Wettbewerbsrecht

OLG Frankfurt a.M.: Arztpraxis darf auch mit zwei Ärzten die Bezeichnung als „Zentrum“ nutzen

Es liegt kein Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht vor. So das Gericht in seinem Urteil vom 16. Mai 2023 (Az.: 6 U 4/23) in einem wettbewerbsrechtlichen einstweiligen Verfügungsverfahren, in dem sich Ärzte aus dem Bereich der plastischen Chirurgie gegenüberstanden. Streitig war die Bezeichnung einer Gemeinschaftspraxis als „Zentrum für plastische und ästhetische Chirurgie“.

Das Gericht sah keine Irreführung nach § 5 UWG und begründete dies unter anderem wie folgt:

„…Jedenfalls für den medizinischen Bereich weist der Begriff „Zentrum“ indes nicht auf eine besondere Größe (nur dieses Kriterium ist Gegenstand des Antrages) hin.

Allerdings hat der BGH (im Jahr 2012) die Bezeichnung „Neurologisches/Vaskuläres Zentrum“ für eine mit einem Internisten als „Chefarzt“ besetzte Unterabteilung eines Krankenhauses als irreführend beanstandet, weil die fragliche Unterabteilung erkennbar nicht über eine über den Durchschnitt hinausgehende Kompetenz, Ausstattung und Erfahrung auf dem fraglichen Gebiet verfügte (BGH GRUR 2012, 942 Rn. 19 – Neurologisch/Vaskuläres Zentrum). Die Verwendung des Wortes „Zentrum“ deute – auch mit Blick auf die Verwendung des Begriffs „medizinisches Versorgungszentrum“ in § 95 I SGB V – in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Leistungen der fraglichen Unterabteilung über das Leistungsangebot eines von den Krankenkassen zugelassenen niedergelassenen Arztes hinausgehen (BGH GRUR 2012, 942 Rn. 20 – Neurologisch/Vaskuläres Zentrum).

Indes haben sich die gesetzlichen Voraussetzungen seither geändert. Nach § 95 I 1 SGB V erfordert ein Medizinisches Versorgungszentrum keine bestimmte Größe. Auch ist das früher bestehende Erfordernis einer fachübergreifenden Kooperation 2015 entfallen. Der einzige Unterschied zu einer Berufsausübungsgemeinschaft besteht darin, dass nicht der einzelne Arzt, sondern das MVZ als Einrichtung zugelassen wird. (BeckOGK/Rademacker, 1.8.2019, SGB V § 95 Rn. 54).

Damit besteht für Praxen mit zwei tätigen Ärzten die Möglichkeit, sich als MVZ zuzulassen und unter der Bezeichnung „Medizinisches Versorgungszentrum“ auf dem Markt aufzutreten. Dies ist bei der Frage des Verkehrsverständnisses zu berücksichtigen (BVerfG MedR 2012, 516 – Zentrum für Zahnmedizin). Dass die „gesetzliche Definition“ in § 95 I 2 SGB V Auswirkungen auf das Verständnis des allgemeinen Begriffs „Zentrum“ hat, drängt sich nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts geradezu auf. Der Senat teilt diese Auffassung. Die auch gerichtsbekannte Häufigkeit des Auftretens von MVZs auf dem Markt führt an eine Gewöhnung des Verkehrs an die Begrifflichkeit. Das häufige Auftreten der (Versorgungs-)Zentren auf dem Markt der Versorgung mit medizinischen Dienstleistungen wirkt einem Verständnis entgegen, das von einer überdurchschnittlichen Größe der Praxis ausgeht.

Unter dem Gesichtspunkt der Berufungsausübungsfreiheit der Art. 3 I, 12 I GG wäre es zudem verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigen, einem „Zentrum für ästhetische und plastische Chirurgie“ mit zwei ärztlichen Mitarbeitern diese Bezeichnung zu untersagen und zugleich einem „Medizinischem Versorgungszentrum für ästhetische und plastische Chirurgie“ wegen § 95 I 2 SGB V die Verwendung der Bezeichnung „Zentrum“ zu erlauben. Es wäre nämlich nicht denkbar, den Betreibern eines MVZ die Benutzung eines im SGB X legaldefinierten Begriffs unter lauterkeitsrechtlichen Gesichtspunkten zu untersagen….“

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