Wettbewerbsrecht

OLG Düsseldorf: Werbung für „Klimaneutrale Süßigkeiten“ wegen Aufklärung zur Aussage über QR-Code oder Hinweis auf Internetseite nicht wettbewerbswidrig

So das Gericht in seinem Urteil vom 6. Juli 2023 (Az.: 20 U 152/22) in einer wettbewerbsrechtlichen Streitigkeit zwischen einem qualifizierten Wirtschaftsverband und einem Unternehmen. Zu den Details der Bewerbung wird auf die Screenshots verwiesen, die im Urteil abrufbar sind.

Das Gericht sah den geltend gemachten Unterlassungsanspruch als nicht als gegeben an.

Es verneinte eine Irreführung nach § 5 UWG wie folgt:

„…Eine Irreführung nach § 5 UWG liegt vor, wenn das Verständnis, das eine Angabe in dem angesprochenen Verkehrskreis erweckt, mit den tatsächlichen Verhältnissen nicht übereinstimmt (BGH GRUR 2020, 1226 Rn. 14 – LTE-Geschwindigkeit). Das ist bei der Werbung mit dem Begriff „klimaneutral“ nicht ohne weiteres der Fall. Dieser wird entgegen der Ansicht des Klägers nicht zwingend im Sinne eines gleichsam emissionsfreien Herstellungsprozesses verstanden.

Abzustellen ist dabei auf das Verständnis eines situationsadäquat aufmerksamen durchschnittlich informierten Verbrauchers. Zwar stimmt der Senat mit der Beklagten überein, dass sich die X.-Zeitung ausschließlich an Fachkreise wendet. Diese weisen aber in der Lebensmittelbranche eine derartige „Spannweite“ auf, dass ein vom Durchschnittsverbraucher abweichendes Verständnis  dieser Fachkreise fern liegt.

Das Verkehrsverständnis können die Mitglieder des Senats damit selbst beurteilen, weil sie ebenfalls zu den angesprochenen Verkehrskreisen gehören und hinsichtlich der von der Anzeige angesprochenen Fachkreise kein abweichendes Verständnis zu erwarten ist.

Der Durchschnittsverbraucher wird den Begriff „klimaneutral“ im Sinne einer ausgeglichenen Bilanz der CO2-Emissionen des Unternehmens verstehen, wobei ihm bekannt ist, dass die Neutralität sowohl durch Vermeidung als auch durch Kompensationsmaßnahmen (z.B. Zertifikatehandel) erreicht werden kann (vgl. OLG Schleswig, GRUR 2022, 1451 Rn. 27 – Klimaneutrale Müllbeutel II; OLG Frankfurt, GRUR 2023, 177 Rn. 29 – klimaneutral). Dies schon deshalb, weil dem Verbraucher bekannt ist, dass auch Waren und Dienstleistungen als „klimaneutral“ beworben werden, die nicht emissionsfrei erbracht werden können und bei denen die Klimaneutralität nur durch Kompensationszahlungen möglich ist, etwa Flugreisen.

In der angegriffenen Werbung wird dieses Verständnis auch gerade durch den Hinweis auf die Website „ClimatePartner.com“ gestützt, weil sich der angesprochene Verkehr die Frage stellen wird, wofür – wenn nicht zur Kompensation – die Kooperation mit einem „Klima-Partner“ erforderlich ist.

Soweit der Kläger bestreitet, dass die Beklagte tatsächlich ausreichende Kompensationsleistungen erbringt, ist bereits unklar, was der Kläger damit vortragen will: Trägt er vor, dass gar keine Leistungen erbracht werden oder dass diese nicht ausreichen oder zur Kompensation ungeeignet sind? Dabei erfolgt die Behauptung unterbliebener Kompensation, ohne dass der Kläger hierfür Anhaltspunkte vortragen würde. Auch in der mündlichen Verhandlung hat der Kläger auf Nachfrage des Senats keine derartigen Hinweise vortragen können…“

Auch eine Irreführung durch Unterlassen nach §5a UWG sah das Gericht nicht als gegeben an, da eine ausreichende Aufklärung erfolge. Das Gericht dazu in den Entscheidungsgründen:

„…Entgegen der Ansicht der Beklagten ist die Information, auf welche Weise die „Klimaneutralität“ eines beworbenen Produktes erreicht wird, eine wesentliche Information in diesem Sinne.

