EuGH: Einer nationalen Rechtsvorschrift oder Praxis in den Mitgliedsstaaten der EU , die für einen durch einen Verstoß gegen die DSGVO verursachten immateriellen Schaden eine „Bagatellgrenze“ vorsieht steht Art. 82 DSGVO entgegen

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So das Gericht in seinem Urteil vom 14. Dezember 2023 (Az.: C‑456/22). Das Gericht führt in einem Vorabentscheidungsersuchen des LG Ravensburg unter anderem aus:

„…Somit kann nicht angenommen werden, dass über diese drei in Rn. 14 des vorliegenden Urteils genannten Voraussetzungen hinaus für die Haftung nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO weitere Voraussetzungen aufgestellt werden dürfen, etwa die, dass der Nachteil spürbar oder die Beeinträchtigung objektiv sein muss.

Folglich verlangt Art. 82 Abs. 1 DSGVO nicht, dass nach einem erwiesenen Verstoß gegen Bestimmungen dieser Verordnung der von der betroffenen Person geltend gemachte „immaterielle Schaden“ eine „Bagatellgrenze“ überschreiten muss, damit dieser Schaden ersatzfähig ist.

Diese Auslegung wird durch den dritten Satz des 146. Erwägungsgrundes der DSGVO gestützt, in dem es heißt, dass „[d]er Begriff des Schadens … im Lichte der Rechtsprechung des Gerichtshofs weit auf eine Art und Weise ausgelegt werden [sollte], die den Zielen dieser Verordnung in vollem Umfang entspricht“. Es stünde jedoch zu dem vom Unionsgesetzgeber gewählten weiten Verständnis des Begriffs „Schaden“ in Widerspruch, wenn dieser Begriff auf Schäden mit einer gewissen Erheblichkeit beschränkt wäre, insbesondere was die Dauer betrifft, während der die betroffenen Personen den nachteiligen Folgen des Verstoßes gegen diese Verordnung ausgesetzt waren (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 4. Mai 2023, Österreichische Post [Immaterieller Schaden im Zusammenhang mit der Verarbeitung personenbezogener Daten], C‑300/21, EU:C:2023:370, Rn. 46, und vom heutigen Tag, Natsionalna agentsia za prihodite, C‑340/21, Rn. 81).

Zudem steht eine solche Auslegung mit einem der Ziele der DSGVO im Einklang, namentlich demjenigen, innerhalb der Union ein gleichmäßiges und hohes Niveau des Schutzes natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten zu gewährleisten. Würde der Ersatz des Schadens von einer Erheblichkeitsschwelle abhängig gemacht, könnte dies nämlich die Kohärenz der mit der DSGVO eingeführten Regelung beeinträchtigen, da die graduelle Abstufung einer solchen Begrenzung, von der die Möglichkeit, Schadenersatz zu erhalten, abhinge, je nach Beurteilung durch die angerufenen Gerichte unterschiedlich hoch ausfallen könnte (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 4. Mai 2023, Österreichische Post [Immaterieller Schaden im Zusammenhang mit der Verarbeitung personenbezogener Daten], C‑300/21, EU:C:2023:370, Rn. 48 und 49).

Eine Person, die von einem Verstoß gegen die DSGVO betroffen ist, der für sie nachteilige Folgen gehabt hat, muss jedoch den Nachweis erbringen, dass diese Folgen einen immateriellen Schaden im Sinne von Art. 82 DSGVO darstellen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 4. Mai 2023, Österreichische Post [Immaterieller Schaden im Zusammenhang mit der Verarbeitung personenbezogener Daten], C‑300/21, EU:C:2023:370, Rn. 50, und vom heutigen Tag, Natsionalna agentsia za prihodite, C‑340/21, Rn. 84). Der bloße Verstoß gegen die Bestimmungen dieser Verordnung reicht nämlich nicht aus, um einen Schadenersatzanspruch zu begründen (Urteil vom 4. Mai 2023, Österreichische Post [Immaterieller Schaden im Zusammenhang mit der Verarbeitung personenbezogener Daten], C‑300/21, EU:C:2023:370, Rn. 42).

Unter diesen Umständen steht zwar nichts dem entgegen, dass die Veröffentlichung personenbezogener Daten im Internet und der daraus resultierende kurzzeitige Verlust der Hoheit über diese Daten den betroffenen Personen einen „immateriellen Schaden“ im Sinne von Art. 82 Abs. 1 DSGVO zufügen können, der zum Schadenersatz berechtigt, doch müssen diese Personen den Nachweis erbringen, dass sie tatsächlich einen solchen Schaden – so geringfügig er auch sein mag – erlitten haben.

Nach alledem ist auf die Frage zu antworten, dass Art. 82 Abs. 1 DSGVO dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Rechtsvorschrift oder ‑praxis entgegensteht, die für einen durch einen Verstoß gegen diese Verordnung verursachten immateriellen Schaden eine „Bagatellgrenze“ vorsieht. Die betroffene Person muss den Nachweis erbringen, dass die Folgen dieses Verstoßes, die sie erlitten zu haben behauptet, ursächlich für einen Schaden waren, der sich von der bloßen Verletzung der Bestimmungen dieser Verordnung unterscheidet…“