LG Köln: Belieferung von Kunden durch Apotheke mittels Boten an Sonn-und Feiertag, wenn kein Notdienst besteht, wettbewerbswidrig

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So das Gericht in seinem Urteil vom 20. April 2023 (Az.: 81 O 70/22) eines qualifizierten Wettbewerbsverbandes mit einem Betreiber einer Apotheke. Dieser hatte eine App für einen Apotheken-Lieferservice für Verbraucher eingesetzt und die Bestellungen dann von einem Fahrradboten, der bei dem Anbieter des Lieferservice angestellt ist, an die Kunden ausgeliefert.

Das Gericht sah darin an Sonn-und Feiertagen, sofern die Apotheke nicht im Notdienst tätig ist, einen Verstoß gegen § 3 des Gesetzes über die Sonn- und Feiertage in Nordrhein-Westfalen (nachfolgend „Feiertagsgesetz NRW“) und der §§ 4, 7 des Gesetzes zur Regelung der Ladenöffnungszeiten NRW (nachfolgend „LÖG NRW“) und damit Marktverhaltensregelungen nach § 3a UWG.

Das Gericht führt in den Entscheidungsgründen zur Haftung des Apothekers als Mitttäter aus:

„…Der Beklagte hat durch sein Verhalten als Mittäter gehandelt.

Als Mittäter handelt, wer die Zuwiderhandlung in einem bewussten und gewollten Zusammenwirken mit einer weiteren Person begeht (Köhler/Feddersen in Köhler/Bornkamm/Feddersen, a.a.O., § 8 Rn. 2.4).

Insoweit kann dahin stehen, ob die geschäftliche Handlung des Beklagten allein die vom Kläger als verletzt geltend gemachten Tatbestände erfüllt, weil seine Tätigkeit ausschließlich in den Räumlichkeiten der Apotheke nicht öffentlich bemerkbar und daher für sich genommen nicht geeignet ist, im Sinne von § 3 Feiertagsgesetz NRW die öffentliche Ruhe des Tages zu stören.

Der Beklagte wirkt bei der Belieferung der Kunden an Sonn- und Feiertagen allerdings bewusst und gewollt mit dem Lieferservice zusammen und muss sich daher dessen Verhalten im Rahmen des Geschäftsmodells mittäterschaftlich zurechnen lassen. Selbst wenn man von Mittäterschaft nicht ausgehen wollte, würde der Beklagte zumindest als Gehilfe des Lieferservices als Teilnehmer an einer Wettbewerbsverletzung haften…“

Zu dem Verstoß gegen das Feiertagsgesetz NRW führt das Gericht in den Entscheidungsgründen unter anderem aus:

„…§ 3 Feiertagsgesetz NRW wird verletzt, wenn bei Apotheken, die keinen Notdienst verüben, Bestellungen abgeholt und an Verbraucher ausgeliefert wird. Nach § 3 Feiertagsgesetz NRW sind an Sonn- und Feiertagen alle öffentlich bemerkbaren Arbeiten verboten, die geeignet sind, die äußere Ruhe des Tages zu stören, sofern sie nicht besonders erlaubt sind.

aa.

Die Abholung und Auslieferung der Bestellungen per Fahrradboten sind ohne weiteres öffentlich bemerkbar.

bb.

Die Tätigkeiten sind auch geeignet, die äußere Ruhe des Tages zu stören. Diese Ruhe an Sonn- und Feiertagen hat allgemein den Zweck, die werktäglichen Bindungen und Zwänge entfallen zu lassen und den Einzelnen zu ermöglichen, diese Tage im sozialen Zusammenleben nach ihren vielfältigen und unterschiedlichen Bedürfnissen allein oder in Gemeinschaft mit anderen ungehindert davon zu begehen. Sie sollen dabei auch nicht an die werktäglichen Lebensvorgänge erinnert werden. Deshalb stehen Arbeiten diesem Zweck insbesondere dann entgegen, wenn sie einen typisch werktäglichen Charakter besitzen und sich in nennenswertem Umfang störend auf das Umfeld auswirken (LG Münster, Urt. v. 12.01.2017, Az.: 022 O 93/16, GRUR-RR 2017, 508 Rn. 33 m.w.N.).

