Wettbewerbsrecht

OLG Frankfurt a.M.: Kein Verstoß gegen Wettbewerbsrecht, wenn Hörgeräteakustiker bei Vorliegen einer ärztlichen Verordnung eine Fernversorgung ohne persönliche Anwesenheit des Kunden vornimmt

Das Gericht verneinte in seinem Urteil vom 17. August 2023 (Az.: 6 U 109/22) sowohl einen Verstoß gegen § 3a UWG i.V.m. § 9 MPDG als auch § 5 UWG. Gestritten hatten zwei Hörakustiker-Betriebe, die Hörsysteme für Endkunden anbieten. Der Beklagte hatte dabei eine Hörgeräte-Anpassung, bei Vorliegen der ärztlichen Verordnung ohne persönlichen Kontakt vor Ort, sondern per Telefon und App angeboten.

Das Gericht sah zunächst keinen Rechtsverstoß gegen § 3a UWG i.V.m. § 9 I Nr. 2 MPDG, da diese Vorschrift gerade keine persönliche Anwesenheit vorsehe. Es führt in den Entscheidungsgründen unter anderem aus:

„…Das Landgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Verordnung nicht zwingend von einem Hörgeräteakustiker unter Vornahme einer Untersuchung des Kunden zu erstellen ist, sondern dass die ärztliche Verordnung ausreichend ist.

(1) Mit Blick auf die Wortlautauslegung ist zunächst darauf hinzuweisen, dass § 9 MPDG nicht etwa die Verpflichtung des Gesundheitshandwerkers enthält, eine Verordnung zu erstellen, sondern eine Verordnung zu dokumentieren. Die Dokumentation einer Verordnung spricht auf den ersten Blick dafür, dass es sich um eine bereits bestehende Verordnung handelt und nicht um eine, die der Gesundheitshandwerker zeitgleich erstellt. Jedenfalls aber schließt der Wortlaut nicht aus, dass ein Anderer als der Gesundheitshandwerker eine solche Verordnung erstellt.

(2) In teleologischer Hinsicht sollen durch die Befreiung von den gesetzlichen Anforderungen an Produkte aus Eigenherstellung bzw. die Anpassung vorgefertigter Produkte die Anforderungen an Gesundheitshandwerker „handhabbar werden“; die Regelung ergänzt die MedizinprodukteVO und dispensiert den Gesundheitshandwerker von deren strengeren Regeln. Der Anpasser soll eher die Anforderungen eines Händlers oder Importeurs, nicht aber die eines Herstellers erfüllen müssen. Also dient die Norm der Reduzierung von Dokumentations- und Kontrollpflichten nach dem Medizinprodukterecht. Wenn der Schutzzweck die Dokumentation ist, ist nicht ersichtlich, warum diese zwingend vom Gesundheitshandwerker und nicht auch vom Arzt kommen kann.

Im Übrigen dokumentiert der Arzt in seiner „Verordnung“ rein tatsächlich exakt dasselbe, was auch der Gesundheitshandwerker dokumentiert. Dies ergibt sich aus einer Gegenüberstellung der „Verordnung“ des Hörgeräteakustikers in Anlage BK 4 (Bl. 273) mit der ärztlichen Verordnung (Muster Bl. 333).

(3) Auch aus der Gesetzesbegründung ergibt sich kein Hinweis für die Auffassung der Klägerin:

Die Begründungen zu § 3 und § 9 enthalten zwar Ausführungen dazu, dass die von den Gesundheitshandwerkern ausgestellten „schriftlichen Verordnungen“ auf eigenen Messungen des Gesundheitshandwerkers beruhen müssen (BT-Drs. 19/15620, S. 119). An keiner Stelle der Begründung finden sich jedoch Indizien dafür, dass die Verordnung nicht auch von einem Arzt ausgestellt werden darf. Aus der Begründung zu § 9 ergibt sich vielmehr, dass den Gesundheitshandwerkern als Anpassern die Dokumentation obliegt – u.a. auch die Dokumentation einer Verordnung; dass dies nur eine Verordnung eines des Gesundheitshandwerkers sein kann, ergibt sich hieraus nicht…“

Zudem verneinte das Gericht auch eine Irreführung nach § 5 UWG und führte dazu unter anderem aus:

 „…b) In der Sache fehlt es an einer Irreführung. Die Ausführungen zu 2.) und 3.) führen dazu, dass mangels Rechtswidrigkeit des Verhaltens der Beklagten eine Täuschung zu verneinen ist. Der Beklagten kann es nicht untersagt werden, reine Online-Anpassungen durchzuführen.

c) Eine Irreführung kann auch nicht unter einem anderen Aspekt bejaht werden.

In der Berufungsbegründung hat die Klägerin zur Zurückweisung des Antrags 1c) überhaupt keine Ausführungen zur Irreführung gemacht. Auch im Schriftsatz vom 22.05.2023 befasst sich die Klägerin umfangreich mit § 3a UWG, dem MPDG sowie § 128 IV SGB V, jedoch nicht mit der Frage der Irreführung. Gleiches gilt für den Schriftsatz vom 13.07.2023, der zwar umfangreiche Ausführungen dazu enthält, ob die Teleaudiologie dem aktuellen Stand der Technik entspricht und warum daher eine Verordnung des Hörgeräteakustikers nach § 9 MPDG zwingend erforderlich sei, während eine Verordnung des HNO-Arztes die Anforderungen des § 9 MPDG nicht erfülle.

Der Kläger hat substantiiert diejenigen Irreführungsaspekte darzulegen und zu den dafür maßgeblichen Tatbestandsvoraussetzungen einer irreführenden geschäftlichen Handlung konkret vorzutragen, auf die er seinen Klageangriff stützen will. Dementsprechend darf auch das Gericht eine Verurteilung nur auf diejenigen Irreführungsgesichtspunkte stützen, die der Kläger schlüssig vorgetragen hat. Die schlüssige Darlegung eines Irreführungsgesichtspunkts setzt Vortrag dazu voraus, durch welche Angabe welcher konkrete Verkehrskreis angesprochen wird, welche Vorstellungen die Angabe bei diesem angesprochenen Verkehrskreis ausgelöst hat, warum diese Vorstellung unwahr ist und dass die so konkretisierte Fehlvorstellung geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er anderenfalls nicht getroffen hätte (BGH GRUR 2018, 431 Rn. 16 – Tiegelgröße, mwN)…“

Das Gericht hat die Revision am BGH zugelassen.

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