E-Commerce-Recht,  Wettbewerbsrecht

OLG Brandenburg: Lebensmittelverkauf auf Amazon- Die unter „Verkauf und Versand“ angegebene Firma genügt nicht der Pflicht der Angabe des Lebensmittelunternehmers nach Art. 14 Abs. 1 LMIV i.V.m. Art. 9 Abs. 1 lit. h) LMIV->Verstoß gegen §§ 5a,b UWG

So das Gericht in seinem Urteil vom 17. Oktober 2023 (Az.: 6 U 88/22) in einem wettbewerbsrechtlichen Rechtsstreit zwischen einem qualifizierten Wirtschaftsverband und einem Unternehmen, dass auf Amazon Getränke angeboten hatte. Es war im Rahmen der Artikeldarstellung keine Angabe des Lebensmittelunternehmers nach Art. 14 Abs. 1 LMIV i.V.m. Art. 9 Abs. 1 lit. h) LMIV in der, so nach Ansicht des Gerichts rechtliche zutreffenden Form, enthalten. Das beklagte Unternehmen hatte unter anderem vorgetragen, dass eine solche Angabe aufgrund der Plattformgaben nicht möglich sei. Daher sei die Angabe unter „Verkauf und Versand“ ausreichend.

Die Richter des OLG Brandenburg folgten der Ansicht des klagenden qualifizierten Wirtschaftsverbandes und bejahten den Unterlassungsanspruch. Sie führen in den Entscheidungsgründen unter anderem aus:

„…Die Beklagte ist mit der Angabe: „Verkauf und Versand durch A…“ ihrer danach bestehenden Informationsverpflichtung im Hinblick auf die Person des Lebensmittelunternehmers nicht nachgekommen.

(1) Art. 14 Abs. 1 LMIV verpflichtet für den Fall des Verkaufs von vorverpackten Lebensmitteln im Fernabsatz zur Bereitstellung der verpflichtenden Angaben nach Art. 9 LMIV und damit auch des Namens oder der Firma und der Anschrift des Lebensmittelunternehmers nach Artikel 8 Abs. 1 LMIV. Dessen Definition knüpft ausgehend von der Begriffsbestimmung in Art. 8 Abs. 5 LMIV i.V.m. Art. 2 Abs. 1 lit. a) BasisVO zusätzlich an die konkrete Verantwortlichkeit für das Lebensmittel an, indem es eine Information über denjenigen Lebensmittelunternehmer verlangt, unter dessen Namen oder Firma das Lebensmittel vermarktet wird, oder, wenn dieser Unternehmer nicht in der Union niedergelassen ist, über den Importeur, der das Lebensmittel in die Union einführt. Die Angabe des Namens oder der Firma und der Anschrift dient der Verwirklichung des vom EU-Recht bezweckten Schutzes des Verbrauchers, dem die Informationen an die Hand gegeben werden sollen, die er im Einzelfall benötigt, um den Lebensmittelunternehmer als lebensmittelrechtlich Verantwortlichen zu kontaktieren. Dies kann im Hinblick auf das von diesem nach Art. 8 Abs. 2 LMIV zu gewährleistende Vorhandensein und die Richtigkeit der Informationen über das Lebensmittel notwendig werden. Denn diese dienen dazu, die Verbraucher in Bezug auf die von ihnen verzehrten Lebensmittel in geeigneter Weise über bei der Herstellung von Lebensmitteln verwendete Zutaten, Stoffe oder Erzeugnisse zu informieren, die bei manchen Menschen gesundheitsgefährdende Allergien und Unverträglichkeiten verursachen können (vgl. LMIV, Erwägungsgrund 3 und 24). Um diese Informationen gegebenenfalls abzufragen, muss der Verbraucher den Verantwortlichen nach Art. 8 Abs. 1 LMIV bestimmen können und müssen die Angaben zur Anschrift ermöglichen, dass der Verantwortliche postalisch ohne Weiteres erreicht werden kann (Meisterernst, in: Sosnitza/Meisterernst [vormals Zipfel/Rathke], Lebensmittelrecht, 186. EL Art. 9 Rn. 3; Voit/Grube LMIV, 2. Aufl. 2016 Art. 8 Rn. 49; Art. 9 Rn. 49).

