So das Gericht in seinem Urteil vom 9. Januar 2025 (Az.: C-394/23) in einem Rechtsstreit eines Kunden mit einem französischen Anbieter von Personentransportdienstleistungen mittels Schienenfahrzeuge. Die Argumente können auch für andere Vertragsarten und die Angaben der Geschlechtsidentität Anwendung finden.
Das Gericht führt zur Verneinung der Rechtsgrundlage des Art. 6 I lit.b) DSGVO unter anderem in den Entscheidungsgründen aus:
„…Eine solche Kommunikation muss jedoch nicht notwendigerweise anhand der Geschlechtsidentität des betreffenden Kunden personalisiert werden. Nach der Rechtsprechung erscheint die Personalisierung von Inhalten nämlich nicht erforderlich, um einem Kunden Dienste anzubieten, wenn diese Dienste gegebenenfalls in Form einer gleichwertigen Alternative an ihn erbracht werden können, die nicht mit einer solchen Personalisierung verbunden ist, so dass diese nicht objektiv unerlässlich ist, um einen Zweck zu verwirklichen, der notwendiger Bestandteil dieser Dienste ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 4. Juli 2023, Meta Platforms u. a. [Allgemeine Nutzungsbedingungen eines sozialen Netzwerks], C‑252/21, EU:C:2023:537, Rn. 102).
Was die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Dienstleistungen betrifft, erscheint eine Personalisierung der geschäftlichen Kommunikation, die auf einer anhand der Anrede angenommenen Geschlechtsidentität beruht, weder objektiv unerlässlich noch wesentlich, um die ordnungsgemäße Erfüllung des betreffenden Vertrags im Sinne der in den Rn. 33 und 34 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung zu ermöglichen.
Es scheint nämlich eine praktikable und weniger einschneidende Lösung zu geben, da sich das betreffende Unternehmen – sei es gegenüber Kunden, die ihre Anrede nicht angeben möchten, sei es generell – für eine Kommunikation entscheiden könnte, die auf allgemeinen und inklusiven Höflichkeitsformeln beruht, die in keinem Zusammenhang mit der angenommenen Geschlechtsidentität dieser Kunden stehen. Wie der Generalanwalt in den Nrn. 49 und 50 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, verwendet SNCF Connect zudem offenbar bereits solche Formeln, was vom vorlegenden Gericht zu prüfen ist, und hätte die Angabe einer unzutreffenden Anrede darüber hinaus keine Auswirkung auf die Erbringung der betreffenden Beförderungsdienstleistungen, was bestätigen würde, dass die Verarbeitung der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Daten nicht objektiv unerlässlich ist, um den Hauptgegenstand des Vertrags zu erfüllen.
In diesem Zusammenhang ist noch darauf hinzuweisen, dass SNCF Connect in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht hat, dass die Verarbeitung der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Daten einen zweiten Zweck verfolge, nämlich die Anpassung der Beförderungsdienstleistungen an Nachtzüge mit Waggons, die für Personen mit derselben Geschlechtsidentität reserviert seien, und an die Unterstützung von Fahrgästen mit einer Behinderung. Dieser Zweck der Anpassung der Beförderungsdienstleistungen könne es erforderlich machen, die Geschlechtsidentität der betroffenen Kunden zu kennen.
Dieser zweite Zweck kann jedoch nicht die systematische und allgemeine Verarbeitung der Anrededaten aller Kunden des betreffenden Unternehmens, einschließlich der Kunden, die tagsüber reisen oder keine Behinderung haben, rechtfertigen. Eine solche Verarbeitung wäre nämlich unverhältnismäßig und verstieße damit gegen den in Rn. 24 des vorliegenden Urteils angeführten Grundsatz der Datenminimierung, da sie sich auf die Daten zur Geschlechtsidentität nur der Kunden beschränken könnte, die mit dem Nachtzug reisen oder aufgrund ihrer Behinderung persönliche Hilfe in Anspruch nehmen möchten.
Somit ist Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. b in Verbindung mit Art. 5 Abs. 1 Buchst. c DSGVO dahin auszulegen, dass die Verarbeitung personenbezogener Daten hinsichtlich der Anrede der Kunden eines Transportunternehmens, die darauf abzielt, die geschäftliche Kommunikation aufgrund ihrer Geschlechtsidentität zu personalisieren, weder objektiv unerlässlich noch wesentlich für die ordnungsgemäße Erfüllung eines Vertrags erscheint und daher nicht als für die Erfüllung dieses Vertrags erforderlich angesehen werden kann…“
Hinsichtlich der Rechtsgrundalge des berechtigten Interesses nach Art. 6 I lit.f) DSGVO führt das Gericht unter anderem in den Entscheidungsgründen aus:
„…Folglich ist Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. f in Verbindung mit Art. 5 Abs. 1 Buchst. c DSGVO dahin auszulegen, dass die Verarbeitung personenbezogener Daten hinsichtlich der Anrede der Kunden eines Transportunternehmens, die darauf abzielt, die geschäftliche Kommunikation aufgrund ihrer Geschlechtsidentität zu personalisieren, nicht als zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen dieser Verarbeitung oder eines Dritten erforderlich angesehen werden kann, wenn
– diesen Kunden bei der Erhebung dieser Daten nicht das verfolgte berechtigte Interesse mitgeteilt wurde; oder
– diese Verarbeitung nicht innerhalb der Grenzen dessen erfolgt, was zur Verwirklichung dieses berechtigten Interesses unbedingt notwendig ist; oder
– in Anbetracht aller relevanten Umstände die Grundrechte und Grundfreiheiten dieser Kunden gegenüber diesem berechtigten Interesse überwiegen können, insbesondere wegen der Gefahr einer Diskriminierung aufgrund der Geschlechtsidentität…“