Allerlei,  Datenschutzrecht

LArbG Baden-Württemberg:Kündigung eines Betriebsratsmitgliedes wegen Datenschutzverstoß

Kündigung eines Betriebsratsmitgliedes wegen Datenschutzverstoß – In einem Kündigungsschutzverfahren hatte sich das LArbG Baden-Württemberg mit der Kündigung eines Betriebsratsmitgliedes durch den Arbeitgeber zu beschäftigen. Hintergrund der außerordentlichen verhaltensbedingten Kündigung war die Veröffentlichung von Schriftsätzen aus einem Gerichtsverfahren in digitaler Form, hier Zurverfügungstellung über einen Link in einer E-Mail, wobei in den Schriftsätzen besondere Kategorien personenbezogener Daten, genauer Gesundheitsdaten, enthalten waren. Dies wurden dann über die E-Mail mit Link einem größeren Verteiler zugänglich gemacht. Das Gericht sieht in seiner Entscheidung (Urteil vom 25. März 2022, Az.: 7 Sa 63/21) einen Grund für eine außerordentliche Kündigung als gegeben an.

Kündigung eines Betriebsratsmitgliedes wegen Datenschutzverstoß – Ansicht des Gerichts im Streitfall zum Grund der Kündigung

Das Gericht begründet seine Ansicht unter anderem wie folgt in den Entscheidungsgründen:

„…Wer im Rahmen eines von ihm angestrengten Gerichtsverfahrens bestimmte, ausschließlich dem Verfahren gewidmete Schriftsätze der Gegenseite, in denen Daten, insbesondere auch besondere Kategorien personenbezogener Daten (Gesundheitsdaten), verarbeitet werden, bewusst und gewollt der Betriebsöffentlichkeit durch die Verwendung eines durch eine E-Mail zur Verfügung gestellten Links offenlegt und darüber hinaus den Adressatenkreis auffordert, die Weiterverbreitung der verlinkten E-Mail zu veranlassen (Bl.315 der ArbG-Akte), ohne dafür einen rechtfertigenden Grund zu haben, verletzt rechtswidrig und schuldhaft Persönlichkeitsrechte der in diesen Schriftsätzen namentlich benannten Personen mit der Folge, dass vorliegend die außerordentliche Kündigung der Beklagten interessenabgewogen wirksam ist. Die Wahrnehmung berechtigter Interessen des Klägers oder sonstiger sein Fehlverhalten rechtfertigende Umstände lagen jedenfalls insofern nicht vor, als die Entscheidungsgründe des Urteils des Arbeitsgerichts am Tage der Zurverfügungstellung des Links noch nicht vorlagen und dem Kläger auch noch die Möglichkeit offenstand, gegen das Urteil das Rechtsmittel der Berufung einzulegen, um in diesem Verfahren seinen Standpunkt darzulegen….Soweit der Kläger versucht, die Verletzung der Persönlichkeitsrechts der in den von ihm ungeschwärzt veröffentlichten und zur Weiterverbreitung veranlassten Schriftsätzen der Beklagten namentlich benannten Personen insofern zu rechtfertigen, als es ihm vor allem um seine Verteidigung gegen die von der Beklagten erhobenen ungerechtfertigten Vorwürfe der sexuellen Belästigung im Zusammenhang mit seinem Aufenthalt im Flur vor den Umkleidekabinen gegangen sei, mithin sich seine verlinkte E-Mail vom 20. Dezember 2018 gegen die Beklagte selbst und nicht gegen Frau B. und Herrn A. gerichtet habe, folgt ihm die Berufungskammer nicht. Dagegen spricht der Umstand, dass er im Zeitpunkt der Fertigung der E-Mail am 20. Dezember 2018 die Begründung des Urteils des Arbeitsgerichts noch nicht kannte. Die Bearbeitung und Bewertung des vom Kläger in Abrede gestellten Vorwurfs durch das Arbeitsgericht war ebenso offen wie auch im Rahmen des dem Kläger zur Verfügung stehenden Rechtsmittels der Berufung. Das vollständig abgefasste Urteil wurde dem Kläger erst am 8 Mai 2019 zugestellt. Dem steht nicht entgegen, dass der Kammervorsitzende in der Verhandlung vom 14. Dezember 2018 den „Aufenthalt des Klägers nahe der Damenumkleide“ wohl nicht als geeignet ansah, einen wichtigen Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB anzunehmen. Ob und gegebenenfalls wie und mit welchem Gewicht das Arbeitsgericht den Vorwurf im Rahmen des der außerordentlichen Kündigung zu Grunde zu legenden Programms der Prüfung der Wirksamkeit der Kündigung Relevanz beimaß, war zum damaligen Zeitpunkt nicht bekannt. Auch die Bewertung durch das Berufungsgericht war nicht vorhersehbar. Es war nicht ausgeschlossen, dass es den Vorwurf einer Beweisaufnahme zuführt und sich dadurch der Sachverhalt klärt. Ungeachtet dessen widerspricht die vom Kläger geltend gemacht „Stoßrichtung“ seinem tatsächlichen Vorgehen. Er hat unstreitig die kompletten Schriftsätze ungeschwärzt zur Verfügung gestellt. Seiner Begründung hätte es jedoch nur dann entsprochen, hätte er ausschließlich die Ausführungen zur Thematik „Umkleidekabine“ dem Verteilerkreis bekannt gemacht. Sein nicht auflösbarer Widerspruch ist ersichtlich Ausdruck einer Schutzbehauptung, die jedoch widerlegt ist…“