(2) Die Beklagte hat zwar, indem sie ihren eigenen Namen und ihre Anschrift auf der Website bereitgestellt hat, die sich daraus ergebenden Anforderungen formal erfüllt. Denn sie hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat klargestellt, Importeurin der in der inkriminierten Werbung angebotenen Waren zu sein, die sie zumindest teilweise aus dem Nicht-EU-Ausland einführt. Indem sie ihre Firma und ihre Anschrift mit dem Warenangebot zugänglich gemacht hat, hat sie deshalb den als Importeur verantwortlichen Lebensmittelunternehmer im Sinne des Art. 8 Abs. 1 LMIV objektiv benannt. Allerdings ist dies für den das Warenangebot der Beklagten betrachtenden Verbraucher nicht erkennbar, weil die Beklagte die Information durch die Verbindung mit der Überschrift „Vertrieb und Versand“ in den Zusammenhang mit Angaben zum Verkäufer gestellt und damit verheimlicht, jedenfalls aber verunklart hat, dass sie als Importeurin verantwortliche Lebensmittelunternehmerin ist. Nach dem für die Beurteilung maßgeblichen Empfängerhorizont des durchschnittlich informierten, verständigen und angemessen aufmerksamen Verbrauchers, der Waren im Internet einkauft, und den der Senat, dessen Mitglieder diesem Verkehrskreis angehören, aufgrund eigener Erfahrung selbst beurteilen kann (vgl. BGH, Urteile vom 20.10.1999 – I ZR 167/97, Orient-Teppichmuster, Rn. 20, und vom 24.09.2013 – I ZR 89/12, Matratzen Factory Outlet – Rn. 17; jew. zit. nach juris), stellt sich dies als Irreführung dar, weil danach nicht erkennbar ist, dass die Beklagte der nach Art. 8 Abs. 1 LMIV als eigenvermarktender oder importierender Lebensmittelunternehmer zuständige Ansprechpartner ist. Diese Information ist für den Verbraucher allerdings relevant, weil die Pflichten des eigenvermarktenden oder importierenden Lebensmittelunternehmens weitergehen als die eines bloßen Händlers, als der sich die Beklagte durch die Angabe „Verkauf und Vertrieb“ geriert, denn Art. 8 LMIV begründet ein System gestufter Verantwortlichkeit und zielt darauf ab, Handelsunternehmen im Zusammenhang mit den Pflichten der LMIV nur für solche Umstände zur Verantwortung zu ziehen, die in ihrem Geschäftsbereich bzw. Einflussbereich liegen (Voit, in: Voit/Grube, LMIV, 2. Aufl. 2016, Art. 8 Rn. 13). Auch für Fragen der Produkthaftung, für die der bloße Händler nur nachrangig (§ 4 Abs. 3 ProdHaftG) einzustehen hat, bedarf der Verbraucher nicht nur des Namens, sondern auch der Offenlegung der Funktion als Lebensmittelverantwortlichen.

(3) Dass in der Literatur vertreten wird, im Zusammenhang mit der Information nach Art. 9 Abs. 1 lit. h) LMIV bedürfe es nicht der Darstellung der Funktion des mit Name oder Firma und Anschrift bezeichneten verantwortlichen Lebensmittelunternehmers (vgl. Meisterernst, a.a.O., Art. 9 Rn. 33; Voit, a.a.O., Art. 9 Rn. 49) steht nicht entgegen. Der streitgegenständliche Fall unterscheidet sich bereits im Tatsächlichen von der dort zugrunde gelegten Konstellation, weil es vorliegend nicht an jeder Bezeichnung fehlt, in welcher Funktion bzw. Verantwortlichkeit die im Zusammenhang mit der Ware angegebene Firma handelt, sondern eine unrichtige Funktion bzw. Verantwortlichkeit angegeben wird, die mit einem geringeren Pflichtenkreis verbunden ist. Genau darin liegt aber die Irreführung. Im Übrigen dürfte diese auf Art. 9 Abs. 1 lit. h) und damit Verkaufsgeschäfte im Allgemeinen bezogene Auffassung auf den Verkauf von Lebensmitteln im Fernabsatz auch nicht zu übertragen sein. Art. 9 LMIV listet die verpflichtenden Angaben auf, die nach Art. 6 LMIV jedem Lebensmittel, das für die Lieferung an Endverbraucher oder Anbieter von Gemeinschaftsverpflegung bestimmt ist, beizufügen und die nach Art. 12 LMIV direkt auf der Verpackung oder auf einem an dieser befestigten Etikett anzubringen sind. Dies zeigt, dass Art. 9 LMIV in erster Linie auf den stationären Verkauf zugeschnitten ist, bei dem der Verbraucher unmittelbar durch Betreten eines Ladengeschäfts erkennt, wer Verkäufer der Ware ist und ob sich dieser von dem nach Art. 8 Abs. 1 LMIV verantwortlichen (selbstvermarktenden bzw. importierenden) Lebensmittelunternehmer unterscheidet. Ist dies der Fall, wird der durchschnittlich verständige und aufmerksame Verbraucher die Angabe einer Firma nebst Anschrift auf dem Etikett oder der Verpackung der Ware auch ohne Bezeichnung der Funktion ohne weiteres dem Lebensmittelunternehmer zuordnen. Bei dem Verkauf im Fernabsatz, wie ihn die Beklagte hier unternimmt, gestaltet sich die Situation anders. Damit dem Verbraucher auch im Fernabsatz die nach der LMIV als notwendig anzusehenden Informationen vor seinem Kaufentschluss zur Verfügung stehen – was dem Verbraucher im stationären Einzelhandel ohne Weiteres durch Inaugenscheinsnahme vor dem Gang zur Kasse möglich ist – bestimmt Art. 14 LMIV, dass verpflichtende Informationen nach Art. 9 LMIV vor dem Abschluss des Kaufvertrags auf dem Trägermaterial des Fernabsatzgeschäfts oder durch andere geeignete Mittel verfügbar sein müssen. In dieser Situation fehlt allerdings dem Verbraucher noch der unmittelbare Zugriff auf die Ware, so dass er anders als im stationären Handel die auf der Verpackung oder auf einem an dieser befestigten Etikett angebrachten Pflichtinformationen nicht zur Kenntnis nehmen kann. Enthält die Information im Fernabsatz vor Abschluss des Kaufvertrages die Funktionsbezeichnung desjenigen, der mit Firma und Anschrift genannt wird, nicht, ist deshalb anders als im stationären Handel aus den Umständen nicht erkennbar, ob er nur als Händler oder zugleich als Lebensmittelverantwortlicher i.S.d. Art. 8 Abs. 1 LMIV auftritt. Dies, wie auch die hier streitgegenständliche Bezeichnung nur als Verkäufer, ist geeignet, Verbraucher davon abzuhalten, ihre Rechte gegenüber der Beklagten als Lebensmittelunternehmer wahrzunehmen…“

Hinweis:

Das Gericht hat die Revision zum BGH zugelassen.

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