So das Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung vom 13. September 2022 (Az.: 1 ABR 22/21), dessen Entscheidungsgründen nunmehr am 3. Dezember 2022 veröffentlicht wurden. Das Gericht verneint das Initiativrecht auf Einführung, da eine gesetzliche Pflicht (unionsrechtskonforme Auslegung von § 3 II Nr. 1 ArbSchG) zur Arbeitszeiterfassung besteht. Allerdings sieht das Gericht Spielraum für die Tätigkeit des Betriebsrates, nämlich bei der Ausgestaltung der Nutzung des Zeiterfassungssystems. Dazu führt das Gericht in den Entscheidungsgründen unter anderem aus:
„…Nach den Vorgaben des Gerichtshofs der Europäischen Union ist zum Schutz der Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer ein „objektives, verlässliches und zugängliches“ System einzuführen, mit dem die von den Arbeitnehmern geleistete tägliche Arbeitszeit gemessen werden kann (EuGH 14. Mai 2019 – C-55/18 – [CCOO] Rn. 38 ff., 60 ff.). Dabei besteht – solange vom Gesetzgeber (noch) keine konkretisierenden Regelungen getroffen wurden – ein Spielraum, in dessen Rahmen ua. die „Form“ dieses Systems festzulegen ist (EuGH 14. Mai 2019 – C-55/18 – [CCOO] Rn. 63). Bei ihrer Auswahl sind vor allem die Besonderheiten der jeweils betroffenen Tätigkeitsbereiche der Arbeitnehmer und die Eigenheiten des Unternehmens – insbesondere seine Größe – zu berücksichtigen. Wie der Verweis des Gerichtshofs auf die Schlussanträge des Generalanwalts erkennen lässt (EuGH 14. Mai 2019 – C-55/18 – [CCOO] Rn. 63; Schlussanträge des Generalanwalts Pitruzzella vom 31. Januar 2019 – C-55/18 – [CCOO] Rn. 87), muss die Arbeitszeiterfassung nicht ausnahmslos und zwingend elektronisch erfolgen. Vielmehr können beispielsweise – je nach Tätigkeit und Unternehmen – Aufzeichnungen in Papierform genügen. Zudem ist es, auch wenn die Einrichtung und das Vorhalten eines solchen Systems dem Arbeitgeber obliegt, nach den unionsrechtlichen Maßgaben nicht ausgeschlossen, die Aufzeichnung der betreffenden Zeiten als solche an die Arbeitnehmer zu delegieren (vgl. auch Bayreuther NZA 2020, 1, 6 f.; ders. Rechtsgutachten im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales in Nachfolge des EuGH-Urteils vom 14. Mai 2019 [C-55/18] S. 38 ff.; Rieble/Vielmeier Gutachten zur Umsetzung des EuGH-Urteils vom 14. Mai 2019 [C-55/18] in das deutsche Arbeitszeitrecht Rn. 26 ff., 66 ff.; Thüsing/Flink/Jänsch ZFA 2019, 456, 471 ff.; Höpfner/Daum RdA 2019, 270, 277 f.; Schrader NZA 2019, 1035, 1037). Bei der Auswahl und der näheren Ausgestaltung des jeweiligen Arbeitszeiterfassungssystems ist jedoch zu beachten, dass die Verbesserung von Sicherheit und Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer bei der Arbeit Zielsetzungen darstellen, die keinen rein wirtschaftlichen Überlegungen untergeordnet werden dürfen (vierter Erwägungsgrund der Richtlinie 2003/88/EG; EuGH 14. Mai 2019 – C-55/18 – [CCOO] Rn. 66 mwN)….Solange (und soweit) der Gesetzgeber den ihm zustehenden Spielraum bei der Ausgestaltung der unionsrechtlichen Arbeitszeiterfassungspflicht (vgl. auch Bayreuther NZA 2020, 1, 3; Baeck/Winzer/Launer NZG 2019, 858, 859 f.) nicht ausgeübt hat, können die Betriebsparteien und – im Fall ihrer fehlenden Einigung – die Einigungsstelle nach Maßgabe des § 87 Abs. 2 BetrVG entsprechende Regelungen treffen. Ihnen kommt insbesondere ein Gestaltungsspielraum dahingehend zu, in welcher Art und Weise – ggf. differenziert nach der Art der von den Arbeitnehmern ausgeübten Tätigkeiten – die Erfassung von Beginn und Ende der Arbeitszeit im Betrieb zu erfolgen hat…“