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ArbG Hamburg: Kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei ChatGPT, sofern die Nutzung über durch Mitarbeitende selbst angelegte Accounts erfolgt

So das Gericht in seinem Beschluss vom 16. Januar 2024 (Az.: 24 BVGa 1/24) in einem Rechtsstreit eines Betriebsrates mit dem Arbeitgeber. Der Betriebsrat sah seine Rechte auf Mitbestimmung verletzt und wollte unter anderem eine Untersagung der Nutzung erreichen. Das Gericht sah jedoch kein Mitbestimmungsrecht verletzt.

Kein Mitbestimmungsrecht aus § 87 I Nr. 1 BetrVG

Das Gericht führt in den Entscheidungsgründen unter anderem aus:

„…Gemäß der ständigen Rechtsprechung des BAG hat der Betriebsrat entgegen dem überschießenden Wortlaut nur mitzubestimmen bei Maßnahmen, die das so genannte Ordnungsverhalten der Arbeitnehmer betreffen. Dieses ist berührt, wenn die Maßnahme auf die Gestaltung des kollektiven Miteinander oder die Gewährleistung und Aufrechterhaltung der vorgegebenen Ordnung des Betriebs zielt (BAG vom 27.09.2005 – 1 ABR 32/04). Mitbestimmungsfrei sind dagegen Maßnahmen, die das so genannte Arbeitsverhalten der Beschäftigten regeln. Darum handelt es sich, wenn der Arbeitgeber kraft seines arbeitsver-raglichen Weisungsrechts näher bestimmt, welche Arbeiten auszuführen sind und in welcher Weise das geschehen soll. Mitbestimmungsfrei sind deshalb Anordnungen, mit denen lediglich die Arbeitspflicht konkretisiert wird (BAG vom 23.08.2018 – 2 AZR 235/18). Die Entscheidung, ob, wann und wie die vertraglich zugesagte Arbeit zu erledigen ist und wie deren Erbringung kontrolliert und gesichert wird, fällt nicht unter den Mitbestimmungstatbestand (BAG vom 15.04.2014 – 1 ABR 85/12).

Wendet man diese Grundsätze der ständigen BAG-Rechtsprechung an, so fallen die Vorgaben zur Nutzung von ChatGPT und vergleichbarer Tools unter das mitbestimmungsfreie Arbeitsverhalten (so auch: Holthausen, RdA 2023, S. 261 ff.; Kalbfus/Schöberle, NZA 2023, S. 251 ff.; Witteler, ZD 2023, S. 377 ff.). Die Beteiligte zu 2. stellt ihren Arbeitnehmern ein neues Arbeitsmittel unter bestimmten Bedingungen zur Verfügung. Richtlinien, Handbuch usw. sind somit Anordnungen, welche die Art und Weise der Arbeitserbringung betreffen, weshalb kein Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG besteht…“

Kein Mitbestimmungsrecht aus § 87 I Nr.6 BetrVG

Das Gericht führt in den Entscheidungsgründen unter anderem aus:

„…Vorliegend ist unstreitig, dass ChatGPT und die vergleichbaren Konkurrenzprodukte nicht auf den Computersystemen der Beteiligten zu 2. installiert wurden. Will ein Arbeitnehmer diese Tools nutzen, muss er diese wie jede andere Homepage auch, mittels eines Browsers aufrufen. Zwar wird der Browser die Einwahl regelmäßig aufzeichnen. Dies stellt aber keine Besonderheit von ChatGPT dar, sondern ergibt sich aus den Funktionsmöglichkeiten des Browsers, der den Surfverlauf des Nutzers abspeichert. Der Browser selbst ist somit eine technische Einrichtung, die geeignet ist, Leistungs- und Verhaltensinformationen der Arbeitnehmer aufzuzeichnen. Zur Nutzung von Browsern haben die Beteiligten eine Konzernbetriebsvereinbarung abgeschlossen, weshalb der Antragsteller sein Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 S. 1 BetrVG bereits ausgeübt hat.

Unstreitig ist, dass der Arbeitnehmer selbst einen Account bei ChatGPT anlegen und eventuell entstehende Kosten auch selbst tragen muss, weshalb die Beteiligte zu 2. keinerlei Meldung erhält, wann welcher Arbeitnehmer wie lange und mit welchem Anliegen ChatGPT genutzt hat. Dass der Hersteller etwa von ChatGPT die vorgenannten Daten aufzeichnet, ist zu unterstellen. Dies führt aber nicht zur Mitbestimmung, denn der dadurch entstehende Überwachungsdruck wird nicht vom Arbeitgeber ausgeübt. Die Beteiligte zu 2. kann auf die vom Hersteller gewonnenen Informationen nicht zugreifen. Mit der Nutzung von ChatGPT vergleichbar ist etwa „beck-online“ (Datenbank des Beck-Verlags), wenn der Nutzer seinen eigenen Account angelegt und die Kosten selber zu tragen hat.

Auch die Vorgabe der Beteiligten zu 2., dass Arbeitnehmer Arbeitsergebnisse, die mittels Unterstützung von Künstlicher Intelligenz entstanden sind, kennzeichnen müssen, führt nicht zu einem Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG. Wie ausgeführt muss die technische Einrichtung die Überwachung selbst bewirken, um eine Mitbestimmung auszulösen. Die Kennzeichnung und die damit verbundene Kontrollmöglichkeit der Beteiligten zu 2., wer Chatbots einsetzt, erfolgt aber hier durch den Arbeitnehmer selbst und nicht durch das Tool…“

Kein Mitbestimmungsrecht nach § 87 I Nr.7 BetrVG

Das Gericht führt in den Entscheidungsgründen aus:

„…Ebenfalls ist ein Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG nicht ersichtlich. Voraussetzung für das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG i.V.m. § 3a Abs. 1 S. 1 ArbStättV; § 3 Abs. 1 S. 1 ArbStättV ist eine vorliegende oder im Rahmen einer Gefährdungsbeurteilung nach § 5 ArbSchG festgestellte konkrete Gefährdung der Mitarbeiter (LAG Düsseldorf vom 09.01.2018 – 3 TaBVGa 6/17). Zu einer konkreten Gefährdung hat der Antragsteller nichts vorgetragen, sie sind auch sonst nicht erkennbar…“

Hinweis des Autors:

Die Rechtslage dürfte anders zu bewerten sein, sofern die Accounts durch den Arbeitgeber bereitgestellt werden oder Unternehmensaccounts genutzt werden.

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