VG Schleswig: Nach Gefährdungsanzeige hinsichtlich Arbeitsüberlastung durch Arbeitgeber im öffentlichen Bereich erstellte Tabelle in MS-Word mit 350 Vorgängen, aufgeschlüsselt auch nach Beschäftigten, löst keinen Mitbestimmungstatbestand zu Gunsten des Personalrates aus

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So das Gericht in seinem Beschluss vom 8.April 2025 (Az.: 19 A 10/24) in einem Rechtsstreit, in dem ein Personalrat ein solches Mitbestimmungsrecht geltend gemacht hatte, dessen rechtliche Verankerung im BPersVG liegt. Das Gericht führt bezogen auf den Sachverhalt in den Gründen der Entscheidung unter anderem aus:

„…Sie hat namentlich nicht die Qualität einer Einführung oder Anwendung technischer Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Beschäftigten zu überwachen (vgl. § 80 Ab. 1 Nr. 21 BPersVG). Der Mitbestimmung des Personalrats unterliegen diejenigen technischen Einrichtungen, die ihrer Konstruktion oder konkreten Verwendungsweise nach eine Überwachung von Verhalten oder Leistung der Beschäftigten ermöglichen. Der Mitbestimmungstatbestand erstreckt sich daher auch auf solche technischen Einrichtungen, die zur Überwachung lediglich objektiv geeignet sind, ohne dass der Dienststellenleiter bei ihrer Einführung und Anwendung subjektiv die Absicht hat, sie zu diesem Zweck einzusetzen. Das Mitbestimmungsrecht des Personalrats soll sicherstellen, dass die Beeinträchtigungen und Gefahren für den Schutz der Persönlichkeit der Beschäftigten am Arbeitsplatz, die von der Technisierung der Verhaltens- und Leistungskontrolle ausgehen, auf das erforderliche Maß beschränkt bleiben. Denn ein Beschäftigter, der befürchten muss, während der Arbeit mit Hilfe technischer oder elektronischer Kontrolleinrichtungen jederzeit beobachtet oder in anderer Weise fortlaufend kontrolliert zu werden, kann unter einen Überwachungsdruck geraten, der ihn in der freien Entfaltung der Persönlichkeit behindert, ihn insbesondere unter Anpassungsdruck setzt und ihn in eine erhöhte Abhängigkeit bringt (BVerwG, Beschluss vom 26. September 2006 – 6 PB 10.06 – juris Rn. 4 m.w.N., vgl. auch OVG Bautzen, Beschluss vom 7. Oktober 2021 – 9 A 17/20.PL – juris Rn. 18). Das Mitbestimmungsrecht des Personalrats gewährleistet damit nicht den Schutz vor Überwachung allgemein. Vielmehr gehört eine gewisse Überwachung durch Erhebung und Auswertung von Informationen über Verhalten oder Leistung sämtlicher Beschäftigter zum Arbeitsleben (Else, in: Ricken, BeckOK BPersVG, 19. Ed., 1. Januar 2025, § 80 Rn. 158).

Hiervon ausgehend sind die Voraussetzungen für die Qualifikation der im anlassgebenden Fall vom Abteilungsleiter erstellten Tabelle als mitbestimmungspflichtige technische Einrichtung nicht erfüllt. Weder wurde sie dazu eingesetzt, das Verhalten oder die Leistung der Beschäftigten zu überwachen, noch war sie objektiv hierzu geeignet. Die der d.3-Software entnommenen Daten beschränken sich auf die Wiedergabe der bloßen Anzahl der in der Abteilung zum jeweiligen Abrufzeitpunkt anhängigen Vorgänge, unterteilt nach dem Status der Bearbeitung. Für das Gericht ist nicht erkennbar, dass sich anhand dieser Informationen Leistungsprofile einzelner Beschäftigter ermitteln ließen. Die vom Abteilungsleiter festgehaltenen Daten geben allein Auskunft über die Quantität der Vorgänge und deren Entwicklung über einen längeren Zeitraum. Sie lassen aber keinen Rückschluss auf die Leistungserbringung der Beschäftigten im Hinblick etwa auf die Dauer der Bearbeitung eines einzelnen Vorgangs oder gar die Qualität der erbrachten Arbeitsleistung zu. Daran ändert sich auch nichts dadurch, dass die Anzahl der anhängigen Vorgänge mit dem Kürzel des jeweils zuständigen Beschäftigten verknüpft wurde. Diese rein quantitative Angabe erlaubt keinen Rückschluss darauf, in welcher Zeit und in welcher Qualität der jeweilige Beschäftigte seine Arbeit verrichtet hat. Der Abteilungsleiter hat sich nach seinen unwidersprochen gebliebenen Ausführungen in der mündlichen Verhandlung zur Gewinnung der Daten auch nicht etwa besonderer Befugnisse als Administrator der d.3-Software bedient, sondern einen Datenabruf vorgenommen, der jedem Beschäftigten in der Handwerksrolle möglich war und den der externe Datenschutzbeauftragte der Dienststelle in seiner Stellungnahme vom 25. September 2024 dementsprechend auch als „offensichtliche Datenverarbeitung“ eingestuft hat. Etwas anderes folgt schließlich auch nicht aus dem Umstand, dass der Abteilungsleiter aus der von ihm erstellten Tabelle eine Zahl von 350 Vorgängen als Grenze des auf Dauer zumutbaren Arbeitsaufkommens für eine gut eingearbeitete Vollzeitkraft abgeleitet hat. Diese Zahl ist lediglich das Ergebnis der Sachverhaltsermittlung des Abteilungsleiters nach der „Gefährdungsanzeige“ der betreffenden Beschäftigten und diente ihm in Wahrnehmung seiner Vorgesetztenfunktion und der damit verbundenen Fürsorgepflicht allein dazu, die Belastungssituation in der Abteilung besser einschätzen zu können. Sie ermöglicht aber keine Leistungs- und Verhaltenskontrolle einzelner Beschäftigter…“