Die Auslieferung von (Online-) Bestellungen per Fahrradboten hat einen typischen werktäglichen Charakter. Sie ist an Werktagen für Verbraucher insbesondere bei Postdienstleistungen und der Auslieferung von Lebensmitteln präsent. Dabei ist das Geschäftsmodell, Waren mit Fahrrädern oder Rollern in dichtbesiedeltem Gebiet auszuliefern, seit Jahren im Vordringen befindlich. Seitdem gehören Botenfahrer mit Fahrrädern zu dem allgemeinen werktäglichen Stadtbild. Die Auslieferung wirkt sich auch störend auf das Umfeld aus. Die Abholung und Auslieferung der Ware führt zu einem stetigen Lieferverkehr in der Apotheke des Beklagten. Zudem tragen Fahrradboten zu einem erhöhten Verkehrsaufkommen bei, das den Einzelnen an werktägliche Lebensvorgänge und -zustände erinnert.

cc.

Die Tätigkeit ist nicht besonders erlaubt.

Als solche Erlaubnis kommt nicht § 7 Abs. 1 LÖG NRW in Betracht. Danach ist zwar Apotheken an Sonn- und Feiertagen die Öffnung erlaubt. Weil die Tätigkeit des Lieferservices diesen Zweck fördert und ein Botendienst typischerweise zu dem Geschäftsbetrieb einer geöffneten Apotheke zu zählen ist, wird die Tätigkeit des Lieferservices grundsätzlich von § 7 Abs. 1 LÖG NRW umfasst.

Allerdings steht der Erlaubnis die Schließungsverfügung entgegenstehen, die die zuständige Behörde auf Grundlage des § 7 Abs. 2 S. 1 LÖG NRW gegenüber dem Beklagten erlassen hat….

Das Zusammenwirken von § 23 ApBetrO und Schließungsanordnungen nach § 7 Abs. 2 S. 1 LÖG NRW stellt sich wie folgt dar: Nach § 23 Abs. 1 S. 1 ApBetrO sind Apotheken zur ständigen Dienstbereitschaft verpflichtet. Nach § 23 Abs. 1 S. 2 Nr. 5 ApBetrO befreit die zuständige Behörde einen Teil der Apotheken ganz oder teilweise sonntags und an gesetzlichen Feiertagen von dieser Pflicht, wobei der Behörde kein Entschließungsermessenspielraum zusteht. Sofern der Beklagte die Auffassung vertritt, die Apotheken könnten trotz der Befreiung öffnen, ist dem insoweit zuzustimmen, als der Öffnung keine anderweitigen Rechtsvorschriften entgegenstehen. Denn eine abschließende Regelung dahingehend, dass Apotheken grundsätzlich auch dann öffnen dürfen, wenn sie von ihrer ständigen Dienstbereitschaft befreit sind, ist § 23 ApBetrO – wie dargelegt – nicht zu entnehmen. Als solche anderweitige Rechtsvorschrift zählt die Schließungsanordnung, die aufgrund von § 7 Abs. 2 S. 1 LÖG NRW ergangen ist.

Dieses Ergebnis steht im Einklang mit den von den jeweiligen Vorschriften verfolgten Regelungszwecken. Während § 23 ApBetrO primär das Ziel verfolgt, die ordnungsgemäße Arzneimittelversorgung der Bevölkerung sicherzustellen, ist Schutzgut des § 7 LÖG NRW die Ruhe des Sonn- und Feiertages. Wäre der Auffassung des Beklagten zu folgen, hätte der Bundesgesetzgeber mit § 23 Abs. 1 S. 1 ApBetrO eine Regelung zulasten der Ruhe des Sonn- und Feiertages geschaffen, obwohl den Ländern diesbezüglich die Gesetzgebungskompetenz zusteht. Dem trägt die Auslegung des § 23 ApBetrO als nicht abschließende Regelung Rechnung. Aus den genannten Gründen ist die Schließungsverfügung gegen den Beklagten rechtmäßig ergangen und steht einer Tätigkeit des Lieferservices entgegen….“