Im Streitfall sprach das Gericht mit Urteil vom 10. April 2024 (Az.: 12 Sa 1007/23) einen Betrag in Höhe von 1.000 EUR zu. Die Entscheidung fiel in einem Klageverfahren zu einer nicht erfolgten Einstellung eines Volljuristen bei einer Körperschaft des öffentlichen Rechtes. Zu der Person wurde auch eine Recherche in einer Internetsuchmaschine durchgeführt. Nach einem Auskunftsanspruch nach Art. 15 DSGVO wurden Ansprüche gerichtlich geltend gemacht.
Als Rechtsgrundlage der Erhebung von personenbezogenen Daten nimmt das Gericht Art. 6 I 1 lit. b) DSGVO an. Dazu führt das Gericht in den Entscheidungsgründen unter anderem aus:
„…Das Merkmal der Erforderlichkeit ist gewahrt. Die Anforderung der Erforderlichkeit ist nicht erfüllt, wenn das im allgemeinen Interesse liegende verfolgte Ziel in zumutbarer Weise ebenso wirksam mit anderen Mitteln erreicht werden kann, die weniger stark in die Grundrechte der betroffenen Personen, insbesondere die in den Art. 7 und 8 der Charta verbürgten Rechte auf Achtung des Privatlebens und auf Schutz personenbezogener Daten, eingreifen, wobei sich die Ausnahmen und Einschränkungen hinsichtlich des Grundsatzes des Schutzes solcher Daten auf das absolut Notwendige beschränken müssen (EuGH 22.06.2021 – C-439/19, juris Rn. 110).
Daran gemessen war der Beklagten im konkreten Fall die Google-Recherche nach dem Namen des Klägers im Internet gestattet. Sie war erforderlich. Dies wertet die erkennende Kammer ebenso wie das Arbeitsgericht. Die Zweckbindung des Einstellungsverfahrens in den öffentlichen Dienst ergibt sich aus Art. 33 Abs. 2 GG. Es ist mithin notwendige Aufgabe des öffentlichen Arbeitgebers, die Eignung des Bewerbers festzustellen und zu überprüfen. Die Zweckbindung der Datenerhebung ist damit klar. Ob dies dazu berechtigt, anlasslos einen Bewerber zu „googeln“, bedarf keiner Entscheidung. Hier lag es so, dass einem Mitglied der Auswahlkommission der Name des Klägers bekannt vorkam und dadurch aufgefallen war, dass er nicht nur im Einzelfall Entschädigungsverlangen nach dem AGG geltend gemacht hatte. Wenn dann eine Stelle im Justiziariat bzw. Personaldezernent zu besetzen war, zu deren Aufgabe auch die Mitwirkung in der AGG-Beschwerdestelle gehörte, dann war es bei diesen Anhaltspunkten zur Überzeugung der Kammer im Rahmen der Eignungsfeststellung erforderlich, dem nachzugehen. Die Recherche erfolgte aus einem konkreten Anlass zweckbezogen auf das Auswahlverfahren. Entgegen der Ansicht des Klägers war die Beklagte nicht dazu verpflichtet, diesen Sachverhalt durch Fragen bei dem Kläger aufzuklären. Insoweit liegt der Sachverhalt anders, als wenn ohne eine vorherige solche Sachverhaltsermittlung eine Detektei beauftragt wird (vgl. dazu LAG Düsseldorf 26.04.2023 – 12 Sa 18/23, juris Rn. 170). Es geht hier zudem um öffentlich zugängliche Informationen. Richtig ist, dass der Kläger nicht etwa eine eigene Webseite betreibt. Es handelt sich um einen Wikipedia-Eintrag mit seinem Namen, den die Beklagte gefunden hat und der umfängliche Informationen über den Kläger enthält. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger diesen selbst erstellt hat. Anderseits ist zu berücksichtigen, dass er selbst mit dem Anliegen, die Altersdiskriminierung bei Einstellungsverfahren in Deutschland zu bekämpfen an die Öffentlichkeit tritt. So hat er nach seinem eigenen Vortrag u.a. der Legal Tribune Online entsprechende Interviews gegeben. Gibt es Unstimmigkeiten in der Bewerbung, welche dem einstellenden Arbeitgeber auffallen, wie hier der bekannte Name des Klägers, darf er dazu googeln. Schutzwürdige Interessen stehen dem auf Seiten des Klägers nicht entgegen (vgl. so auch Riesenhuber in BeckOK Datenschutzrecht, 47. Edition, Stand: 01.02.2024, § 26 BDSG Rn. 100; s.a. LAG Baden-Württemberg 21.02.2019 – 3 Sa 65/17, juris Rn. 64). Dies bedeutet freilich nicht, dass die Recherche im Geheimen ablaufen darf. Weiterer Schutzmechanismus sind die Informationspflichten aus Art. 14 DSGVO (darauf hinweisend auch Solmecke in Hoeren/Sieber/Holznagel, Handbuch Multimediarecht, 60. EL Stand Oktober 2023, Teil 21.1 Social Media Rn. 64)…“
Zu dem Anspruch nach Art. 82 DSGVO und den anspruchsbegründenden Vorgaben führt das Gericht in den Entscheidungsgründen unter anderem aus:
„…Der Kläger hat verursacht durch die nicht erfolgte Information gemäß Art. 14 Abs. 1 lit. d DSGVO einen Schaden erlitten.
