OLG München: kein Anspruch gegen Social Media Netzwerk-Anbieter auf Schadensersatz nach Art.82 DSGVO wegen Datenerhebung per Scraping, wenn Kontrollverlust als Begründung nicht substantiiert dargelegt wird (Update)

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So das Gericht in dem konkret zu entscheidenden Fall in seinem Beschluss vom 13. Februar 2025 (Az.: 24 U 3020/24 e) mit dem das Gericht den Kläger auf die Aussichtslosigkeit des Rechtsmittels der Berufung hinwies. In dem zu entscheidenden Fall war der Kläger zu dem Verhandlungstermin in der ersten Instanz nicht erschienen, so dass das Landgericht nach „Aktenlage“ entscheiden musste.

Das Gericht führt unter anderem in den Gründen des Beschlusses aus:

„…Im hier vorliegenden Verfahren hatte die Klagepartei die Parteieinvernahme des Klägers, hilfsweise seine informatorische Anhörung, als Beweis angeboten. Die Voraussetzungen für eine Parteieinvernahme nach § 447 ZPO lagen aber mangels Einverständnisses der Beklagten nicht vor. Die Beklagte hat vielmehr für alle Behauptungen, für die die Klagepartei die eigene Parteivernehmung anbietet, ihr Einverständnis verweigert (Duplik, Bl. 42). Somit hätte sich das Gericht die erforderliche Überzeugung nur durch eine informatorische Anhörung des Klägers verschaffen können (siehe zu dieser Möglichkeit Zöller, ZPO, 35. Aufl., 2024 § 141 Rn. 1a). Der Kläger ist aber zum Verhandlungstermin, trotz ordnungsgemäßer Ladung und Anordnung des persönlichen Erscheinens – ausdrücklich auch zur Aufklärung des Sachverhalts – unentschuldigt nicht erschienen. Allein daraus, dass der Kläger nach eigenen Angaben durch Spam-Anrufe, Spam-SMS und E-Mails belästigt wird, lässt sich nichts dafür herleiten, dass es zu einem Kontrollverlust (erst) durch den Scraping-Vorfall bei … gekommen ist. Der Kläger hat nämlich angegeben (Anlage K4, Fragebogen), er könne nicht einordnen, wann diese begonnen haben bzw. wann ein starker Anstieg zu verzeichnen gewesen sei (nicht einmal in welchem Jahr), so dass auch eine zeitliche Zuordnung zum Scraping-Vorfall bzw. zur Veröffentlichung der Daten aus diesem Vorgehen im Internet nicht möglich ist. Hinzu kommt, dass – nach dem Beklagtenvortrag – die E-Mail-Adresse, die angeblich auch von vermehrtem Spam-Aufkommen betroffen sein soll, gar nicht durch Scraping von der Plattform der Beklagten abgerufenen worden sein kann, weil sie sich nicht unter den vom Kläger als öffentlich einsehbar eingestellten Nutzerdaten befand. Im Übrigen spricht – worauf die Beklagte zu Recht hinweist – der Umstand, dass der Kläger jedenfalls mit seiner Festnetznummer, seinem Namen und seiner Adresse freizügig im Internet umgeht (Einstellung auf der Internetseite „Das Telefonbuch“), jedenfalls prima facie nicht für einen restriktiven Umgang des Klägers mit seinen personenbezogenen Daten. Deshalb können auch die vom Kläger behaupteten an einen Kontrollverlust anknüpfenden Folgen, wie Belastungen durch ein erhöhtes Spam-Aufkommen, Zeitbedarf für Vorsichtsmaßnahmen und Nachfragen, psychologische Auswirkungen etc. – unabhängig von der Frage ihrer Nachweisbarkeit – nicht mit der erforderlichen Sicherheit kausal auf einen Verstoß der Beklagten gegen Vorschriften der DSGVO zurückgeführt werden.

