OLG Stuttgart: Ändert sich der Lebenssachverhalt und damit Streitgegenstand zwischen Zustellung einer Beschlussverfügung und Urteil nach Widerspruch ist erneute Vollziehung der einstweiligen Verfügung zur Wirksamkeit des Unterlassungsverbotes erforderlich

Veröffentlicht von

So das Gericht in seinem Urteil vom 6. Juni 2024 (Az.: 2 U 207/23) im Rahmen eines Gerichtsverfahrens, in dem es um die Unternehmereigenschaft eines Online-Verkäufers und damit verbunden zahlreichen Verstöße gegen das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb (UWG) ging. Im Rahmen des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung und der durch das Gericht erlassenen Beschlussverfügung war von einer Täterschaft des Beklagten ausgegangen worden. Nach Widerspruch gegen die einstweilige Verfügung und dem folgenden Verfahren ergab sich, dass der Beklagte nur seiner Ehefrau Beihilfe durch die Erstellung von Produktfotos und Versand von Waren geleistet hatte.

Der Unterlassungsanspruch wurde durch das Landgericht bestätigt, es fehlte jedoch an einer rechtzeitigen Vollziehung der neuen einstweiligen Verfügung gegenüber dem Beklagten in Urteilsform. Das Gericht führt in den Entscheidungsgründen unter anderem aus:

„…In Anwendung dieser Grundsätze war vorliegend die Urteilsverfügung ebenfalls innerhalb der Vollziehungsfrist zu vollziehen, was jedoch nicht geschehen ist. Vorliegend stellt die durch Urteil bestätigte einstweilige Verfügung gegenüber der Beschlussverfügung nämlich insofern ein aliud dar, als die Beschlussverfügung auf eine täterschaftliche Begehung durch den Vertrieb von Produkten durch den Verfügungsbeklagten als Inhaber des eBay-Accounts „y-o“ gestützt ist, während die Urteilsverfügung ausweislich der Entscheidungsgründe von einer Beihilfe des Verfügungsbeklagten ausgeht, begangen durch die Unterstützung des Vertriebs seiner Ehefrau mittels der Bereitstellung von Produkt-Fotografien und der Versendung der bestellten Waren an die Kunden. Es handelt sich insoweit um eine Abänderung, die ein aliud darstellt, obwohl die Entscheidungsformel unverändert geblieben ist. Das Landgericht hat nach dem Widerspruch des Verfügungsbeklagten hier die einstweilige Verfügung nicht bestätigt, sondern in wesentlichen Punkten abgeändert, indem es sie durch die Urteilsverfügung auf einen anderen – erst nach der Zustellung der ursprünglichen Beschlussverfügung anhängig gemachten – Streitgegenstand gestützt hat.

Hier erfolgte nämlich nach dem Widerspruch eine Antragsänderung der Verfügungskläger. Abweichend vom Verfügungsantrag stützten die Verfügungskläger mit ihrem Schriftsatz vom 16. Oktober 2023 ihre Unterlassungsansprüche in erster Linie auf die Täterschaft des Verfügungsbeklagten und hilfsweise auf Beihilfe (Bl. 39 LGA; vgl. die Klarstellung im Schriftsatz der Verfügungskläger vom 26. Oktober 2023, dort Seite 2, Bl. 56 LGA). Dies stellt eine Klageänderung/Antragsänderung dar. Denn ein auf Täterschaft gestützter Unterlassungsanspruch und ein auf Beihilfe gestützter Unterlassungsanspruch stellen unterschiedliche Streitgegenstände dar. Mit dem Verfügungsurteil hat das Landgericht den auf den Streitgegenstand der täterschaftlichen Begehungsform gestützten Unterlassungsanspruch nicht bestätigt, sondern den Unterlassungsanspruch auf den – erst nach dem Widerspruch von den Verfügungsklägern im Wege der Klageänderung im Eventualverhältnis zusätzlich anhängig gemachten (Eventualklagehäufung) – Streitgegenstand der Beihilfe. Deswegen musste die Urteilsverfügung, die sich auf einen anderen Streitgegenstand (Beihilfe) bezieht als die Beschlussverfügung (Täterschaft), erneut vollzogen werden. Außerdem kann hier nicht ausgeschlossen werden, dass die Verfügungskläger von der auf Unterlassung gestützten, aber umfassend tenorierten Urteilsverfügung, in anderer Weise Gebrauch machen wollen, als von der auf Täterschaft gestützten ursprünglichen Beschlussverfügung. Auch aus diesem Grund musste zusätzlich die Urteilsverfügung innerhalb der Vollziehungsfrist vollzogen werden. Dies ist jedoch nicht geschehen…“