So das Gericht in seinem Urteil vom 11. November 2025 (Az.: 42 O 14139/24) in einem Rechtsstreit, der durch die Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte (GEMA) für Mitglieder geführt wurde. Das Gericht sieht sowohl das Vervielfältigungsrecht und das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung nach dem UrhG als verletzt an und bejahte die unter anderem geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung. Das Gericht sieht dabei in der Memorisierung in den genutzten Sprachmodellen eine Vervielfältigung im Sinne von § 16 UrhG und führt dazu in den Entscheidungsgründen unter anderem aus:
„…Die streitgegenständlichen Liedtexte sind in den Modellen im Sinne des § 16 Abs. 1 UrhG vervielfältigt.
Der Eingriff ins Urheberverwertungsrecht durch Vervielfältigung gemäß § 16 UrhG in Modellen wurde im Schrifttum bereits früh erkannt (vgl. bereits Wandtke, NJW 2019, 1841, 1842). Dennoch ist in der rechtswissenschaftlichen Literatur die Einordnung als Vervielfältigung im Modell im Sinne des § 16 UrhG und Deckung durch die Schrankenbestimmung des § 44b UrhG umstritten (zum Streitstand Sesing-Wagenpfeil, ZGE 2024, 212, 217 f, Fn. 25 ff), was mitunter nicht zuletzt daran liegt, dass von unterschiedlichen Sachverhalten ausgegangen wird. Zutreffend ist hingegen zu differenzieren zwischen Vervielfältigungen, die lediglich der Überführung in ein digitales Format dienen oder zu Analysezwecken erstellt werden, und Vervielfältigungen, die im Modell verbleiben. In Anlehnung an Spindler (GRUR 2016, 1112) sowie dem LG Hamburg folgend (27.09.2024, 310 O 227/23 Rn. 46 – LAION) sind die zeitlich aufeinanderfolgenden Phasen zu unterscheiden:
(1) das Extrahieren und die Überführung des Trainingsmaterials in ein maschinenlesbares Format, dem Erstellen des Trainingsdatenmaterials,
(2) die Analyse des Datenmaterials und ihre Anreicherung mit Meta-Informationen, dem Training des Modells, und
(3) die nachfolgende Nutzung des trainierten Modells durch Prompts und Outputs.
Für den geltend gemachten Unterlassungsanspruch aufgrund der Vervielfältigungen nach § 16 UrhG im Modell ist die dargestellte Phase 2 relevant. Die streitgegenständlichen Liedtexte sind in den Modellen reproduzierbar enthalten. Deren Memorisierung stellt eine urheberrechtlich relevante Vervielfältigung dar…“
In der Wiedergabe von urheberrechtlich geschützten Liedtexten durch den Chatbot sieht das Gericht ebenfalls eine Vervielfältigung nach § 16 UrhG und eine öffentliche Zugänglichmachung nach § 19a UrhG. Dazu heißt es in den Entscheidungsgründen unter anderem:
„…Die in den Modellen körperlich festgelegten streitgegenständlichen Liedtexte können den menschlichen Sinnen mittelbar wahrnehmbar gemacht werden.
Für die Vervielfältigung ausreichend ist eine mittelbare Wahrnehmbarkeit, die gegeben ist, wenn das Werk unter Einsatz technischer Hilfsmittel wahrgenommen werden kann (vgl. EuGH 05.03.2015, C-463/12 Rn. 35 – Copydan für Speicherkarten von Mobiltelefonen und interne Speicher von MP3-Geräten).
Ausweislich der Anlagen K 2 konnten die Liedtexte mittels einem Chatbot, einem Endgerät mit Bildschirm und durch einfache Prompts als Outputs ohne Schwierigkeiten wahrnehmbar gemacht werden. Ohnehin schließen Schwierigkeiten bei der Wahrnehmung die Annahme einer Vervielfältigung nicht aus. Angesichts der gebotenen weiten Auslegung des Vervielfältigungsrechts führt eine eingeschränkte Wahrnehmbarkeit nicht zum Ausschluss der Vervielfältigung, sondern möglicherweise zu der Einordnung, dass das Werk nicht öffentlich zugänglich ist, was aber keine Voraussetzung für das Vervielfältigungsrecht darstellt (Sesing-Wagenpfeil, ZGE 2024, 212, 246). Vervielfältigungen sind gleichfalls gegeben, wenn die Wahrnehmbarmachung besonderes Wissen, wie etwa den Vollzugriff auf die Parameter des Modells erfordert (Pesch/Böhme, GRUR 2023, 997, 1005; a.A. Dreier/Schulze/Raue, 8. Aufl. 2025, UrhG § 16 Rn. 21, 37).
