Datenschutzrecht

LG Gießen: kein Anspruch auf Schadensersatz nach Art. 82 DSGVO wegen nicht ausreichender Beweisführung bei „Scraping“ von personenbezogenen Daten

So das Gericht in einem Urteil vom 3. November 2022 (Az.: 5 O 195/22) in einem Rechtsstreit, in dem ein Anspruch auf Schadensersatz nach Art. 82 DSGVO neben weiteren Ansprüchen geltend gemacht worden war. Hintergrund war das sog. „Scraping“ von öffentlich zugänglichen Nutzerdaten der klagenden Person, die diese auf einer Internetplattform zur Verfügung gestellt hatte, durch Dritte und die Verwendung dieser Daten, die personenbezug hatten. Über das Scraping war im Rahmen der Datenverwendungsrichtlinien informiert worden und entsprechende Standardeinstellungen des Accounts der klagenden Personen waren nicht verändert, die ein „Scraping“ zuließen.

Das Gericht wies den unter anderem geltend gemachten Anspruch nach Art. 82 DSGVO ab, da der Schaden nicht hinreichend dargelegt und bewiesen worden sei. Das Gericht führt in den Entscheidungsgründen unter anderem aus:

„…Dem Kläger steht kein Anspruch auf Zahlung eines immateriellen Schadensersatzes gemäß Art. 82 Abs. 1 DSGVO zu. Diesbezüglich ist es dem Kläger nicht gelungen, den Eintritt eines (eigenen) Schadens als überwiegend wahrscheinlich (§ 287 ZPO) nachzuweisen. Nach dem ausdrücklichen Wortlaut der Vorschrift muss der Schaden „erlitten“ werden, woraus sich ergibt, dass dieser tatsächlich entstanden sein muss und nicht lediglich befürchtet wird (so auch OLG Frankfurt a. M. GRUR-RS 2022, 4491). Zwar ist der Begriff des Schadens nach dem Erwägungsgrund 146 S. 3 weit auszulegen, sodass die Betroffenen einen wirksamen Ersatz bekommen; nach Auffassung der Kammer reicht jedoch ein bloßer Verstoß gegen Vorschriften der DSGVO nicht aus, um (immateriellen) Schadensersatz verlangen zu können. Es bedarf vielmehr der Darlegung eines konkreten (auch immateriellen) Schadens (vgl. auch OLG Frankfurt a. M. GRUR-RS 2022, 4491). Allerdings ist es nicht erforderlich, dass der eingetretene Schaden erheblich ist; mithin sind auch Bagatellschäden ersatzfähig.

Das Vorliegen eines konkreten, immateriellen Schadens, wozu auch Ängste, Sorgen, Stress sowie Komfort- und Zeiteinbußen zählen, hat der Kläger nicht hinreichend dargetan. Er hat zwar im Rahmen der Klageschrift ausführen lassen, dass er einen erheblichen Kontrollverlust über seine Daten erlitten habe und deshalb unter großem Unwohlsein und Sorgen leide sowie einen Missbrauch befürchte; der Anordnung zum persönlichen Erscheinen (zur Sachverhaltsaufklärung) ist er gleichwohl nicht nachgekommen, was das Gericht frei zu würdigen hatte. Letztlich kann die Kammer nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davonausgehen, dass der Kläger unter den in der Klageschrift beschriebenen Ängsten und Sorgen tatsächlich leidet. Dagegen spricht bereits der Umstand, dass es sich bei den „gescrapten“ Daten des Klägers mit – Ausnahme der Mobilfunknummer – um Daten handelt, die immer (!) öffentlich sind. Es ist diesen Daten gerade immanent, dass sie jedem und jederzeit zugänglich zu sind. Auf diesen Umstand weist die Beklagte ihre Nutzer auch ausdrücklich hin, sodass es für die Kammer nicht nachvollziehbar ist, weshalb eine „weitere Veröffentlichung“ dieser Daten, bei dem Kläger zu einem unguten Gefühl geführt haben sollte. Dagegen spricht weiterhin der Umstand, dass es sich offensichtlich um eine standardisierte Klageschrift handelt, die für eine Vielzahl von betroffenen Nutzern eingereicht wird. So ist beispielsweise vorgetragen, dass sich der hiesige Kläger aufgrund des Vorfalles mit betrügerischen E-Mails auseinandersetzen müsse, obwohl die E-Mailadresse – nach dem Vortrag der Klägerseite (Schriftsatz vom 05.10.2022Bl. 11) – gar nicht „gescrapt“ worden ist; sprich seine E-Mailadresse durch den Vorfall überhaupt nicht öffentlich verbreitet worden ist. Ebenso kann die Kammer keinen konkreten immateriellen Schaden aus der Veröffentlichung der Mobilfunknummer ersehen. Erhebliche Zweifel an dem in der Klageschrift vorgetragenem Gemütszustand des Klägers ergeben sich für das Gericht diesbezüglich bereits aus dem Umstand, dass die Eingabe der Mobilfunknummer freiwillig erfolgte, mithin für die Registrierung nicht erforderlich ist. Dass der Kläger diese gleichwohl trotzdem angab, spricht eher dafür, dass er kein besonderes Interesse daran hatte, die Möglichkeit einer Verbreitung seiner Mobilfunknummer zu kontrollieren; zumal auch diesbezüglich die Beklagte in ihren Einstellungen entsprechende Einschränkungsmöglichkeiten bereithält. Ein anderes Bild hätte sich lediglich im Rahmen seiner persönlichen Anhörung ergeben können….“

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