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OLG Frankfurt a.M.: Werbung einer Online-Vermittlungsplattform in Bezug auf ärztliche Behandlungen für medizinisches Cannabis mit Angaben, die nicht informieren, sondern auf den Absatz ausgerichtet sind, ist Verstoß gegen Laienwerbeverbot nach § 10 I HWG

So unter anderem das Gericht in seinem Urteil vom 6. März 2025 (Az.: 6 U 74/24), in dem unter anderem zahlreiche Angaben auf der Online-Plattform durch das Gericht zu bewerten waren. Kläger ist die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs Frankfurt am Main e. V.. Es wurde mit folgenden Angaben geworben:

„ Behandlung deiner Beschwerden – Du leidest unter Beschwerden und bisherige Medikationen konnten dir keine Liderung verschaffen? Mit unserem Therapieangebot mit Hilfe von medizinischen Cannabis unterstützen wir dich“

„Deine Experten für die natürliche Behandlung mit medizinischem Cannabis bei..“ in Verbindung mit konkreten genannten Beschwerden

Das Gericht führt in den Entscheidungsgründen unter anderem aus:

„…Cannabis zu medizinischen Zwecken“ erfüllt – auch ohne nähere Konkretisierung – den (Funktions-) Arzneimittelbegriff des § 2 Abs. 1 AMG. Er ist in § 2 Nr. 1 MedCanG definiert als

    Pflanzen, Blüten und sonstige Pflanzenteile der zur Gattung Cannabis gehörenden Pflanzen, die aus einem Anbau stammen, der zu medizinischen Zwecken unter staatlicher Kontrolle gemäß den Artikeln 23 und 28 Absatz 1 des Einheits-Übereinkommens von 1961 über Suchtstoffe vom 30. März 1961 (BGBl. 1973 II S. 1354) erfolgt, sowie Delta-9-Tetrahydrocannabinol [∆-9-Tetrahydrocannabinol – THC] einschließlich Dronabinol und Zubereitungen aller vorgenannten Stoffe.

„Cannabis zu medizinischen Zwecken“ ist verschreibungspflichtig. Es darf gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 MedCanG nur von Ärzten verschrieben oder im Rahmen einer ärztlichen Behandlung verabreicht oder einem anderen zum unmittelbaren Verbrauch überlassen werden….

c) Der Umstand, dass die Entscheidung, Cannabis zu verschreiben, ausschließlich bei den mit der Beklagten kooperierenden Ärzten liegt, steht der Annahme einer unzulässigen Arzneimittelwerbung vorliegend nicht entgegen.

(aa) Zwar hat der Gerichtshof der Europäischen Union für die Frage, ob bestimmte Werbeaktionen für den Bezug unbestimmter verschreibungspflichtiger Arzneimittel unter den Begriff der „Werbung für Arzneimittel“ fallen, darauf abgestellt, ob die Botschaft dieser Aktionen die Verschreibung oder den Verbrauch solcher Arzneimittel fördert, was nicht der Fall sei, wenn die Entscheidung, solche Arzneimittel zu verschreiben, ausschließlich Ärzten obliege (vgl. EuGH, GRUR-RS 2025, 2557 Rn. 41, 44 – Apothekerkammer Nordrhein/DocMorris). Daher hat er Art. 86 Abs. 1 RL 2001/83/EG dahin ausgelegt, dass Werbeaktionen für den Bezug unbestimmter verschreibungspflichtiger Arzneimittel unter Verwendung von Werbegaben in Gestalt von Preisnachlässen und Zahlungen nicht unten den Begriff der „Werbung für Arzneimittel“ fielen, wohl aber Werbeaktionen mit Gutscheinen für den nachfolgenden Erwerb von nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln (vgl. EuGH, GRUR-RS 2025, 2557 Rn. 96 – Apothekerkammer Nordrhein/DocMorris).

Allerdings gilt „die Öffentlichkeitswerbung für Arzneimittel“ nach Art.  86 Abs. 1 Spiegelstrich 1 RL 2001/83/EG stets als „Werbung für Arzneimittel“. Unter den Voraussetzungen des Art. 88 Abs. 1 RL 2001/83/EG haben die Mitgliedstaaten ein Schlechthinverbot vorzusehen, also insbesondere für Öffentlichkeitwerbung für Arzneimittel, die gemäß Titel VI der Richtlinie nur auf ärztliche Verschreibung abgegeben werden dürfen (Buchst. a)).

Solche Arzneimittelwerbung steht hier in Bezug auf medizinisches Cannabis in Rede.

(bb) Die Sachlage ist vorliegend auch eine andere als bei der Werbung von Apotheken für ihr Gesamtsortiment an verschreibungspflichtigen Arzneimitteln. Derartige Werbung ist (grundsätzlich) nicht geeignet, den Verbraucher von einer sachlichen Prüfung der Frage abzulenken, ob die Einnahme des bereits verschriebenen Arzneimittels erforderlich ist; sie zielt auf die nachgelagerte Entscheidung der Apothekenauswahl (vgl. insofern EuGH, GRUR-RS 2025, 2557 Rn. 37 ff., 90, 92 f. – Apothekerkammer Nordrhein/DocMorris).

Dagegen soll die streitgegenständliche Werbung, wie oben bereits dargetan wurde, die Nachfrageentscheidung des angesprochenen Adressatenkreises nach medizinischen Cannabis beeinflussen, mag die Letztentscheidung über die Ausstellung eines Arzneimittelrezeptes auch bei den mit der Beklagten kooperierenden „Cannabis“-Ärzten liegen. Gerade weil hier nicht bereits verschriebene Arzneimittel in Rede stehen und das Angebot der Beklagtenseite auf Cannabis beschränkt ist, ist die Anreizwirkung der Werbung besonders groß (siehe insofern z.B. BGH, GRUR 2023, 1318 Rn. 55 – Gutscheinwerbung).

(3) Für die oben wiedergegebene Werbung in Anlage K7 („Deine Experten für die natürliche Behandlung mit medizinischem Cannabis bei […]“, es folgen (mutmaßlich) konkrete Beschwerden bzw. Krankheiten, die mit Cannabis behandelt werden können) gilt insgesamt Entsprechendes.

Zwar kann der Interessent in der Behandlungsanfrage in Anlage K7 zwischen einer Therapie mit „Medizinische[m] Cannabis (THC)“ und „Cannabiol (CBD)“ wählen. Auch insofern lässt sich aber nicht sagen, dass nur Therapien, im Gesamtkontext nicht aber auch medizinisches Cannabis angepriesen würde/n.

Der Umstand, dass sich die Werbung neben Arzneimitteln auch auf Nicht-Arzneimittel beziehen mag, ist dabei für die Annahme einer „Werbung für Arzneimittel“ unerheblich (vgl. EuGH, GRUR-RS 2025, 2557 Rn. 45 ff. [50] – Apothekerkammer Nordrhein/DocMorris)…“

Hinweis des Autors:

Dem Autor ist zum Zeitpunkt der Erstellung des Beitrages nicht bekannt, ob gegen die Entscheidung die Revision, die in Teilen zugelassen wurde, oder Nichtzulassungsbeschwerde zum BGH eingelegt wurde.

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