BVerwG: Nutzung von aus Telefonbuch gewonnenen Adressdaten von Zahnärzten für Telefonwerbung für Zahngoldankauf nicht von Rechtsgrundlage des berechtigten Interesses nach Art. 6 I lit. f) DSGVO gedeckt (Update)

Veröffentlicht von

So das Gericht in seinem Urteil vom 29. Januar 2025 (Az.: 6 C 3.23). Das Gericht sieht in dem Verstoß gegen § 7 II Nr.1 UWG zugleich auch die fehlende Möglichkeit, sich auf das berechtigte Interesse als Rechtsgrundlage aus Sicht des Datenschutzrechtes zu berufen. Mit dem Urteil wurde eine Verbotsverfügung der Datenschutzaufsichtsbehörde des Saarlandes bestätigt. Das Gericht führt in den Entscheidungsgründen unter anderem aus:

„…(a) Die Namen der Inhaber von Zahnarztpraxen sowie die jeweiligen Praxisanschriften und Telefonnummern, die die Klägerin aus öffentlich zugänglichen Verzeichnissen wie z. B. den Gelben Seiten entnimmt, sind personenbezogene Daten im Sinne von Art. 4 Nr. 1 DSGVO. Denn es handelt sich um Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person – die betroffene Person – beziehen. Bei der Erhebung der genannten Daten durch die Klägerin, ihrer Speicherung in einer Datenbank sowie ihrer Verwendung für eine telefonische Ansprache der Zahnarztpraxen mit dem Ziel, in Erfahrung zu bringen, ob die Angesprochenen Edelmetalle an die Klägerin verkaufen möchten, handelt es sich jeweils um eine Verarbeitung im Sinne des Art. 4 Nr. 2 DSGVO durch die Klägerin als Verantwortliche nach Art. 4 Nr. 7 DSGVO. Dass die Verarbeitung der Daten gemäß Art. 2 Abs. 1 DSGVO zumindest teilweise automatisiert erfolgt, ergibt sich bereits aus dem Umstand ihrer Speicherung in einer Datenbank. Die Datenverarbeitung erfolgt offensichtlich auch nicht gemäß Art. 2 Abs. 2 Buchst. a DSGVO im Rahmen einer Tätigkeit, die nicht in den Anwendungsbereich des Unionsrechts fällt mit der Folge, dass die Anwendbarkeit der Datenschutz-Grundverordnung insoweit entfiele. Das Vorgehen der Klägerin muss daher mit den in Art. 5 DSGVO festgelegten Grundsätzen für die Verarbeitung personenbezogener Daten im Einklang stehen und in Anbetracht des in Art. 5 Abs. 1 Buchst. a DSGVO vorgesehenen Grundsatzes der Rechtmäßigkeit der Verarbeitung eine der in Art. 6 dieser Verordnung aufgeführten Bedingungen für die Rechtmäßigkeit der Verarbeitung erfüllen (vgl. EuGH, Urteile vom 20. Oktober 2022 – C-77/21 [ECLI:​​EU:​​C:​​2022:​​805], Digi – Rn. 49 und vom 7. Dezember 2023 – C-634/21 [ECLI:​​EU:​​C:​​2023:​​957], SCHUFA Holding <Scoring> – Rn. 67)…

Die Grundsatzfrage, ob Vorgaben des nationalen Rechts generell oder jedenfalls dann bei der Konkretisierung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen im Sinne des Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. f DSGVO herangezogen werden dürfen, wenn es sich nicht um datenschutzspezifische Regelungen handelt, bedarf hier jedoch deshalb keiner Entscheidung, weil der deutsche Gesetzgeber mit § 7 UWG die in Art. 13 der Richtlinie 2002/58/EG enthaltenen Vorgaben zum Schutz der Privatsphäre der Betroffenen vor unverlangt auf elektronischem Weg zugesandter Werbung umgesetzt hat (vgl. BT-Drs. 15/1487 S. 15, 21; BGH, Urteile vom 16. Juli 2008 – VIII ZR 348/06BGHZ 177, 253 Rn. 30 und vom 10. Juli 2018 – VI ZR 225/17BGHZ 219, 233 Rn. 12). Es widerspräche daher jedenfalls dem Grundsatz der Einheit der Unionsrechtsordnung (vgl. zu dieser: EuGH, Urteil vom 10. September 2024 – C-351/22 [ECLI:​​EU:​​C:​​2024:​​723], Neves 77 Solutions SRL – Rn. 50 in Bezug auf das unionsrechtliche Rechtsschutzsystem), der auch eine kohärente und widerspruchsfreie Auslegung unterschiedlicher Rechtstexte des sekundären Unionsrechts verlangt, wenn diese lauterkeitsrechtlichen Wertungen des Art. 13 der nach Maßgabe von Art. 95 DSGVO neben der Datenschutz-Grundverordnung anzuwendenden Richtlinie 2002/58/EG bei der Konkretisierung des berechtigten Interesses im Sinne des Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. f DSGVO außer Betracht bleiben müssten…

Zwischen dem Datenschutzrecht und dem Recht des unlauteren Wettbewerbs besteht zudem eine enge Verknüpfung. So hat der EuGH festgestellt, dass der Verstoß gegen eine Vorschrift zum Schutz personenbezogener Daten gleichzeitig den Verstoß gegen Vorschriften über den Verbraucherschutz oder unlautere Geschäftspraktiken nach sich ziehen und es zur Wahrung eines lauteren Wettbewerbs erforderlich sein kann, bei der Durchsetzung des Wettbewerbsrechts und der Regeln über unlautere Geschäftspraktiken die Vorschriften zum Schutz personenbezogener Daten zu berücksichtigen (EuGH, Urteil vom 4. Oktober 2024 ‌- C-21/23 [ECLI:​​EU:​​C:​​2024:​​846], Lindenapotheke – Rn. 55 f.). Durch eine Koexistenz von datenschutzrechtlichen und wettbewerbsrechtlichen Rechtsbehelfen sei keine Gefahr für die einheitliche Durchsetzung der Datenschutz-Grundverordnung zu befürchten (EuGH, Urteil vom 4. Oktober 2024 ‌- C-21/23 – Rn. 67). Dabei stellt der EuGH maßgeblich auf die praktische Wirksamkeit der materiellen Bestimmungen der Datenschutz-Grundverordnung und deren Ziel ab, ein hohes Schutzniveau für das Recht jeder Person auf Schutz der sie betreffenden personenbezogenen Daten zu gewährleisten (EuGH, Urteil vom 4. Oktober 2024 – C-21/23 – Rn. 62 ff., 71).

(e) Hiervon ausgehend fehlt es der Klägerin an einem berechtigten Interesse im Sinne des Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. f DSGVO, weil der von ihr verfolgte Zweck der Datenverarbeitung gegen § 7 Abs. 2 Nr. 1 UWG verstößt…“