Vor diesem Hintergrund und insbesondere mit Blick auf den Umstand, dass der Kläger den Beginn des Anstiegs von Spamvorfällen zeitlich nicht eingrenzen kann, fehlt es bereits an der schlüssigen Darlegung einer Befürchtung, die gerade an die hier im Raum stehenden Scraping-Vorfälle … anknüpft, geschweige denn an einem Nachweis. Davon abgesehen hat die Klagepartei bis jetzt ihre Suchbarkeitseinstellungen auf … nicht verändert, was ebenfalls gegen das Bestehen entsprechender Befürchtungen und Ängste spricht. Bestünden tatsächlich solche Befürchtungen und Ängste, hätte die Klagepartei allen Grund gehabt, zumindest das ursprüngliche Einfallstor für den Datenabfluss umgehend zu schließen. Dass der Kläger ernsthaft einen Kontrollverlust und eine missbräuchliche Verwendung seiner Daten infolge des Scraping-Vorfalls befürchten könnte, erscheint auch deshalb nicht plausibel, weil die Mobilfunknummer nur mit seinem auf … verwendeten Fantasienamen verknüpft wurde. Betrugsversuche unter Verwendung dieses Namens könnte der Kläger unschwer erkennen…“

Hinweis des Autors:

Die Berufung wurde durch das Gericht mit Beschluss vom 17. März 2025 zurückgewiesen.

Das Gericht führt in den dortigen Entscheidungsgründen unter anderem aus:

„…Hinsichtlich der Frage des Kontrollverlusts vermischt die Klagepartei die Frage des schlüssigen Vortrags eines Kontrollverlusts mit der Frage des Nachweises eines solchen. Dass der Vortrag der Klagepartei hinsichtlich einer gezielten Weitergabe seiner Telefonnummer ausreichend für einen schlüssigen Vortrag dazu war, dass und warum der Kläger zum Zeitpunkt des Scraping-Vorfalls noch die Kontrolle über seine Daten gehabt haben will, hat der Senat in seinem Beschluss – unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs, aus der Klägervertreter nunmehr zitiert – bejaht. Allerdings verbleibt das Risiko der Nichterweislichkeit eines Kontrollverlusts – wie der Bundesgerichtshof in derselben Entscheidung ausdrücklich klarstellt, beim Anspruchsteller. Soweit die Klagepartei behauptet, das Gericht habe für die Beklagte die normale Nutzung und Weitergabe der Handynummer bestritten, so ist es völlig unerfindlich, woraus der Klägervertreter derartiges ableiten will. Die Beklagtenpartei hat (unschwer erkennbar) das Eintreten eines Kontrollverlustes gerade aufgrund des Scrapingvorfalls mehrfach bestritten, wie sich aus den im Hinweisbeschluss bereits beispielhaft zitierten Fundstellen ergibt. So führt die Beklagte etwa in der Klageerwiderung (Bl. 67 d. A.) aus: „Selbst wenn die Klagepartei in begrenztem Umfang einen Verlust der Kontrolle über ihre personenbezogenen Daten erlitten hätte (was bestritten wird) …“ Die Lektüre auch der weiteren Fundstellen wird dem Klägervertreter anheimgestellt. Das Bestreiten der Beklagten ist auch ohne weiteres substantiiert genug, weil die Beklagte ausgeführt hat, dass und warum die E-Mail-Adresse sich nicht unter den von der Plattform der Beklagten gescrapten Daten befunden hat (siehe hierzu bereits oben), der Kläger aber auch einen Anstieg von Spam-Mails beklagt (siehe Anlage K4, Fragebogen). Dies stellt ein Indiz für ein mögliches Datenleck an anderer Stelle dar, durch das natürlich auch andere Daten als die E-Mail-Adresse, wie die Handynummer, bereits abgeflossen sein könnten. Dies gilt um so mehr, als der Kläger sein … Profil unter einem Fantasienamen führt, die in der Klageschrift angegebene E-Mail-Adresse aber auf den richtigen Namen des Klägers lautet. Die E-Mail-Adresse kann also auch nicht durch Probieren von Kombinationen aus Namen und den Endungen verschiedener Mail-Anbieter herausgefunden worden sein. Der Kläger konnte ausweislich des vorgelegten Fragebogens außerdem überhaupt nicht zeitlich einordnen, wann er einen Anstieg von derartigen Belästigungen bemerkte, so dass auch durch eine zeitliche Korrelation kein Zusammenhang zu einem Scraping-Vorfall bei der Beklagten hergestellt werden kann. Ggf. hätte eine Anhörung des Klägers weitere Aufklärung bringen, bzw. zu einer entsprechenden Überzeugung des Gerichts führen können. Der Kläger ist jedoch, trotz ordnungsgemäßer Ladung und Anordnung des persönlichen Erscheinens des Klägers – ausdrücklich auch zur Sachaufklärung – nicht erschienen…“