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OLG Stuttgart: kein Anspruch auf Wertersatz nach Widerruf eines Fernabsatzvertrages durch Verbraucher für Unternehmer, wenn die Widerrufsbelehrung fehlerhaft war; dies gilt auch für den Zeitraum bis zum Widerruf

So unter anderem das Gericht in seinem Urteil vom 8.April 2025 (Az.: 6 U 126/24) in einem Rechtsstreit, in dem nach dem Widerruf eines online geschlossenen Kaufvertrages der Kaufpreis gerichtlich eingeklagt worden war. Es führt in den Entscheidungsgründen unter anderem aus:

„…aa) Der Anspruch des Unternehmers auf Wertersatz setzt gemäß § 357a Abs. 1 Nr. 2 BGB voraus, dass der Unternehmer den Verbraucher nach Artikel 246a § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 des EGBGB über sein Widerrufsrecht unterrichtet hat.

Soweit der Bundesgerichtshof für den Widerruf eines Verbraucherdarlehensvertrages im Fall des Verbunds mit einem im stationären Handel geschlossenen Kaufvertrag entschieden hat, dass die Wertersatzpflicht des Darlehensnehmers nicht von einer ordnungsgemäßen Belehrung über das Widerrufsrecht abhängt, sondern nur von einer Unterrichtung des Verbrauchers über eine mögliche Wertersatzpflicht (BGH, Urteil vom 27. Oktober 2020 – XI ZR 498/19 –, Rn. 31 ff., juris), beruht das auf den Besonderheiten der Regelung verbundener Verträge und kann nicht auf die vorliegende Fallgestaltung übertragen werden.

Entgegen der Auffassung der Beklagten setzt der Anspruch auf Wertersatz voraus, dass der Unternehmer den Verbraucher nach Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EGBGB ordnungsgemäß informiert hat. Diese Regelung setzt Art. 14 Abs. 2 Satz 2 der Verbraucherrechterichtlinie um, wonach der Verbraucher in keinem Fall für den Wertverlust der Waren haftet, wenn er vom Unternehmer nicht gemäß Art. 6 Abs. 1 Buchst. h der Richtlinie über sein Widerrufsrecht belehrt wurde. Die Belehrung ist nur dann „gemäß Art. 6 Abs. 1 Buchst. h“ der Richtlinie erfolgt, wenn die Belehrung unter Beachtung der dort geregelten Vorgaben erteilt wurde. Soweit in Erwägungsgrund 43 der Verbraucherrechterichtlinie ausgeführt wird, dass sich die Widerrufsfrist verlängern sollte, wenn der Unternehmer den Verbraucher nicht informiert, folgt daraus nicht, dass die Richtlinie an eine unzureichende Belehrung keine weiteren Rechtsfolgen knüpft.

Diese vom Gesetz eindeutig angeordnete Befreiung des Verbrauchers von einer Ersatzpflicht kann auch nicht unter Hinweis darauf korrigiert werden, der Verlust der Wertersatzpflicht stelle angesichts der bloß fehlerhaften Widerrufsbelehrung eine unverhältnismäßige Sanktion dar. Sind die Mängel der Belehrung so gewichtig, dass sie sich auf die Befähigung des Verbrauchers, den Umfang seiner Rechte und Pflichten einzuschätzen auswirken, ist die fehlerhafte Belehrung der gänzlich fehlenden Belehrung gleichzustellen, was nach dem Gesetz zur Folge hat, dass die Widerrufsfrist nicht beginnt und der Verbraucher nach § 357a Abs. 1 Nr. 2 BGB keinen Wertersatz zu leisten hat. Auch der Einwand, die Regelung widerspreche dem allgemeinen Verbot ungerechtfertigter Bereicherung, greift nicht durch (vgl. EuGH, Urteil vom 17. Mai 2023 – C-97/22 –, juris).

Leidet die Widerrufsbelehrung des Unternehmers an Mängeln, die den Lauf der Widerrufsfrist hindern, steht das auch dem Anspruch des Unternehmers auf Wertersatz entgegen (vgl. BGH, Urteil vom 20. Februar 2025 – VII ZR 133/24 –, Rn. 37, juris; BeckOGK/Mörsdorf, 1.8.2024, BGB § 357a Rn. 32, beck-online; BeckOK BGB/Müller-Christmann, 71. Ed. 1.2.2025, BGB § 357a Rn. 11, beck-online; MüKoBGB/Fritsche, 9. Aufl. 2022, BGB § 357a Rn. 14, beck-online; Koch in: Erman BGB, Kommentar, 17. Auflage 2023, § 357a BGB, Rn. 11, a. A. Nordholz/Bleckwenn, NJW 2017, 2497).

bb)

Für die Auffassung der Beklagten, der Kläger müsse in jedem Fall den innerhalb der vierzehntägigen Widerrufsfrist verursachten Wertverlust ersetzen, bietet das Gesetz keine Grundlage. Sind die Anspruchsvoraussetzungen nach § 357a Abs. 1 BGB nicht erfüllt, scheidet ein Anspruch auf Wertersatz insgesamt aus…“

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