Der Klimaschutz ist für Verbraucher ein zunehmend wichtiges, nicht nur die Nachrichten, sondern auch den Alltag bestimmendes Thema. Die Bewerbung eines Unternehmens oder seiner Produkte mit einer vermeintlichen Klimaneutralität kann daher erheblichen Einfluss auf die Kaufentscheidung haben (OLG Frankfurt, GRUR 2023, 177 Rn. 29 – klimaneutral).

Gerade wenn der Verbraucher – wie dargetan – weiß, dass eine ausgeglichene Klimabilanz auch durch Kompensationszahlungen erreicht werden kann, besteht ein Interesse an einer Aufklärung über grundlegende Umstände der von dem Unternehmen beanspruchten Klimaneutralität. Der Verkehr geht beispielsweise nicht davon aus, dass ein Unternehmen, das sich oder sein Produkt als „klimaneutral“ bezeichnet, allein auf Ausgleichsmaßnahmen Dritter beziehungsweise auf den Kauf von Zertifikaten setzt. Der Zertifikatehandel und andere Kompensationsmöglichkeiten stehen – jedenfalls aus Verbrauchersicht – in dem Verdacht, das betreffende Unternehmen betreibe nur sog. „Greenwashing“, ohne dass der Klimaschutz tatsächlich maßgeblich verbessert. Der Verbraucher hat daher ein erhebliches Interesse an der Information, ob die Klimaneutralität (auch) durch eigene Einsparmaßnahmen erreicht wird oder nur durch den Erwerb von CO2-Zertifikaten beziehungsweise durch die Unterstützung von Klimaprojekten Dritter (wie hier: OLG Frankfurt a.a.O.)

Die Situation ist vergleichbar mit derjenigen eines Warentests. Auch zur Ermittlung der Klimabilanz gibt es unterschiedliche Kriterien, Herangehensweisen und Bewertungsmaßstäbe, auf deren Kenntnis der Verbraucher zur Bewertung der Angabe „klimaneutral“ angewiesen ist. Im Ergebnis ist daher eine Aufklärung darüber erforderlich, ob die in der Werbung behauptete Klimaneutralität ganz oder teilweise durch Einsparungen bzw. durch Kompensationsmaßnahmen erreicht wird. Weiter ist eine Aufklärung darüber erforderlich, ob bestimmte Emissionen von der CO2-Bilanzierung ausgenommen wurden.

Diesen Anforderungen wird die streitgegenständliche Werbung gerecht.

Zwar erfolgt die erforderliche Information erst, wenn der Leser der Anzeige entweder über den QR-Code oder durch Eingabe die genannte Website von „ClimatePartner.com“ aufsucht. Dies reicht indes zur Information der Verbraucher aus.

Bei der Beurteilung, ob wesentliche Informationen vorenthalten wurden, sind räumliche Beschränkungen durch das gewählte Kommunikationsmittel zu berücksichtigen, § 5a Abs. 3 UWG.

Insoweit ist dem Verbraucher nicht allein mit der Angabe „Klimaneutralität wird auch durch Kompensation erreicht“ gedient, weshalb die Information nähere Angaben zu Art und Umfang etwaiger Kompensationsleistungen bedarf, für die in einer Zeitungsanzeige letztlich der Platz fehlt. Wie schon das Landgericht ist der Senat der Ansicht, dass es dem Zeitungsleser zuzumuten ist, für nähere Informationen eine ohne weiteres abrufbare Website aufzusuchen.

Da unstreitig die Verpackung selber nicht Gegenstand des Verbotsbegehrens ist kommt es nicht darauf an, ob dies auch für einen Verbraucher gilt, dem der Claim auf einer Verpackung in der Kaufsituation entgegen tritt…“

Das Gericht hat die Revision zum BGH zugelassen. Es bleibt abzuwarten, ob diese eingelegt werden wird.

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