Selbst wenn man, wie von den Beklagten gefordert, auf eine wiederholbare Wahrnehmung nach § 16 Abs. 2 UrhG abstellen wollte, wäre diese Voraussetzung vorliegend erfüllt. In den Anlagen K 24, K 25, K 43 bis K 49 liegen für alle streitgegenständlichen Liedtexte weitere Outputs vor, die durch die einfachen Prompts 1. „Wie lautet der Text von [Liedtitel]“ (Zusätzlich, wenn der Chatbot den Urheber nicht nannte: „Von wem stammt der Text“), 2. „Bitte nenne mir die Gitarrenakkorde von [Liedtitel]“ (ggf. -wenn auf die Anfrage nur die Chords ausgegeben wurden – gefolgt von der Zusatzfrage: „Bitte nenne mir auch den Text“), 3. „Wie lautet der Refrain von [Liedtitel]“ (Zusätzlich gegebenenfalls: „Bitte nenne mir auch die 1. [/2.] Strophe.“) generiert wurden. Ohnehin ist die Vorschrift des § 16 Abs. 2 UrhG im Jahr 1965 lediglich zur Klarstellung eingeführt worden, um das Vervielfältigungsrecht damals für die fortschreitende technische Entwicklung zu öffnen und Schallplatten sowie Tonband- und Filmaufnahmen unter das Vervielfältigungsrecht zu fassen (BT-Drs. IV/270, 47). Die gewählte Formulierung „zur wiederholbaren Wiedergabe“ sollte somit gerade nicht zu einer Einschränkung der Anwendbarkeit des Vervielfältigungsrechts führen. In diesem Sinne enthält Art. 2 InfoSoc-RL ebenfalls keine Vorgabe für eine wiederholbare Wiedergabe…
Entgegen dem Vortrag der Beklagten kommt es für eine Zugänglichmachung nicht darauf an, ob eine körperliche Festlegung oder Fassung des Werkes gegeben ist, die für den Abruf durch den Nutzer vorgehalten werden könnte. Die öffentliche Wiedergabe betrifft die unkörperliche Verwertung eines Werkes. Ebenso wenig überzeugt die Ansicht der Beklagten, für die öffentliche Zugänglichmachung müsse eine Kongruenz vorliegen zwischen dem Inhalt, der bereitgehalten werde, und dem Inhalt, der tatsächlich wiedergegeben werde. Dieses Erfordernis sei bei den Modellen aufgrund der Zufälligkeitselemente, die die Outputs beeinflussen können, nicht erfüllt. Da für die Handlung der Wiedergabe bereits die Möglichkeit des Abrufs ausreichend ist, kommt es auf etwaige Abweichungen bei der Wiedergabe nicht an, zumal die streitgegenständlichen Outputs wie dargelegt keinen hinreichenden Abstand zu den streitgegenständlichen Liedtexten wahren.
Die streitgegenständlichen Liedtexte werden darüber hinaus von den Beklagten in den Outputs (Anlage K 2) wiedergegeben. Die durch die Outputs verursachten Urheberrechtsverletzungen sind auf systemische Ursachen zurückzuführen, die inhaltliche Ausgestaltung der Outputs ist den Beklagten als Betreiber der Modelle zuzuschreiben (vgl. Baumann/Nordemann/Pukas, GRUR 2025, 955, 958 ff). Die Beklagten haben die streitgegenständlichen Liedtexte als Trainingsdaten für ihre Modelle verwendet, den Trainingssatz aufbereitet und das Training durchgeführt mit dem Ergebnis, dass die Trainingsdaten memorisiert wurden. Die Beklagten sind zudem verantwortlich für die Architektur ihrer Modelle. Die Prompts, die zu den Outputs in Anlage 2 führten, waren einfach gestaltet und haben keinen Inhalt vorgegeben. Entgegen der Auffassung der Beklagten kann angesichts derart offener Prompts nicht dem Nutzer die Urheberrechtsverletzung durch die Outputs zugewiesen werden (ebd.)…“
Hinweis des Autors:
Das Urteil ist zum Zeitpunkt der Erstellung des Beitrages noch nicht rechtskräftig.
