Wettbewerbsrecht

LG München I: Räumliche Nähe von Angaben zu „Verbrauch und Emissionen“ und der Bezeichnung „WLTP“ kann zu Irreführung bei Kfz-Bewerbung führen

So das Landgericht München I zu Gunsten des abmahnenden Umweltschutzverbandes in seinem Urteil vom 7. Februar 2023 (Az.: 1 HK O 4969/22), dass in einem Gerichtsverfahren gegen einen bayrischen Automobilhersteller gesprochen wurde. Dieser hatte im Rahmen der Bewerbung entsprechend vorgenommen.

Das Gericht sieht eine Irreführung nach § 5 UWG und begründet dies unter anderem wir folgt:

„…Es liegt eine irreführende geschäftliche Handlung der Beklagten vor.

Irreführend ist eine Handlung nach § 5 Abs. 2 Nr.1 UWG u.a, wenn sie unwahr ist oder zur Täuschung geeignete Angaben über wesentliche Merkmale eines Produkts enthält.

Wie eine Werbeaussage zu verstehen ist und damit die Frage ihrer Täuschungseignung, beurteilt sich nach dem Verständnis des durchschnittlich informierten, verständigen und der Situation, in der er mit der Aussage konfrontiert wird, entsprechend aufmerksamen Durchschnittsverbrauchers. Die Beurteilung dieses Verständnisses obliegt dem Tatrichter (vgl. BGH GRUR 2003, 247).

Es ist in der Rechtsprechung dabei auch anerkannt, dass die Irreführungsgefahr sich nicht auf sämtliche und auch auf die überwiegende Zahl der Verbraucher erstrecken muss, sondern ausreichend ist, wenn ein nicht unerheblicher Teil der Verkehrskreise irregeführt werden kann. Auch darauf, ob tatsächlich Verbraucher irregeführt wurden oder ob eine Täuschungsabsicht bestand, kommt es nicht an.

Danach ist Täuschungseignung hier zu bejahen. Es besteht die Gefahr, dass ein nicht unerheblicher Teil der angesprochenen Verbraucher bei Betrachtung der Darstellung zu der Auffassung gelangt, dass die ausgewiesenen Werte zum Kraftstoffverbrauch und zur CO₂-Emission nach dem WLTP berechnet sind.

a) Der Annahme, dass es sich bei den ausgewiesenen Werten um WLTP-Werte handelt, werden insbesondere Verbraucher unterliegen, denen die Bedeutung des Zeichens „WLTP“ bereits bei Besuch der Seite bekannt ist, d.h. die wissen, dass es sich dabei um eine Abkürzung für eine Prüfmethode bei der Schadstoff- und Verbrauchsberechnung handelt und dass der WLTP den NEFZ ablöst bzw. abgelöst hat.

Anders als die Beklagte geltend macht, ist das Zeichen „WLTP“ nämlich nicht ausreichend abgesetzt von den ausgewiesenen Werten, um eine gedankliche Verbindung auszuschließen. Es ist zwar in Fettdruck geschrieben, aber das ist die Überschrift „Verbrauch & Emissionen“ auch. Das Zeichen „WLTP“ ist auch jedenfalls nicht merklich größer als die Überschrift. Dass es in Großbuchstaben geschrieben ist, ist bei Kenntnis von der Abkürzungsfunktion ebenfalls kein Umstand, der eine selbständige, unabhängige Stellung des Zeichens „WLTP“ nahelegt. Zuletzt ist der Abstand zwischen der Überschrift zu den konkret angegeben Werten der gleiche wie der zwischen den Werten und dem Zeichen.

Dass das Zeichen „WLTP“ auf der Internetseite einen Link zu einer anderen Seite mit den richtigen WLTP-Werten beinhaltet, beseitigt die Gefahr einer Fehlvorstellung nicht. Die Verlinkung ist von außen nicht erkennbar. Der Verbraucher stößt allenfalls zufällig darauf, wenn er mit der Maus über das Zeichen fährt. Insoweit kann nicht davon ausgegangen werden, dass dies häufig geschieht. Hinzu kommt: Zur Vermeidung einer Fehlvorstellung muss der Verbraucher dann den Link auch noch betätigen und anhand der verlinkten Angaben erkennen, dass die zuerst angegebenen Werte NEFZ-Werte sind. Auch daran bestehen erhebliche Zweifel. Zwar wurde die verlinkte Seite dem Gericht nicht vorgelegt. Nach dem Vortrag der Parteien enthielt sie aber über die Werte hinausgehend keinerlei Erklärung. Insoweit bleibt die Situation für den Verbraucher auch nach Kenntnis der Unterseite verwirrend, weil ihm nirgends klar mitgeteilt wird, dass die zuerst angegebenen Werte solche nach dem NEFZ sind.

Es ist auch davon auszugehen, dass ein erheblicher Teil der Verbraucher zur Zeit des Verstoßes im April 2022 – auf diesen Zeitpunkt kommt es an – bei Besuch der Seite entsprechend informiert war, d.h. Kenntnis von der Existenz und Bedeutung des WLTP hatte. Durch den sog. „Dieselskandal“, bei dem festgestellt wurde, dass Abgaswerte von Personenkraftwagen im Prüfverfahren nach dem NEFZ manipuliert wurden, ist das Thema der Prüfmethode der Abgas- und Verbrauchswerte bei Kraftfahrzeugen seit Mitte der 2010er-Jahre stark in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt und wird entsprechend viel diskutiert. Bereits im Jahr 2018 wurde dann der WLTP eingeführt. Auch dies wurde nicht nur in der Fachpresse im Automobilbereich, sondern auch in der allgemeinen Presse thematisiert.

b) Es besteht aber auch die Gefahr, dass Teile der Verbraucher, denen der Begriff zuerst nicht bekannt ist, irregeführt werden. Es ist insoweit zwar näherliegend, dass diese, weil sie eine Erklärung suchen, auf die Verlinkung stoßen als Verbraucher, welche den Begriff bereits kennen. Es bleibt aber das oben beschriebene Problem bestehen, dass auch die Verlinkung die Gefahr von Fehlvorstellungen nur unzureichend beseitigt.

Zudem ist es auch gleichermaßen wahrscheinlich, dass Verbraucher, statt auf der Seite selbst nach einer Erklärung zu suchen, den Begriff einfach googeln, um Aufschluss über seine Bedeutung zu erhalten. Wenn Sie das machen, sind sie anschließend in der gleichen Position wie diejenigen, welche die Kenntnis von Anfang an hatten…“

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