Kündigung eines Betriebsratsmitgliedes wegen Datenschutzverstoß – Interessenabwägung zu Lasten des Arbeitnehmers

Zudem sieht das Gericht auch die vorzunehmende Interessenabwägung zu Lasten des klagenden Arbeitnehmers.

Das Gericht begründet unter anderem wie folgt in den Entscheidungsgründen:

„…Das Arbeitsgericht hat es mit Blick auf die Schwere der von ihm festgestellten Pflichtverletzungen gleichwohl nicht entschieden, ob eine Abmahnung überhaupt erforderlich war. Es hat darauf abgestellt, dass jedenfalls die am 13. Februar 2018 ausgesprochene, wegen fehlender Abmahnung vom Landesarbeitsgericht mit rechtskräftigem Urteil vom 21. Januar 2020 für unwirksam erachtete außerordentliche Kündigung die Funktion einer Abmahnung vorliegend erfüllt. Das ist von Rechts wegen nicht zu kritisieren. Die Rüge- und insbesondere die Warnfunktion der Abmahnung ist dadurch gewahrt. Das Arbeitsgericht legt seiner Subsumtion die einschlägigen, vom Bundesarbeitsgericht generierten Rechtssätze zu Grunde (BAG 19. April 2012 – 2 AZR 323/10 – AP Nr. 236 zu § 626 BGB, zu I. 3. c) aa) der Gründe = Rn. 31). Soweit der Kläger auch zweitinstanzlich die Ansicht vertritt, es handele sich gerade nicht um Pflichtverletzungen aus demselben Bereich, weshalb auch kein innerer Zusammenhang zwischen Abmahnung und potentiellen Kündigungsgründen existiere, verkennt er, dass es nicht darauf ankommt, ob das Tatgeschehen vergleichbar ist, sondern ob die dadurch verletzten Rechtsgüter vergleichbar sind. Der rechtskräftig festgestellte Vorwurf der Bedrohung von Frau B. und Herrn A. einerseits und der vorliegend der außerordentlichen Kündigung zu Grunde liegende Vorwurf der unbefugten Veröffentlichung weiter Teile der Prozessakte in der Betriebsöffentlichkeit anderseits verletzen jeweils die Persönlichkeitsrechte der in den verbreiteten Schriftsätzen namentlich benannten Personen….Nach Ansicht der Berufungskammer bedarf es vorliegend keiner vorherigen Abmahnung. Dafür spricht die Schwere der vorsätzlichen Pflichtverletzung des Klägers, die sich nicht nur in einem einmaligen Fehlverhalten zeigt, sondern vom Kläger bewusst darauf angelegt war, durch die gewollte Weiterverbreitung durch den Verteilerkreis die Verletzung des informationellen Selbstbestimmungsrechts der namentlich benannten Personen zu perpetuieren und infolgedessen zu intensivieren. Soweit der Kläger nunmehr in der Begründungsschrift sein in der E-Mail vom 20. Dezember 2018 (Bl. 315 der ArbG-Akte) an den bislang nicht offengelegten Verteilerkreis formuliertes Weiterverbreitungsverlangen versucht als „unglücklich formuliert“ zu relativieren, ist das unbehelflich. Maßgebend ist der Zeitpunkt der Abfassung der E-Mail am 20. Dezember 2018 und die darin ausdrücklich enthaltene Aufforderung, die Schriftsätze weiter zu verbreiten und daraus auch zu zitieren….“

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