OLG Hamm: Werbung mit Vorher-Nachher-Bildern zur Behandlung durch Unterspritzung mit Hyaluronsäure & Botox ist Verstoß gegen § 11 I 3 Nr. 1 HWG, da operativ plastisch-chirurgische Eingriff

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So das Gericht mit Urteil vom 29. August 2024 (Az.: 4 UKl 2/24) in einem durch die Verbraucherzentrale NRW e.V. als Kläger geführte Verfahren. Streitgegenständlich waren verschiedene Social-Media-Posting der beklagten Arztpraxis. Das Gericht führt in den Entscheidungsgründen unter anderem aus:

„…Unter Berücksichtigung des Schutzzwecks des Werbeverbots entspricht es gefestigter obergerichtlicher Rechtsprechung, im Anwendungsbereich des HWG einen operativen Eingriff bereits dann anzunehmen, wenn ein instrumenteller Eingriff am oder im Körper des Menschen erfolgt, mit dem Form- und Gestaltveränderungen an den Organen oder der Körperoberfläche vorgenommen werden (vgl. OLG Koblenz, Urteil vom 23.04.2024 – 9 U 1097/23, WRP 2024, 1002, 1004 Rn. 23f; OLG Köln, Urteil vom 27.10.2023 – 6 U 77/23, juris Rn. 31 – Hyaluron-Faltenunterspritzung; OLG Düsseldorf, Urteil vom 17.02.2022 – 15 U 24/21, juris Rn. 29 – Brazilian Butt Lift: Unterspritzung der Haut mit Kochsalzlösung mit Copolymeren; OLG Celle, Urteil vom 30.05.2013 – 13 U 160/12, juris Rn. 16; so auch BeckOK HWG/Doepner/Reese, 12. Ed. 1.4.2014, HWG § 11 Rn. 642f; Meyer GRUR 2006, 1007; a.A. Köber, in: Münchener Kommentar zum Lauterkeitsrecht, 3. Aufl. 2022, § 11 HWG Rn. 87: Faltenbehandlung mit Botulinumtoxin sei kein operativer Eingriff.). Denn Zweck der Erstreckung des HWG auf operative plastisch-chirurgische Eingriffe ist der Schutz der Verbraucher bzw. der Bevölkerung vor erheblichen Gesundheitsschäden und Risiken, indem eine (insbesondere suggestive oder irreführende) Werbung mit medizinisch nicht notwendigen schönheitschirurgischen Eingriffen verboten wird. Darauf, ob sich die erheblichen Gesundheitsschäden und Risiken im Einzelfall tatsächlich realisieren, kommt es nicht an. Es soll für einen mit gesundheitlichen Risiken versehenen Eingriff ohne medizinische Notwendigkeit kein Anreiz durch vergleichende Darstellung des Körperzustandes oder des Aussehens vor und nach dem Eingriff geschaffen werden. Diesem Schutzzweck entspricht es, keine Beschränkung des Begriffs des operativen Eingriffs auf einen solchen durch Skalpell o.ä. vorzunehmen bzw. danach zu differenzieren, ob bei den Eingriffen die Körperoberfläche eröffnet wird und mit welchem Instrument und in welchem Umfang dies geschieht, weshalb die Aufzählung in der Gesetzesbegründung lediglich als beispielhaft und nicht als abschließend zu verstehen ist (vgl. OLG Düsseldorf, aaO, juris Rn. 36 ff; OLG Köln, aaO, juris Rn. 31 mwN). Daher steht es auch, anders als die Beklagte meint, der Annahme eines operativen plastisch-chirurgischen Eingriffs nicht entgegen, dass die von ihr beworbene Unterspritzung mit Hyaluron auch von Heilpraktikern, die per se keine Operationen im engeren Sinne durchführen dürfen, vorgenommen werden darf (vgl. OLG Köln, aaO)…

Entgegen der Auffassung der Beklagten nötigen weder die Bewertung der streitgegenständlichen Eingriffe durch die Hersteller der eingesetzten Medizinprodukte als „nicht-operativ“ (vgl. Anl. B9 bis B11, Bl. 218ff eA) noch das im Vergleich zu einer „klassischen“ Operation unterschiedliche Risikoprofil – wie es sich aus den zur Akte gereichten Patientenaufklärungsbögen bezüglich Faltenkorrektur und Volumenaufbau von Lippen- und Konturdefekten ergibt (vgl. Anl. B13, Bl. 234ff eA) – zu einer anderen Auslegung. Im Vordergrund steht – wie ausgeführt – allein die potentielle Gefährlichkeit eines medizinisch nicht notwendigen, Körperformen verändernden Eingriffs, und zwar unabhängig davon, welche Intensität der Eingriff selbst hat und mit welchem Instrument er durchgeführt wird. Erhebliche Gesundheitsschäden drohen aber auch bei der Unterspritzung der Haut mit Hyaluron oder anderen sog. Fillern. Auf ihrer Homepage führt die Beklagte selbst zu den möglichen Risiken und Nebenwirkungen einer von ihr ebenfalls beworbenen Nasenkorrektur mit Hyaluronsäure aus, dass dazu Schmerzen, Schwellungen, blaue Flecken und Rötungen an der behandelten Stelle gehörten; in „enorm seltenen Fällen“ könne es auch zu Infektionen, allergischen Reaktionen oder Embolien kommen (vgl. Bl. 142 eA). Auch kann es – insbesondere bei Hyaluronunterspritzung im Augenbereich – zu Auswirkungen auf die Sehkraft kommen (vgl. LG Berlin, Urteil vom 15.11.2023 – 97 O 8/23, juris Rn. 31). All dies verdeutlicht, dass die von der Beklagten durchgeführten Behandlungen durch Unterspritzen der Haut mit Hyaluron keineswegs so risikoarm sind, wie sie offenbar suggerieren will…“

Hinweis des Autors:

Ob die zugelassene Revision zum BGH eingelegt wurde, ist dem Autor zum Zeitpunkt der Erstellung des Beitrages nicht bekannt.