aa)Ein Anspruch auf Ersatz des immateriellen Schadens des Klägers scheidet nicht deshalb aus, weil es hier um einen bloßen Verstoß gegen die Bestimmungen der DSGVO geht, der alleine nicht zur Begründung des Schadensersatzes ausreicht. Richtig ist allerdings, dass der Europäische Gerichtshof in seinem Urteil vom 04.05.2023 (C-300/21, juris Rn. 28 ff., 42) ausgeführt hat, dass Art. 82 Abs. 1 DSGVO dahin auszulegen ist, dass der bloße Verstoß gegen die Bestimmungen dieser Verordnung nicht ausreicht, um einen immateriellen Schadensersatzanspruch zu begründen. Anderseits hat der Europäische Gerichtshof in der genannten Entscheidung erkannt, dass der Begriff des immateriellen Schadens autonom und unionsrechtlich einheitlich zu definieren ist. Dabei ist die betroffene Person nicht von dem Nachweis befreit, dass der Verstoß gegen die DSGVO für sie negative Folgen gehabt habe, welche einen immateriellen Schaden darstellen. Anderseits sei keine Voraussetzung, dass der der betroffenen Person entstandene immaterielle Schaden einen bestimmten Grad an Erheblichkeit erreicht hat (EuGH 04.05.2023 – C-300/21, juris Rn. 43 ff., 50, 51).
Der Nachteil muss weder „spürbar“ noch die Beeinträchtigung „objektiv“ sein. Diese Auslegung ergibt sich aus dem dritten Satz des 146. Erwägungsgrundes der DSGVO, in dem es heißt, dass „[d]er Begriff des Schadens … im Lichte der Rechtsprechung des Gerichtshofs weit auf eine Art und Weise ausgelegt werden [sollte], die den Zielen dieser Verordnung in vollem Umfang entspricht“. Dies steht mit den Zielen der DSGVO im Einklang, namentlich demjenigen, innerhalb der Union ein gleichmäßiges und hohes Niveau des Schutzes natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten zu gewährleisten (vgl. EuGH 14.12.2023 – C-456/22, juris Rn. 20).
Schließlich hat der Europäische Gerichtshof klargestellt, dass der Unionsgesetzgeber unter den Schadensbegriff insbesondere auch den bloßen „Verlust der Kontrolle“ über die eigenen Daten infolge eines Verstoßes gegen die DSGVO fassen wollte, selbst wenn konkret keine missbräuchliche Verwendung der betreffenden Daten zum Nachteil dieser Personen erfolgt sein sollte. Zur Begründung hat er auf den ersten Satz des 85. Erwägungsgrundes der DSGVO verwiesen. Denn dort wird in einer beispielhaften Aufzählung von möglichen materiellen oder immateriellen Schäden explizit der Verlust der Kontrolle über die eigenen personenbezogenen Daten genannt (vgl. EuGH 14.12.2023 – C-340/21, juris Rn. 74 – 86).
Schließlich hat der Europäische Gerichtshof ausgeführt, dass Art. 82 Abs. 1 DSGVO dahin auszulegen ist, dass der in dieser Bestimmung vorgesehene Schadenersatzanspruch eine Ausgleichsfunktion hat, da eine auf diese Bestimmung gestützte Entschädigung in Geld ermöglichen soll, den konkret aufgrund des Verstoßes gegen diese Verordnung erlittenen Schaden vollständig auszugleichen, und keine abschreckende oder Straffunktion erfüllt (EuGH 21.12.2023 – C-667/21, juris Rn. 87). Soweit die Kammer in der Entscheidung vom 26.04.2023 – 12 Sa 18/23, juris Rn. 181) von dem Erfordernis einer abschreckenden Wirkung ausgegangen ist, hält sie daran in Ansehung der jüngsten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs nicht fest.
bb)Der Kläger hat hier einen immateriellen Schaden dargelegt, der durch die fehlende Information verursacht worden ist. Die Beklagte hat ohne Mitteilung an den Kläger dessen nicht rechtskräftige strafrechtliche Verurteilung zur – und sei es nur hilfsweisen – Grundlage ihrer Datenverarbeitung im Auswahlprozess gemacht. Sie hat dies dokumentiert im Auswahlvermerk niedergelegt, ohne den Kläger über diese Datenkategorie zu informieren. Damit ist der Kläger zum bloßen Objekt der Datenverarbeitung geworden und hat einen erheblichen Kontrollverlust mit negativen Auswirkungen auf die Auswahlentscheidung erlitten. Diese mag objektiv im Ergebnis richtig sein, weil der Kläger ungeeignet war. Dies ändert aber nichts daran, dass er im Auswahlprozess bloßes Objekt der Datenverarbeitung war. Dies beeinträchtigt den Kläger auch in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht. Es handelt sich außerdem um eine erheblich negative Tatsache, nämlich eine strafrechtliche Verurteilung. Es liegt ein erheblicher Kontrollverlust auf Seiten des Klägers vor….“
Hinweis des Autors:
Das Gericht hat die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen. Ob diese eingelegt wurde, ist dem Autor zum Zeitpunkt der Erstellung des Beitrages nicht bekannt.