Datenschutzrecht

LG Deggendorf: kein Anspruch gegen Social Media Netzwerk-Anbieter auf Schadensersatz nach Art.82 DSGVO wegen Datenerhebung per Scraping

So das Gericht in seinem Endurteil vom 20. Juni 2023 (Az.: 33 O 461/22) keinen Anspruch nach Art.82 DSGVO.  Das Gericht führt in den Entscheidungsgründen aus, dass unabhängig von der Frage, ob ein Verstoß gegen die DSGVO vorlag oder nicht, kein ersatzfähiger Schaden bestehen bzw. dieser nicht dargelegt und bewiesen sei. Dabei beruft sich das Gericht auch auf die Rechtsprechung des EuGH vom 4. Mai 2023, Az.: C-300/21). Das Gericht führt unter anderem in den Entscheidungsgründen aus:

„…Diese Grundsätze erfuhren jüngst Bestätigung durch eine Entscheidung des EuGH; danach reicht der bloße Verstoß gegen Bestimmungen der DSGVO nicht aus, um einen Schadensersatzanspruch zu begründen (EuGH, Urteil vom 04.05.2023, C-300/21, Celex-Nr. 62021CJ0300, Rn. 28-42 – juris). Denn die gesonderte Erwähnung eines „Schadens“ und eines „Verstoßes“ in Art. 82 Abs. I DSGVO wäre überflüssig, wenn der Gesetzgeber davon ausgegangen wäre, dass ein Verstoß gegen die Bestimmungen der DSGVO für sich allein in jedem Fall ausreichend wäre, um einen Schadenersatzanspruch zu begründen (EuGH, Urteil vom 04.05.2023, C-300/21, Celex-Nr. 62021CJ0300, Rn. 34 – juris). Ferner führt der EuGH aus (EuGH, Urteil vom 04.05.2023, C-300/21, Celex-Nr. 62021CJ0300, Rn. 35-37 – juris):

„Die vorstehende Wortauslegung [wird] durch den Zusammenhang bestätigt, in den sich diese Bestimmung einfügt.

Art. 82 Abs. 2 DSGVO, der die Haftungsregelung, deren Grundsatz in Abs. I dieses Artikels festgelegt ist, präzisiert, übernimmt nämlich die drei Voraussetzungen für die Entstehung des Schadenersatzanspruchs, nämlich eine Verarbeitung personenbezogener Daten unter Verstoß gegen die Bestimmungen der DSGVO, ein der betroffenen Person entstandener Schaden und ein Kausalzusammenhang zwischen der rechtswidrigen Verarbeitung und diesem Schaden.

Diese Auslegung wird auch durch die Erläuterungen in den Erwägungsgründen 75, 85 und 146 der DSGVO bestätigt. Zum einen bezieht sich der 146. Enmägungsgrund der DSGVO, der speziell den in Art. 82 Abs. 1 dieser Verordnung vorgesehenen Schadenersatzanspruch betrifft, in seinem ersten Satz auf „Schäden, die einer Person aufgrund einer Verarbeitung entstehen, die mit dieser Verordnung nicht im Einklang steht“. Zum anderen heißt es in den Erwägungsgründen 75 und 85 der DSGVO, dass „[d]ie Risiken aus einer Verarbeitung personenbezogener Daten hervorgehen [können], die zu einem Schaden führen könnte“ bzw. dass eine „Verletzung des Schutzes personenbezogener Daten einen Schaden nach sich ziehen [kann]“. Daraus ergibt sich erstens, dass der Eintritt eines Schadens im Rahmen einer solchen Verarbeitung nur potenziell ist, zweitens, dass ein Verstoß gegen die DSGVO nicht zwangsläufig zu einem Schaden führt, und drittens, dass ein Kausalzusammenhang zwischen dem fraglichen Verstoß und dem der betroffenen Person entstandenen Schaden bestehen muss, um einen Schadenersatzanspruch zu begründen .“

Dem wird beigetreten.

Gemessen an diesen Grundsätzen hat die Klagepartei schon keine spürbare Beeinträchtigung von persönlichen Belangen dargelegt, für die überhaupt Anhaltspunkte bestehen, dass sie kausal auf den hier streitgegenständlichen Scraping-VorfaII zurückzuführen sein könnte.

Die Klagepartei trägt – im Rahmen ihrer standardisierten Klageschrift – vor, einen erheblichen Kontrollverlust über ihre Daten erlitten und Sorge vor Missbrauch ihrer Daten zu haben. Seit dem Scraping-VorfaII 2019 und Veröffentlichung im April 2021 sei es ferner zu einem Anstieg von unerwünschten Anrufen, SMS und E-Mails gekommen (S. 43 der Klageschrift, BI. 43 d.A.).

Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung – im Widerspruch zu den standardisierten Ausführungen der Klägervertreter – hingegen angegeben, sie habe bereits im November 2019 SMS pornografischen Inhalt erhalten.

Als Schaden i.S.d. DSGVO kann nicht das von der Klagepartei behauptete erhöhte Spam-SMS-Aufkommen gewertet werden. Es ist schon zweifelhaft, ob diese Behauptung überhaupt ausreichend konkret dargelegt ist, denn die Behauptung eines immensen Spam-Aufkommens ist äußerst pauschal. Für einen hinreichend substantiierten Vortrag bedürfte es der Darstellung bis zu welchem Zeitpunkt wie viele solcher Nachrichten auf dem Handy eingegangen sind und ab wann sich dieses in welcher Form konkret verändert hat (LG Regensburg, Urteil vom 11.05.2023 – 72 O 731/22; LG Itzehoe, Urteil vom 09.03.2023- 10 O 87/22).

Letztlich kann dies dahinstehen, denn es ist bereits der Kausalzusammenhang zwischen diesem erhöhten Spam-Aufkommen und dem Scraping-VorfaII klägerseits nicht nachgewiesen worden. Denn unerwünschte SMS und Anrufe erhalten gerichtsbekannt auch Personen, die keinen F.-Account haben und dort ihre Telefonnummer deshalb nicht hinterlegt haben (LG Regensburg, Urteil vom 11.05.2023 – 72 O 731/22; LG Münster, Urteil vom 07.03.2023 – 2 O 54/22; LG Aachen, Urteil vom 10.02.2023 – 8 O 177/22; LG Itzehoe, Urteil vom 09.03.2023 – 10 O 87/22). Dies gilt umso mehr, als die Klägerin im Rahmen der informatorischen Anhörung angegeben hat, sie erhalte bereits seit November 2019 unerwünschte SMS; die Veröffentlichung der Daten ist hingegen erst im Frühjahr 2021 erfolgt (vgl. hierzu S. 5 der Klageschrift, BI. 5 d.A.)…“

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