E-Commerce-Recht,  Urheberrecht

OLG Hamburg: Urheberrechtlichen Schutz für Terrassenheizstrahler

Das Gericht hatte sich in dem Gerichtsverfahren mit Ansprüchen auf Unterlassung des Vertriebs von einem solchen Produkt zu beschäftigen. In seinem Urteil vom 30. März 2023 (Az.: 5 U 77/21) setzt sich das Gericht auch ausführlich mit der Anspruchsgrundlage aus § 97 UrhG auseinander und hat daher auch den urheberrechtlichen Schutz bejaht und ein Werk der angewandten Kunst als Schutzobjekt angenommen. Dazu führt das Gericht in den Entscheidungsgründen unter anderem aus:

„…Unter Beachtung der vorstehenden Grundsätze sind hier die Voraussetzungen urheberrechtlichen Schutzes – auch bei der für Gebrauchskunst gebotenen Zurückhaltung – aus Sicht des erkennenden Senats zu bejahen. Entscheidend ist, dass trotz des zweifelsfreien Gebrauchszwecks des Heizstrahlers für den Entwerfer nicht nur hinreichende Spielräume für freie, kreative Entscheidungen bestanden, in denen sich die Persönlichkeit des Schöpfers widerspiegelt, und von diesem in individueller Weise ausgefüllt wurden, sondern auch ein erheblicher Abstand vom vorbekannten Formenschatz realisiert worden ist. Im vorliegenden Fall wird dabei eine Gestaltungshöhe erreicht, die die Gewährung von Urheberrechtsschutz rechtfertigt.

(1) Das Verfügungsmuster weist eine dreieckige – möglicherweise auch dreibeinige – Grundform auf, die pyramidenhaft nach oben hin schmaler wird und einen fließenden Übergang vom Unterteil – zur Aufnahme der nicht sichtbaren Gasflasche – ohne ein Mittelstück in die Brennkammer als Oberteil aufweist. Dabei ist das etwa ein Drittel ausmachende Unterteil geschlossen und das etwa zwei Drittel ausmachende Oberteil durch eine offene Gitterstruktur mit quer verlaufenden Gitterstäben gestaltet. Hinter dem Gitter findet sich ein senkrechtes Glasrohr, durch welches die Heizflamme geleitet wird. Oberhalb des Oberteils wird das Verfügungsmuster abgeschlossen durch einen die Grundform widerspiegelnden dreieckigen Deckel. Der Gesamteindruck des Verfügungsmusters wird durch die klare geometrische Form einer Pyramide – oder eines dreikantigen Kegels – geprägt, die einen fließenden Übergang vom Unterteil mit der Gasflasche ohne ein Mittelstück unmittelbar in die Brenneinheit aufweist und in der die Funktion der Brenneinheit mittels eines Glaskolbens für den Betrachter durch die Gitterstruktur hindurch sichtbar gemacht wird. Es wird ein Gesamteindruck einer klaren geometrischen Form aus einem Guss kreiert mit einer unterbrechungsfreien Linienführung zwischen dem Unterteil – zur Aufnahme der nicht sichtbaren Gasflasche – und der vertikal angeordneten, transparenten Brennkammer, die durchaus als minimalistisch zu bezeichnen ist und auch im ausgeschalteten Zustand eine künstlerisch ansprechende Gestaltung aufweist. Diese Gestaltung ist nicht dem Gebrauchszweck geschuldet, sondern beruht auf einer künstlerischen Idee des Schöpfers. Der Schöpfer des Verfügungsmusters hat im Rahmen des bestehenden weiten Gestaltungsspielraums seine originelle Idee zur Gestaltung eines Gas-Heizstrahlers umgesetzt.

(2) Zwar dienen wesentliche Teile der Gestaltung, insbesondere die Trennung in ein Unterteil – zur Aufnahme der Gasflasche – und in ein Oberteil – mit einer Brenneinheit – dem Gebrauchszweck eines Heizstrahlers. Daraus folgt aber nicht, dass eine persönliche geistige Schöpfung ausgeschlossen ist. Gebrauchsform und künstlerische Lösung können in einer Form verschmelzen (Senat, GRUR 2022, 565 Rn. 24 – Grand Step Shoes). Auch nach der Auffassung des EUIPO (vgl. Anlage K 26, S. 4) bestanden trotz des Gebrauchszwecks weite Auswahlmöglichkeiten an Formen, Materialien oder Verzierungen. Vorliegend hat der Schöpfer einen über die durch die Funktion vorgegebene Form hinaus bestehenden Gestaltungsspielraum individuell in origineller Weise genutzt. Denn entscheidende Merkmale des Heizstrahlers sind gerade nicht durch den Gebrauchszweck bestimmt. Vielmehr sticht die dreieckige Grundform, die pyramidenhaft ohne Unterbrechung nach oben hin schmaler wird, und der Wechsel aus geschlossenem Unterteil und vergittertem Oberteil mit dem senkrechten Glasrohr, das die Arbeit der Flammen erkennbar macht, unverwechselbar hervor. Dadurch werden Aufbau, Konstruktion und auch die Funktion des Heizstrahlers für jeden Betrachter offengelegt. Der Schöpfer hat insoweit einen Heizstrahler geschaffen, der die Brennkammer als ästhetisch ansprechendes Gestaltungselement verwendet, die dem Betrachter – anders als bei dem geschlossenen Heizpilz – das Flammenspiel zugänglich macht und dies über einen Großteil des Musters hinweg. Hierfür bestand vom Gesamteindruck her zum Zeitpunkt der Schöpfung im Jahre 2006 kein Vorbild. Gegenteiliges, nämlich dass eine Gestaltung eines Heizstrahlers mit den Formmerkmalen des Verfügungsmusters im vorbekannten Formenschatz enthalten wäre, macht auch die Antragsgegnerin nicht mit Erfolg geltend. Die von ihr angeführten aktuellen Produkte lassen keinen Rückschluss auf deren Vorhandensein im Jahre 2006 zu. Dasselbe gilt für das – für nichtig erklärte – Muster gemäß Anlage AG 1 aus dem Jahr 2007. Das Verfügungsmuster mit der dreieckigen Grundform, die pyramidenhaft nach oben hin schmaler wird, und dem Wechsel aus geschlossenem Unterteil und vergittertem Oberteil mit senkrechtem Glasrohr weicht ganz erheblich von der Gestaltung gewöhnlicher „Heizpilze“ – zur Zeit der Schöpfung des Verfügungsmusters im Jahr 2006 – ab. „Heizpilze“ sind gekennzeichnet durch einen zylinderförmigen breiten Fuß, in dem sich meist die Gasflasche befindet. Darauf steht ein Rohr, an dessen oberem Ende sich der Brennkopf befindet, auf dem ein Schirm angebracht ist. Diese an die Form eines Pilzes erinnernde Gestaltung unterscheidet sich deutlich von dem hier streitgegenständlichen Heizstrahler.

