulässiger geschäftlicher Handlungen nach dem UWG geltend gemacht wurde. In der ersten Instanz hatte das Landgericht den Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung zurückgewiesen. Dagegen hatte der Mitbewerber keine selbstständige Berufung eingelegt, sondern lediglich eine Anschlussberufung als Reaktion auf die Berufung des in Anspruch genommenen Mitbewerbers. Das Gericht führt in den Entscheidungsgründen unter anderem aus:

„…Ein Zögern, das die Dringlichkeit widerlegt, liegt insbesondere regelmäßig darin, dass der Gläubiger lediglich Anschlussberufung gegen eine Abweisung seines Antrags einlegt.

Dies entspricht in Rechtsprechung und Literatur nahezu einhelliger und zutreffender Auffassung (OLG München, Urteil vom 13. Januar 2005 – 29 U 4223/04, juris Rn. 36; OLGR Jena 2009, 174; OLG Frankfurt, Urteil vom 17. Januar 2012 – 6 U 159/11, juris Rn. 35 f; OLG Brandenburg, GRUR-RR 2023, 262, 267; Köhler/Feddersen in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 42. Aufl., § 12 Rn. 2.16; MünchKommUWG/Schlingloff, 3. Aufl. § 12 Rn. 89; Sosnitza in Ohly/Sosnitza, UWG, 8. Aufl., § 12 Rn. 82; MünchKommZPO/Drescher, 6. Aufl., § 935 Rn. 22, Voß in Cepl/Voß, Prozesskommentar Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht, 3. Aufl., ZPO § 940 Rn. 94 mwN; BeckOK-ZPO/Mayer, Stand Juli 2024, § 935 Rn. 20; jurisPK-UWG/Spoenle, 5. Aufl., § 12 Rn. 20; Berneke/Schüttpelz, Einstweilige Verfügung in Wettbewerbssachen, 4. Aufl., Rn. 209 mwN; Frank, GRUR-RR 2023, 267, 269). Legt der Gläubiger gegen die seinen Antrag zurückweisende Entscheidung nicht innerhalb der dafür vorgesehenen Frist Berufung ein, begibt er sich selbst unter Berücksichtigung der Möglichkeit einer Anschließung wegen deren Abhängigkeit von der Aufrechterhaltung der Berufung (§ 524 Abs. 4 ZPO) mit seiner Rechtsverfolgung in die Hände des Schuldners. Damit gibt er zu erkennen, dass er sogar zur endgültigen Hinnahme der Abweisung des Antrags bereit gewesen ist. Bei einer Anschließung erst nach Ablauf der (hypothetischen) Berufungsbegründungsfrist kommt hinzu, dass der Gläubiger zudem in Kauf nimmt, dass er damit selbst für den Fall, dass es zu einer stattgebenden Entscheidung über die Anschließung kommt, die Erwirkung der begehrten Verfügung weiter hinauszögert, als es bei fristgemäßer Berufungseinlegung gegen die Teilzurückweisung des Antrags zu erwarten gewesen wäre. Beides lässt – selbst wenn der Gläubiger beim Verstreichenlassen seiner Berufungsfrist Kenntnis von der gegnerischen Berufung und dementsprechend der Möglichkeit einer späteren Anschließung hatte – darauf schließen, dass er kein Interesse mehr an einer dringlichen Durchsetzung des damit geltend gemachten Rechts hatte.

Die vereinzelt gebliebene Gegenauffassung (Schwippert in Teplitzky/Peifer/Leistner, UWG, 3. Aufl., § 12 Rn. 105) ist um Waffengleichheit im Prozess bestrebt. Dabei beachtet sie nicht hinreichend, dass mit der Verneinung der Dringlichkeit nicht die Zulässigkeit der Anschlussberufung verneint wird, sondern aus dem prozessrechtlich zulässigen Verhalten des Gläubigers lediglich der in tatsächlicher Hinsicht gerechtfertigte Schluss gezogen wird, dass das nicht im Rechtsmittelrecht, sondern schon im Prozessrecht des einstweiligen Rechtsschutzes nach §§ 916 ff ZPO angelegte Erfordernis des Verfügungsgrunds verfehlt wird. Das vermeintliche Ungleichgewicht im Rahmen der Erfolgsaussichten von Anschlussrechtmitteln des Gläubigers einerseits und des Schuldners andererseits hat seine Ursache allein in dieser sachlich begründeten Anforderung an den Erlass einer einstweiligen Verfügung. Ein tatsächlich zögerliches Verhalten des Gläubigers kann nicht mit dem Ziel unbeachtet bleiben, ihm aus Gründen der Chancengleichheit eine erfolgversprechende Anschließung zu ermöglichen. Ebenso wenig kann die Beurteilung der Dringlichkeit an dem Ziel ausgerichtet werden, zudem die Kompromissbereitschaft des Gläubigers zu fördern, indem ihm gewährleistet würde, ohne Beeinträchtigung seiner eigenen Rechtsposition zunächst die Entscheidung des Schuldners über eine Berufungseinlegung abzuwarten…“