LG Kassel: Werbung für kosmetische Kälteanwendung zur Verminderung von Fettgewebe am menschlichen Körper mit Wirkweisen auf menschlichen Körper nach § 5 UWG irreführend, wenn Werbeangaben nicht wissenschaftlich abgesichert sind

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So das Gericht in einem wettbewerbsrechtlichen Eilverfahren mit Urteil vom 13. Februar 2024 (Az.: 11 O 2196/23) bezogen auf die Anwendung der Kryolipolyse.

Das Gericht verneinte zunächst die Anwendung des HWG und führt dazu aus:

„…Die streitbefangene Werbung ist im Maßstab des § 5 UWG zu messen. Der Anwendungsbereich des HWG ist nach § 1 HWG nicht eröffnet, namentlich ist Kryolipolyse keine Behandlung im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 HWG (LG Hamburg MD 2018, 390, 401; Doepner/Reese in BeckOK HWG, 11. Ed. Std. 01.10.2023, § 1 Rdn. 703)…“

Dann sieht das Gericht in den Angaben aus dem konkret zu entscheidenden Sachverhalt eine Irreführung nach § 5 UWG und führt dazu in den Entscheidungsgründen unter anderem aus:

„…Diese Voraussetzung ist nicht gegeben, wenn der Werbung jegliche wissenschaftlich gesicherte Erkenntnis fehlt, die die Werbung stützen können (BGH GRUR 2013, 469 Rdn. 16 – Basisinsulin mit Gewichtsvorteil; OLG Hamburg GRUR-RR 2022, 559, 562). Der Nachweis, dass eine gesundheitsbezogene Angabe nicht gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis entspricht, obliegt grundsätzlich dem Unterlassungsgläubiger. Eine Umkehr der Darlegungslast kommt in Betracht, wenn mit einer fachlich umstrittenen Meinung geworben wird, ohne die Gegenmeinung zu erwähnen (BGH GRUR 1991, 848, 849 – Rheumalind II; GRUR 2013, 469 Rdn. 32 – Basisinsulin mit Gewichtsvorteil). Ob die beanstandete Aussage wissenschaftlich umstritten ist, muss der Unterlassungsgläubiger darlegen und ggf. glaubhaft machen (BGH GRUR 2013, 469 Rdn. 32 – Basisinsulin mit Gewichtsvorteil). Eine entsprechende Umkehr der Darlegungs- und Beweislast gilt, wenn der Unterlassungsgläubiger darlegt und nachweist, dass nach der wissenschaftlichen Diskussion die Grundlagen, auf die der Werbende sich stützt, seine Aussage nicht rechtfertigen oder sogar jegliche tragfähige Grundlage fehlt (BGH GRUR 2013, 469 Rdn. 32 – Basisinsulin mit Gewichtsvorteil). Studienergebnisse, die in der Werbung oder im Prozess als Beleg einer gesundheitsbezogenen Aussage angeführt werden, sind grundsätzlich nur dann hinreichend aussagekräftig, wenn sie nach den anerkannten Regeln und Grundsätzen wissenschaftlicher Forderung durchgeführt und ausgewertet wurden. Dies erfordert im Regelfall, dass eine randomisierte, placebokontrollierte Doppelblindstudie mit einer adäquaten statistischen Auswertung vorliegt, die durch Veröffentlichung in einen Diskussionsprozess der Fachwelt einbezogen worden ist (BGH GRUR 2013, 649 Rdn. 19 – Basisinsulin mit Gewichtsvorteil; GRUR 2021, 513, 515 – Sinupret).

Der durchschnittlich informierte, verständige und aufmerksame Verbraucher, an den sich die Werbung der Antragsgegnerin wendet, versteht die angegriffenen Werbeaussagen hinsichtlich der Kryolipolyse und der Lymphmassage im maßgeblichen Gesamtkontext der konkreten Verletzungsform der Anlage A4 als Wirksamkeitsangabe. Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin handelt es sich nicht lediglich um nichtssagende oder erkennbar nicht ernstgemeinte Anpreisungen. Die Antragsgegnerin wirbt gezielt mit einem Behandlungserfolg bzw. einem finalen Resultat. Der Verbraucher versteht dies bei allen streitgegenständlichen Angaben im angegriffenen Kontext dahingehend, dass durch die Kältebehandlung bzw. durch die anschließende Lymphmassage eine Fettreduktion (Ziff. 1.1., 1.2. HS 2, 1.4.-1.11, 2.2.) bzw. eine Formung (Ziff. 1.2., 1.3., 2.1.) des menschlichen Körpers im Sinne eines finalen Erfolgs bewirkt werde. Eine solche Wirkung ist jedoch – wie auch die Antragsgegnerin nicht in Abrede stellt – für keine der hier in Rede stehenden Behandlungen durch eine randomisierte, placebokontrollierte Doppelblindstudie wissenschaftlich belegt…“

Hinweis des Autors:

Dem Autor ist zum Zeitpunkt der Erstellung des Beitrages nicht bekannt, ob Rechtsmittel gegen die Entscheidung eingelegt worden ist.