(3) Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin sind als technisch notwendig zur Herstellung eines gasbetriebenen Heizstrahlers tatsächlich lediglich eine Gasflasche und eine damit (z.B. durch einen Schlauch) verbundene Verbrennungseinheit zur Abstrahlung der Verbrennungswärme einzustufen. Wie diese im Einzelnen angeordnet und gestaltet werden, blieb dem Schöpfer des Heizstrahlers überlassen, so dass ein weiter Gestaltungsspielraum bestand. Dass es verschiedene Möglichkeiten zur Gestaltung eines Heizstrahlers gibt, hat das Landgericht zutreffend auch durch das als Anlage K 25 vorgelegte Rechercheergebnis einer Google Bildersuche zu dem Begriff „Heizstrahler“ als belegt angesehen. Der Einwand der Antragsgegnerin, die vom Schöpfer gewählte Grundform sei die sicherheitstechnisch überlegene und rein technisch bedingt, verfängt schon mit Blick auf die Anlage K 25 nicht. Auch diese Übersicht enthält zweifelsohne Modelle, die Sicherheitsbedingungen in puncto Standsicherheit gerecht zu werden vermögen. Dass ein Gerät oben schmaler werden müsse, um die Stabilität und Sicherheit zu gewährleisten, wird hierdurch im Zweifel widerlegt. Diese Übersicht zeigt vielmehr, dass es durchaus auch zahlreiche quaderförmige Heizstrahler gibt und somit die Form der Pyramide nicht als technische Notwendigkeit im Bereich von Heizstrahlern zu werten ist. Weder die eckige Grundform noch der pyramidenhaft nach oben hin schmaler werdende Korpus mit dem senkrechten Glasrohr hinter den querverlaufenden Gitterstäben noch der eckige Schirm am oberen Ende der Pyramide sind erkennbar technisch bedingt. Dass der Brenner eine Durchbrochenheit wegen der Luftdurchlässigkeit benötige, um die Flamme aufrechtzuerhalten, sagt noch nichts über deren Ausgestaltung. Zwar mag eine Turmstruktur bei einem Heizstrahler für den technischen Effekt der sicheren Nutzung der Heizung und der Strahlungswärmeausbreitung sinnvoll sein; zwingend ist die konkrete Ausgestaltung aber keineswegs. Auch der Umstand, dass der Sockel konstruktionsbedingt Platz für eine Gasflasche bieten müsse, sagt noch nichts über das Verhältnis von Sockel zum Rest des Musters und den Linienverlauf aus.

(4) Zwar lässt sich nach der Rechtsprechung des Senats aus einem Abstand zum Formenschatz allein noch nicht schließen, dass der Urheber bei der Erstellung „frei kreative Entscheidungen“ treffen konnte, die eine Originalität des Werkes vermitteln und die Persönlichkeit des Urhebers widerspiegeln (vgl. Senat, GRUR-RS 2021, 58851 Rn. 64 – Leuchte Doo). Insoweit wären etwaige Vorgaben, Aufträge oder Aufgabenstellungen berücksichtigungsfähig, die den Gestaltungsspielraum für kreative Entscheidungen betreffend die Formgestaltung einschränken können. Dasselbe gilt, wenn es ein etwaiges Vorgängermodell gibt, um dessen Fortentwicklung es bei der Kreation lediglich ging. Denn u.a. einer objektiv vorbekannten Gestaltung kann keine schöpferische Eigentümlichkeit zuerkannt werden (vgl. Senat, GRUR-RS 2021, 58851 Rn. 66 f. – Leuchte Doo). Vorliegend sind jedoch keine Umstände vorgetragen oder ersichtlich, die für eine solche Einengung des Gestaltungsspielraums des Schöpfers sprächen…“

In einem Parallelverfahren wurde mit Urteil vom 30. März 2023 (Az.: 5 U 84/21) unter anderem ein Schadensersatzanspruch in bezifferter Höhe zugesprochen.

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