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OLG Stuttgart: Bewertung mit 1 Stern nebst Kommentar „nicht empfehlenswert und „kritisch: Professionalität“ zur Leistung eines Rechtsanwalts ohne geschäftlichen Kontakt im Rahmen eines Mandates unzulässig

Bewertung mit 1 Stern nebst Kommentar „nicht empfehlenswert und „kritisch: Professionalität“ zur Leistung eines Rechtsanwalts ohne geschäftlichen Kontakt im Rahmen eines Mandates unzulässig – So das OLG Stuttgart in seinem Urteil vom 31. August 2022 (Az.: 4 U 17/22) zu einer bei Google vorgenommen Bewertung. Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gegen die Bewertung wurde durch das Gericht bejaht. Zwischen dem klagenden Rechtsanwalt und dem Bewerter bestand kein direktes Mandatsverhältnis, sondern war Beklagter in einem Gerichtsverfahren, in dem der bewertete Rechtsanwalt einen Mandanten vertreten hatte.

Ansicht des Gerichts: Aussage ist Werturteil mit Tatsachenkern

Das OLG Stuttgart sieht die Bewertung zwar als Werturteil, aber mit einem Tatsachenkern, einer vorherigen Mandatierung.

Das Gericht führt in den Entscheidungsgründen unter anderem aus:

„…Nach dem Kontext der Äußerungen enthalten diese über ihren Wortlaut hinaus aus Sicht eines durchschnittlichen Lesers der Bewertung aber auch tatsächliche Elemente, da der Beklagte damit zugleich behauptet, dass er mit dem für die Bewertung der Kanzlei relevanten Leistungsangebot in Kontakt gekommen ist. Damit ist nicht zwingend die Aussage verbunden, dass der Beklagte Mandant des Klägers gewesen ist. Es genügt vielmehr schon jeder leistungsbezogene bzw. mandatsbezogene geschäftliche Kontakt zwischen den potentiellen (Vertrags-) Parteien, etwa bei der mündlichen Vereinbarung eines ersten Beratungstermins oder bei einer schriftlichen Anfrage an die Kanzlei (vgl. ebenso LG München, Urteil vom 20.11.2019, Az. 11 O 7732/19 – juris Rn. 40). Hierunter fällt jedoch nicht ein Kontakt des Bewertenden als Gegner eines Mandanten dieser Kanzlei. Erfahrungen, die in diesem Zusammenhang gesammelt werden, stellen keinen leistungsbezogenen bzw. mandatsbezogenen geschäftlichen, sondern nur einen gelegentlichen sonstigen Kontakt dar. Ein durchschnittlicher Leser, der typischerweise die Online-Bewertungen betrachtet, um sich im Vorfeld der Vertragsanbahnung zu informieren, geht davon aus, dass der Bewertung in diesem Sinne ein leistungs- bzw. mandatsbezogener geschäftlicher Kontakt zu Grunde liegt; zumal eine Bewertung, die auf einem sonstigen gelegentlichen Kontakt als Prozessgegner eines Mandanten der Kanzlei beruht, keine belastbare Aussagekraft für die vorzunehmende Bewertung der Leistung der Kanzlei besitzt und damit nicht zu der von der Rechtsordnung grundsätzlich gebilligten und gesellschaftlich erwünschten Funktion von Bewertungsfunktionen von Online-Plattformen iSd. Schaffung von Markttransparenz beitragen kann (vgl. etwa BGHZ 209, 139-157, Rn. 40). Denn es ist allseits bekannt und gesellschaftlich anerkannt, dass der tätige Rechtsanwalt als Interessenvertreter des Mandanten fungiert. Die erfolgreiche Wahrnehmung der Interessen des eigenen Mandanten bedeutet oft nachteilige Konsequenzen für den Gegner des Mandanten. Die Erfahrungen des Prozessgegners lassen insofern typischerweise keinen gleichermaßen sachlichen Rückschluss auf die Qualität der anwaltlichen Leistungen zu; zumal der tätige Rechtsanwalt unter Umständen im Innenverhältnis – in Unkenntnis des Prozessgegners – an die Weisungen des Mandanten gebunden ist und das Handeln nach Außen keine hinreichende Bewertungsgrundlage darstellt. Dieses Verständnis prägt auch den Erwartungshorizont des durchschnittlichen Lesers einer geschalteten Bewertung, der diese – wie dargelegt – typischerweise im Vorfeld der Begründung eines Mandatsverhältnisses zur Informationsgewinnung in Anspruch nimmt….“

Ansicht des Gerichts: Ohne Mandantenkontakt ist Bewertung unzulässig

Ohne ein Mandat mit dem Rechtsanwalt durfte die Bewertung mit den Aussagen und dem einen Stern nicht erfolgen und war unzulässig.

Das Gericht führt in den Entscheidungsgründen unter anderem aus:

„…Im Streitfall sind deshalb die Schutzinteressen des Klägers mit dem in Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 Abs. 1 EMRK verankerten Recht des Beklagten auf Meinungsfreiheit abzuwägen. Dabei ist den Schutzinteressen des Klägers der Vorrang einzuräumen. In der konkreten Gestaltung ist der tatsächliche Bestandteil der Äußerung, auf dem die Bewertung aufbaut, unwahr, wenn der behauptete leistungs- bzw. mandatsbezogene geschäftliche Kontakt nicht bestanden hat. Ein berechtigtes Interesse des Bewertenden, einen tatsächlich nicht stattgefundenen geschäftlichen Kontakt zu bewerten, ist nicht ersichtlich.

Dies ist vorliegend der Fall. Es steht außer Streit, dass der Beklagte zu keinem Zeitpunkt einen mandatsbezogenen geschäftlichen Kontakt zum Kläger hatte. Der Eindruck, den der Beklagte vom Kläger im Rahmen der streitigen Auseinandersetzung gewonnen hat, genügt insofern nicht. Dies gilt auch für den Kontakt im Rahmen einer Anfrage des Beklagten wegen eines möglichen Datenschutzverstoßes aufgrund des Umgangs mit Daten aus einem Klageverfahren, in dem der Kläger den Gegner des Beklagten vertreten hat. Auch dies stellt keinen mandatsbezogenen geschäftlichen Kontakt dar, sondern steht vielmehr im Zusammenhang mit dem Klageverfahren zwischen dem Beklagten und einer vom Kläger vertretenen dritten Person und beruht damit letztlich auf Erfahrungen des Beklagten als Prozessgegner.

Vor diesem Hintergrund müssen die Interessen des Beklagten im Rahmen einer Gesamtabwägung hinter den Schutzinteressen des Klägers zurücktreten. Die beanstandete Bewertung ist rechtswidrig und daher zu löschen….“

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