Anwendung von UWG-Vorschriften bei Verstößen gegen PKW-EnVKV – Dem BGH folgend, wendet das OLG Frankfurt a.M., dass zuvor diese Ansicht schon vertreten hatte, bei Unterlassungsansprüchen wegen Verstößen gegen die Informationspflichten der PKW-EnVKV nur noch § 5a II 1, IV UWG anstatt § 3a UWG an. So in dem Urteil vom 9. Juni 2022 (Az: 6 U 102/21) im Rahmen eines Rechtsstreits.
Anwendung von UWG-Vorschriften bei Verstößen gegen PKW-EnVKV – Ansicht des Gerichts
Das Gericht begründet dies wie folgt in den Entscheidungsgründen:
„…Ein Verstoß gegen unionsrechtliche Informationspflichten in Bezug auf kommerzielle Kommunikation konnte nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs grundsätzlich sowohl nach § 5a Abs. 2 1 und Abs. 4 UWG als auch nach § 3a UWG verfolgt werden, ohne dass ein Konkurrenzverhältnis zwischen den Normen bestand (vgl. BGH GRUR 2014, 576 Rn 15 = WRP 2014, 689 – 2 Flaschen GRATIS). Der Bundesgerichtshof bejahte daher in Fällen der Verletzung einer Informationspflicht in Bezug auf kommerzielle Kommunikation neben oder anstelle einer Unlauterkeit gemäß § 3a UWG auch eine Unlauterkeit nach § 5a Abs. 2 S. 1 und Abs. 4 UWG (vgl. BGH GRUR 2012, 842 Rn 17-25 – Neue Personenkraftwagen I; BGH GRUR 2018, 438 Rn 22-37 – Energieausweis).
In der „Knuspermüsli II“- Entscheidung (GRUR 2022, 930 Rn 22) hat der Bundesgerichtshof diese Position aufgegeben und folgt nunmehr der auch vom Senat vertretenen Auffassung (OLG Frankfurt am Main, GRUR-RR 2017, 62, 63; WRP 2018, 241 243; GRUR-RR 2019, 283, 284 f.), wonach in diesen Fällen die Unlauterkeit vielmehr allein nach § 5a Abs. 2 und Abs. 4 UWG zu beurteilen ist. Durch den ab 28.5.2022 bestehenden individuellen Schadensersatzanspruch von Verbrauchern nach § 9 Abs. 2 S. 2 UWG n.F. würden an eine Verletzung von § 5a Abs. 2 S. 1, Abs. 4 UWG (ab dem 28.5.2022: § 5a Abs. 1 UWG, § 5b Abs. 4 UWG) potenziell weitergehende Rechtsfolgen geknüpft als an eine Verletzung von § 3 a UWG. Anders als nach der bisherigen Rechtslage werde das Schutzniveau nach den beiden Vorschriften bei einer Verletzung einer Informationspflicht in Bezug auf kommerzielle Kommunikation künftig nicht mehr identisch sein, da eine Unlauterkeit nach § 3a UWG keine Schadensersatzpflicht gegenüber Verbrauchern auslöse (vgl. Alexander GRUR 2021, 1445, 1451; Büscher WRP 2022, 132 Rn 16). Ein Widerspruch zu den unionsrechtlichen Vorgaben aus Art. 11 a RL 2005/29/EG werde nur vermieden, wenn allein § 5a Abs. 2 S. 1, Abs. 4 UWG (§ 5a Abs. 1 UWG, § 5b Abs. 4 UWG n.F.) zur Anwendung komme.
Da es sich bei der PKW-EnVKV um eine unionsrechtlich begründete Informationspflicht handelt, ist daher hier § 5a Abs. 2 UWG anwendbar….“
Anwendung von UWG-Vorschriften bei Verstößen gegen PKW-EnVKV – Inhalte der Pkw-EnVKV sind wesentliche Information im Sinne des § 5a II UWG
„…Die Voraussetzungen des in § 5a Abs. 2 UWG geregelten Unlauterkeitsbestands, dass der Verbraucher die ihm vorenthaltene wesentliche Information „je nach den Umständen benötigt, um eine informierte Entscheidung zu treffen“ und „deren Vorenthalten geeignet ist, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte“, stellen nach § 5a Abs. 2 S. 1 Nrn. 1 und 2 UWG zusätzliche Tatbestandsmerkmale dar, die deshalb selbstständig zu prüfen sind (BGH GRUR 2017, 922 Rn 31 – Komplettküchen; BGH GRUR 2018, 1258 Rn 44 YouTube-Werbekanal II).
Der Verbraucher wird eine wesentliche Information schon im Allgemeinen und insbesondere in Fällen, in denen sie wesentliche Merkmale der Ware oder Dienstleistung im Sinnen von § 5a Abs. 3 Nr. 1 UWG betrifft, für eine informierte Kaufentscheidung benötigen (BGH GRUR 2017, 922 Rn 33 – Komplettküchen). Ebenso wird, sofern im konkreten Fall keine besonderen Umstände vorliegen, grundsätzlich davon auszugehen sein, dass das Vorenthalten einer wesentlichen Information, die der Verbraucher nach den Umständen benötigt, um eine informierte Entscheidung zu treffen, geeignet ist, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er bei der geboten gewesenen Information nicht getroffen hätte (BGH GRUR 2017, 922 Rn 34 – Komplettküchen).
So liegt der Streitfall. Der Verbraucher benötigt die Angaben zum offiziellen Kraftstoffverbrauch und den offiziellen CO2-Emissionen, um beim Neuwagenkauf eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen. Genaue, zweckdienliche und vergleichbare Informationen über den spezifischen Kraftstoffverbrauch und die CO2-Emissionen von Personenkraftwagen können die Kaufentscheidung der Verbraucher zugunsten sparsamerer, CO2-reduzierter Fahrzeuge beeinflussen (Erwägungsgrund 5 der RL 1999/94/EG). Das Vorenthalten dieser Informationen ist grundsätzlich geeignet, den Verbraucher zur einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er anderenfalls nicht getroffen hätte (BGH GRUR 2018, 1258 Rn 45, 46 – YouTube-Werbekanal II)….“