LG Nürnberg-Fürth: Werbung mit Angabe zur angestrebten Klimaneutralität durch Unternehmen irreführend, wenn nicht klar auch auf externe Kompensationsmittel gesetzt wird

Veröffentlicht von

So unter anderem das Gericht in seinem Endurteil vom 25.März 2025, Az.: 3 HK O 6524/24, in einem Rechtsstreit von einem klagefähigen Verbraucherverband mit einem Unternehmen, dass unter anderem Sportbekleidung und Sportartikel herstellt. Diese hatte unter anderem auf der Internetseite mit der Angabe „Bis zum Jahr 2050 werden wir klimaneutral sein: XYZ verpflichtet sich zu einer Reihe ehrgeiziger Ziele, die den Weg zu Klimaneutralität entlang unserer gesamten Wertschöpfungskette 2050 ebnen werden.“,

Das Gericht sah eine Irreführung nach § 5 UWG und führt unter anderem in den Entscheidungsgründen aus:

„… Die Angabe, dass die Beklagte (oder deren Produkte) bis zum Jahr 2050 klimaneutral sein werden, weckt bei den angesprochenen Verkehrskreisen den unrichtigen Eindruck hervor, dass die Beklagte dieses Ziel allein mit Emissionseinsparungen erreichen und keine CO2-Kompensationsmaßnahmen (z.B. den Erwerb von CO2-Zertifikaten) einsetzen wird…

Nach der Rechtsprechung des BGH gelten für die Werbung mit Umweltschutzbegriffen und -zeichen strenge Anforderungen an die Richtigkeit, Eindeutigkeit und Klarheit der Werbeaussage. Insbesondere auf Grund der großen Bedeutung der Umweltfreundlichkeit für die geschäftlichen Entscheidungen des Verbrauchers sowie der Unklarheit der verwandten Begriffe besteht bei der Werbung mit Umweltschutzbegriffen eine erhöhte Irreführungsgefahr und ein erhöhtes Aufklärungsbedürfnis des Verbrauchers. An die zur Vermeidung einer Irreführung erforderlichen aufklärenden Hinweise sind daher grundsätzlich strenge Anforderungen zu stellen, die sich im Einzelfall nach der Art des Produkts und dem Grad und Ausmaß seiner „Umweltfreundlichkeit“ bestimmen. Fehlen die danach gebotenen aufklärenden Hinweise in der Werbung oder sind sie nicht deutlich sichtbar herausgestellt, besteht in besonders hohem Maße die Gefahr, dass bei den angesprochenen Verkehrskreisen irrige Vorstellungen über die Beschaffenheit der angebotenen Ware hervorgerufen werden und sie dadurch in ihrer Kaufentscheidung beeinflusst werden (BGH GRUR 2024, 1122 Rn. 24 ff. – klimaneutral m.w.N.)

Hinsichtlich des Begriffs „klimaneutral“ ist zu berücksichtigen, dass dieser regelmäßig verschiedene Bedeutung haben kann. Er umfasst (zumindest) sowohl die Vermeidung von CO2-Emissionen als auch die Kompensation von CO2-Emissionen durch andere Maßnahmen (z.B. den Erwerb von Umweltzertifikaten) (vgl. BGH GRUR 2024, 1122 Rn. 28 – klimaneutral). Diese Maßnahmen sind nicht gleichrangig für das Erreichen von Klimaneutralität, sondern die Vermeidung von CO2-Emissionen gebührt im Vergleich zur CO2-Kompensation der Vorrang (BGH GRUR 2024, 1122 Rn. 29, 33 – klimaneutral) und ist insofern nach dem Verständnis der Verbraucher höherwertig…

Der Begriff „klimaneutral“ ist mehrdeutig und kann in dem Sinne verstanden werden, dass die Klimaneutralität durch Vermeidung eigener Emissionen erreicht wird (s.o.). Auf Grund der Umweltschutzbezogenheit des Begriffs „klimaneutral“ hat der Verbraucher ein gesteigertes Aufklärungsbedürfnis über Bedeutung und Inhalt dieses Begriffs und es sind an die zur Vermeidung einer Irreführung erforderlichen aufklärenden Hinweise strenge Anforderungen zu stellen (s.o.). Die Beklagte hat in der angegriffenen Äußerung nicht unmittelbar klargestellt, dass sie die Klimaneutralität auch mittels CO2-Kompensationsmaßnahmen, d.h. insbesondere dem Erwerb von Grünstromzertifikaten erreichen will. Deswegen hat sie den strengen Anforderungen an die Aufklärungspflicht nicht hinreichend Rechnung getragen und die Werbeaussage ist in dem vorgenannten Sinne zu verstehen…“

Auch eine weitergehende Darstellung auf der Internetseite in Form eines „Ausklappmenüs“ verhalf dem beklagten Unternehmen nicht weiter. Das Gericht führt dazu in den Entscheidungsgründen unter anderem aus:

„…Eine andere Beurteilung ist nicht auf Grund der Informationen in den Ausklappmenüs, die in unmittelbarer räumlichen Nähe zu der beanstandeten Äußerung vorgehalten werden, veranlasst.

Die Beklagte hat in diesen Ausklappmenüs keine ausdrücklichen Angaben dazu gemacht ob sie CO2-Kompensationsmaßnahmen einsetzen wird.

Im Übrigen lassen die in den Ausklappmenüs vorgehaltenen Informationen auch nicht den Schluss zu, dass die Beklagte zur Erreichen der Klimaneutralität im Jahr 2050 keine Kompensationsmaßnahmen einsetzen wird. Zwar werden in dem Ausklappmenü einzelne Maßnahmen und Teilziele zur Emissionsreduzierung für den Zeitraum bis zum Jahr 2025 und teilweise 2030 genannt. Es ist aber für einen verständigen Verbraucher nicht mit hinreichender Deutlichkeit ersichtlich, dass diese Ziele und Maßnahmen ausreichen würden, um eine Klimaneutralität zu erreichen. Vielmehr erweckt der Umstand, dass die Beklagte das Ziel der Klimaneutralität „erst“ für das Jahr 2050 auslobt, den Eindruck, dass diese Klimaneutralität weder im Jahr 2025 noch im Jahr 2030 erreicht sein wird. Da die Beklagte für den Zeitraum zwischen den Jahren 2030 und 2050 keine weiteren Maßnahmen oder Teilziele benennt, kommt es somit nicht auf den Umstand an, dass die bis zum Jahr 2025 ergriffenen Maßnahmen später fortwirken, sodass diese Auswirkungen dieser Maßnahmen einen positiven – wenn gleich nicht allein ausreichenden – Effekt für das Erreichen von Klimaneutralität haben…“

Hinweis des Autors:

Dem Autor ist zum Zeitpunkt der Erstellung des Beitrages nicht bekannt, ob gegen die Entscheidung Berufung eingelegt worden ist.